Erstellt am: 17. 10. 2009 - 10:03 Uhr
Lisbeth Salander Superstar
"Mankell kann einpacken". Das soll Stieg Larsson gesagt haben, als er die ziegeldicken Manuskripte seiner ersten drei Romane beim Verlag abgegeben hat.
Stieg Larsson ist 2004 im ALter von 50 an den Folgen eines Herzinfarkts gestorben.
Durchaus selbstbewusst hatte Larsson das "Millenium"-Projekt auf zehn Bände angelegt, der vierte Teil soll fast fertig auf seinem Laptop gespeichert sein. Für die restlichen sechs Bücher hat er ausführliche Exposès angefertigt. Die Veröffentlichungen und den Erfolg der globalen Seller hat er nicht mehr erlebt.
Stieg Larsson war ein manischer und rastloser Journalist, Aufdecker und Experte für Rechtsextremismus. Ab 1995 war er auch Herausgeber des Antifa-Magazins "Expo". Ideen und Material für sein Alter Ego in den drei veröffentlichen Romanen - Michael "Kalle" Blomkvist - hatte er also zu Genüge. Blomkvist deckt als unbeirrbarer Journalist, Chefredakteur und Herausgeber des "Millenium"-Magazins Korruption, Amtsmissbrauch und Frauenhandel auf.
Månpocket
Der Roman und der Film "Verblendung" heißen im Original treffender "Männer, die Frauen hassen".
Stieg Larsson erspart seinen LeserInnen in extragenauer journalistischer Manier auch nicht das mikroskopischste Detail zur kleinsten Nebenfigur und strapaziert dabei den Geduldsfaden aufs äußerste. In "Vergebung" quält er einen mit der umfangreichen (Nazi-)Vergangenheit der Familie Vanger. Um diesen ausufernden Lebenswegen halbwegs folgen zu können, hat Larsson sicherheitshalber den Stammbaum der Familie dem Buch beigefügt. Die schmutzigen Geschäfte des Herrn Wennerström wiederum führen uns um die halbe Welt zu Kinderarbeit und Schmiergeldaffären, ehe sie schließlich zurückführen zu einem veritablen schwedischen Bauskandal.
Dieser "Fakten, Fakten, Fakten!" Chefredakteur-Prototyp Larsson knöpft sich also die schweren, politischen "die Welt steht nicht mehr lange" -Aufreger vor. Zweifellos kennt er sich damit aus. Aber wie bitte kommt er auf Lisbeth Salander, eine Frauenfigur, wie sie die Welt schon lang nicht mehr gesehen hat?
Nun, in Schweden gibt es eine lange Tradition, was unkonventionelle Mädchen anbelangt.
"Man darf sich nichts gefallen lassen"
Unangepasstheit bekommt einen neuen Namen: Lisbeth Salander. Sie ist 24 Jahre alt, klein, spindeldürr, wortkarg und traut niemandem. Sie raucht und flucht, sie schläft mit Männern und Frauen und wirkt trotz Piercings und großflächigen Tätowierungen wie ein Kind. Das kompensiert sie mit robustem und schlagkräftigem Auftreten. Ach ja, sie ist außerdem hochintelligent und die Königin der Hackercommunity.
Ihre abenteuerliche Familiengeschichte ist prädestiniert für die Entstehung einer Legende, die Geburt einer Superheldin. Lisbeth Salanders Vater ist ein ehemaliger Profikiller, der seine Familie tyrannisiert und seiner Tochter einen jahrelange Aufenthalt in einer psychiatrische Klinik verschafft. Die Behandlungsmethoden dort übersteht sie knapp und begegnet danach ihrem ebenso perversen Vormund .
Superhelden sind einsam
Lisbeth Salander ist zweifellos als Superheldin angelegt. Sie rächt sich an ihrem Peiniger und tätowiert ihm "Ich bin ein sadistisches Schwein, ein Widerling und ein Vergewaltiger" auf den Bauch. Sie erledigt ohne Waffe drei testosteronstrotzende Muskelberge, hat eine "Kill Bill"-Szene zu überleben und erledigt schließlich einen schmerzunempfindlichen Riesen.
Pippi Langstrumpf erwachsen
Lisbeth ist eine Frau, die sich gegenüber gewalttätigen Männern brutal zur Wehr setzen darf. Solche Frauenfiguren setzt höchsten noch Quentin Tarantino überzeugend in Szene. Und bei Astrid Lindgren ist auch eine zu finden. Die sehr coole Eva-Lotte Lisander, die nie mit Puppen gespielt hat,und in der Gang von Meisterdetektiv Kalle Blomquist als einziges Mädchen dabei ist.
Ich wünsche mir jetzt einfach, dass KrimiautorInnen mehr Kinderbücher lesen und noch eine weitere Begegnung mit Lisbeth Salander. Die ist in nächster Zeit allerdings nicht zu erwarten, da zwischen Larsons Vater und Bruder und Larsons Lebensgefährtin Eva Gabrielsson ein Streit um die Rechte an seiner Verlassenschaft tobt.
Bleiben die Verfilmungen der "Millenium"-Trilogie (Teil eins "Verblendung" ist derzeit in den Kinos zu sehen).
Yellowbird / Photo by Knut Koivisto
Die neue Eiszeit: Markus Keuschnigg über die Verfilmung von Verblendung"
Noomi Rapace als Lisbeth ist zweifellos schön anzusehen. Sie trägt das Haar kurz und gefärbt, hat sich ein paar echte Piercings in Nase und Mund schrauben lassen und hat auch Kickboxen und Motorrad fahren gelernt. Trotzdem: Ihre Darstellung der Lisbeth Salander versprüht in der Verfilmung mehr den koketten Lara Croft Hochglanzcharme, als die spröde Punk-Attitüde der Lisbeth Salander in meiner Welt.
"Verblendung", "Verdammnis" und "Vergebung" von Stieg Larsson, übersetzt von Wibke Kuhn sind im Heyne Verlag erschienen.