Erstellt am: 15. 11. 2009 - 12:19 Uhr
Gender Check
Die Ausstellung Gender Check ist noch bis 14. Februar im MUMOK in Wien zu sehen.
Am vergangenen Donnerstag hat im Wiener Museum für Moderne Kunst die Ausstellung "Gender Check" eröffnet. Sie beschäftigt sich mit Geschlechterbildern in der modernen Kunst Osteuropas. Kuratorin Bojana Pejić über ihre Motivation, diese Ausstellung zusammenzustellen: "About Eastern European art after the wall there are many, many publications. But in all these catalogues nobody wrote a text based on feminist or gender theories. And this was my motivation to do this show: to offer this reading"
Irmi Wutscher/FM4
Die Schau zeigt daher nicht ausschließlich feministische Kunst oder Kunst, die von Frauen gemacht ist, vielmehr eröffnet sie durch ihre Zusammenstellung eine feministische Perspektive auf Geschlechterrollen, die in den unterschiedlichsten Werken repräsentiert werden. Die Ausstellung ist in drei Abschnitte unterteilt, die sich mit jeweils verschiedenen Epochen und vorherrschenden Kunstströmungen befassen. Sie beginnt mit Rollenbildern des sozialistischen Realismus aus den 1960er Jahren und führt über die Bestimmung privater Räume in den 1970er und 1980er Jahren hin zu den Gender-Landschaften der postkommunistischen Zeit.
Socialist Iconosphere
Normundus Braslins
Der erste Teil der Ausstellung widmet sich vor allem der Kunst der 60er Jahre, in der der Sozialismus noch vorherrschend ist. Für Bojana Pejić war es wichtig, auch diese Kunstperiode einzubeziehen "After the 'Wende' in more than many socialist countries there are feminist art historians and genderconscious curators. They do feminist exhibitions or queer exhibitions. But I proposed to researchers, that we also try to see what was happening in the socialist period and to try to apply theory of today to the past. And this was the most challenging part for us."
In diesem Teil der Ausstellung beziehen sich alle Kunstwerke in irgendeiner Form auf die soziale Realität, die die KünstlerInnen umgibt. Zu sehen sind hier vor allem großflächige Ölgemälde mit figurativer Malerei. Sie zeigen Frauen bei der Arbeit, einerseits in der Industrie, auf dem Bau oder bei der Feldarbeit. Diese Bilder verdeutlichen das kommunistische Ideal der Gleichstellung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Auf anderen Bildern sind aber auch Frauen bei "klassisch weiblichen" Tätigkeiten, wie beim Waschen, beim Fische Putzen oder beim Brotbacken zu sehen.
Galina Petrova
Die Gemälde sind zum Teil offizielle Kunstwerke aus der Zeit des sozialistischen Realismus. Aber auch kritischere Werke der so genannten inoffiziellen Kunst sind zu sehen. Bojana Pejić erläutert: "The issue of this exhibition is not to divide between official and unofficial art. Often State exhibitions, for example on 8th of march, which was the day to open women's exhibitions, were not attended by so many visitors. On the other hand there existed this unofficial art, parallel in time." Von einem kunsthistorischen Standpunkt aus, meint sie weiter, war es für sie interessant vor Augen zu führen, dass diese zwei Kunstformen parallel existierten.
Negotiating Private Spaces
Im zweiten Teil der Ausstellung geht es um das Private, die meisten Kunstwerke stammen aus den 1970er und 1980er Jahren. Hier sind viele Portraits von Frauen und Selbstportraits von KünstlerInnen zu sehen. Daneben finden sich auch immer wieder religiöse Themen, für Bojana Pejić besonders interessant: "Religious themes like a female Jesus appear. And this was a little bit dissident thinking, because in socialism, as we know, god was dead. After 2nd world war god didn't exist anymore. But then you see in the Seventies: there is a female Jesus."
Ein Raum in diesem Teil der Ausstellung widmet sich dem Thema Beziehungen, Paaren und Liebe. "The first thing here is: Artist and model. Traditional. The female model, who was painted or photographed by a male artist. In most of the cases it was the artist’s wife, because she was an unpaid model." In diesem Teil der Ausstellung finden sich auch einige rare Darstellungen von Homosexualität aus der Zeit des Sozialismus.
MUMOK
Auch die in den Siebziger Jahren aufgekommenen Kunstformen wie Performance und Body Art sind stark vertreten. Sie öffnen den Kunstbegriff über die Grenzen des traditionellen Werk- und Objektverständnisses hinaus und eröffnen vor allem auch den Künstlerinnen neue Formen der Selbstrepräsentation.
Marina Abramovic
Post-Communist Genderscapes
Der dritte Teil der Ausstellung führt uns schließlich in postkommunistische Zeiten. Ein Fokus liegt hier auf Kapital und Gender. Vor allem auch aufgrund neuer gesellschaftlicher Realitäten, die der Kapitalismus mit sich brachte: "What came to us, to the post-communist world after the wall? Democracy, sure. But with democracy there was also the porn industry, the trafficking in women. And for the first time there was also the opening of the theme 'domestic violence' in the public sphere, which was not the case before."
rovena Agolli
Gerade das Zuhause wird wieder Ort für das Verhandeln von Geschlechterrollen. Daher beschäftigt sich ein Teil der Kunstwerke auch mit Hausarbeit: Eine Künstlerin setzt sich in die Galerie und schält dort Kartoffeln, eine andere macht Unterwäschewerbung in ihrer Küche. „The artists strongly relate to this theme of domesticity“ erläuert Bojana Pejić “They carry into the public, what was private before.”
Auch das Thema Mutterschaft wird in postkommunistischen Ländern wieder zum Thema, da durch den Kapitalismus konservative Wertemuster wieder belebt wurden. Diese Tatsache sollen die gezeigten Kunstwerke auf zynische Weise offenlegen. Ein Beispiel ist etwa das Bild Supermatka, der polnischen Künstlerin Elzbieta Jablonska.
elzbieta jablonska
Dazu Bojana Pejić: "It is important to know, that maternity is very important, especially in Polish contemporary art. And why? Because the artists are critical of the fact, that in 1993 Poland passed an anti-abortion-bill. So abortion is illegal in todays democratic and catholic Poland." Anti-Abtreibungsgesetze seien das erste Gesetz gewesen, das neugeformte demokratische Parlamente in postsozialistischen Ländern verabschieden wollten, so Pejić weiter.
Vladislav Mamyshev-Monroe
Zum Weiterlesen:
Gay Pride von Ost bis West
Auch dem Aufkommen queerer Identitäten wird Platz eingeräumt. So ist ja auch das Bild "Monroe" des russischen Künstlers Vladislav Mamyshev-Monroe das Aushängeschild der Ausstellungen. Auch deswegen, meint Bojana Pejić, weil Queerness zwar ihren Weg in die Kunst, aber noch nicht in die Gesellschaft gefunden habe. Und daher Demokratie, im Sinne des Schutzes von Minderheiten täglich eingefordert werden muss. Sie bezieht sich auf zum Beispiel auf die Pride Parade in Serbien, die von ultrarechten Gruppen bedroht wurde, und wo die Regierung nicht garantieren konnte, dass der Schutz der Parade durch die Polizei sichergestellt sein würde. Bojana Pejić meint dann abschließend, als ihr "political statement", wie sie sagt:
"Democracy is not given. You do democracy every day. As artist, as citizen, as politician. And if my state, the Serbian state, cannot guarantee order to a group of citizens, then I just think, it is a wrong country. Sorry."