Erstellt am: 2. 10. 2009 - 18:40 Uhr
Vergebene Chancen
Es gibt Filme, denen man im Vorfeld mit einem Sympathiebonus entgegentritt, der ganz sachte ans Mitleid streift. Etwa, wenn es sich um das Alterswerk eines leicht senil gewordenen, aber einst hochverehrten Regiegottes handelt. Oder wenn ein ganzes Team leidenschaftlicher Low-Budget-Outlaws ein Herzensprojekt vorlegt, bei dem alleine schon das Engagement besticht.
Ein bisschen ergeht es mir so mit dem deutschen Regisseur Christian Alvart, dessen Einstellung zum Filmemachen mich mehr begeistert als seine tatsächlichen Arbeiten. Der 35-Jährige ist so etwas wie die Antithese zu vielen Filmhochschul-Studenten, die auf den Spuren von Godard, Haneke oder Petzold einem radikalen künstlerischen Minimalismus und einer bewussten Sprödheit folgen.
Alvart, der sich als obsessiver Kinoliebhaber das Know-how selber beibrachte, verkörpert all die Freaks und Geeks, die vom überlebensgroßen Eskapismus auf der Leinwand träumen, von Sex & Crime, plakativer Gewalt und Adrenalin-Kicks.
Sein Serienkillerdrama "Antikörper" (2005) ist deswegen noch kein wirklich guter Film, aber immerhin ein vielversprechender, sehenswerter Versuch, in Deutschland aus den strengen Pfaden der Berliner Schule & Co. auszubrechen. Und gleichzeitig auch der halblustigen Comedy-Unterhaltung auszuweichen.
Tatsächlich verschaffte der recht erfolgreiche Streifen seinem Schöpfer einen ganz fetten Deal. Der Autodidakt Christian Alvart ist mit dem Science-Fiction-Thriller "Pandorum" im Big-Budget-Terrain gelandet, inklusive Hollywoodstars wie Dennis Quaid und Ben Foster.
Constantin Film
Am Anfang steht einer dieser klassischen Establishment-Shots, wie man sie aus "Star Wars" und etlichen anderen Spaceoperas kennt und liebt. Ein riesiges Raumschiff zieht langsam an der Kamera vorbei, an Bord erwachen zwei Astronauten panisch aus dem Tiefschlaf.
Vorerst noch ohne Orientierung oder Erinnerungen bleibt den beiden Männern nicht viel Zeit. Das Energiesystem des Schiffs steht offenbar kurz vor dem Zusammenbruch. Aber das ist noch nicht alles. Es dauert nicht lange, bis die beiden feststellen, dass sie nicht allein an Bord sind.
Die unendliche Verlorenheit des Alls, ein mysteriöses Raumschiff, eine unbekannte Bedrohung: eine Ausgangsposition, in der großes Potential steckt, auch wenn sie aus Filmen wie "Alien" oder "Event Horizon" vertraut wirkt.
Am Anfang drückt Christian Alvart auch die richtigen Knöpfe. Die Panik in den Augen des famosen Ben Foster, der Schweiß auf der Stirn von Dennis Quaid, das reicht für klaustrophobischen Nervenkitzel. Aber je mehr sich das Geheimnis in "Pandorum" lüftet, desto enttäuschender wird die Sache.
Wie gesagt, ich für meinen Teil wollte diesen Film mögen, weil ihn ein junger Horrorfan aus Deutschland gedreht hat, der das Genre abgöttisch verehrt. Aber leider, das düstere Dekor, die unheilschwangere Musik, die lässigen Darsteller - alles verschenkt. Statt futuristischer Spannung bietet "Pandorum" nur platte Monsteraction und hölzerne Dialoge. Da können auch die aufgesetzten Wendungen nichts retten.
Constantin Film
Wohlgesonnen stand ich zunächst auch dem neuen Streifen des steirischen Regisseurs Nikolaus Leytner gegenüber. "Der Fall des Lemming", die Geschichte eines melancholischen Ermittlers, der in einen sinistren Mordfall hineingezogen wird, das hörte sich nach einem dunklen Krimi made in Austria an. Und davon kann es nach Meisterwerken wie "Der Knochenmann" ruhig mehr geben.
Also her mit rabenschwarzem Humor, bitterbösen Schmähs und tiefen Einblicken in die marode Wiener Seele, dachte ich mir. Leider löst Leytner solche Erwartungshaltungen nur bedingt ein.
Ich kenne die Bestsellervorlage des Autors Stefan Slupetzky nicht, aber als Film ist "Der Fall des Lemming" viel zu brav angelegt, wirkt berechenbar und schablonenhaft. Den bissigen und absurden Witz alter Kottan-Folgen sucht man vergeblich, auch echte Abgründe tun sich nicht auf.
Stattdessen beißt Roland Düringer als grantiger Kieberer fluchend und stänkernd ins Burenheitl und schließt damit nahtlos an vergangene Kabarettkino-Rollen an. Und Fritz Karl stolpert als Detektiv Leopold "Lemming" Wallisch bemüht schludrig durch ein Wien wie aus dem Klischee-Bilderbuch, vom zwielichtigen Praterlokal über Hietzinger Nobelhotels und retour zum Riesenrad.
In den besten Momenten erinnert "Der Fall des Lemming" an passable "Tatort"-Folgen. Manchmal, wenn ein niedliches Hunderl an der Seite des Titelhelden die Handlung übernimmt, wackelt der Kommissar Rex mit dem Schweif. Schade um die vergebene Chance.
Thiem Film