Erstellt am: 25. 8. 2009 - 22:35 Uhr
Fußball-Journal '09-76.
Nein, das ist nicht das erste Mal, dass hier der sportliche Unsinn, der in Salzburg seit der Übernahme von Red Bull passiert, thematisiert wird - das war oft genug der Fall.
Es wird aber, so wie es aussieht, auch nicht das letzte Mal sein. Auch, weil sich die Verantwortlichen des Vereins als extrem entwicklungs- und lern-resistent erweisen.
Hier in jedem Fall die aktuellen Infos.
Vernagelt, verpeilt und unflexibel ist das Umfeld der in vielem immer noch erschreckend amateurhaft agierenden Fußball-Außenstelle des Weltkonzerns Red Bull.
Die stetigen und fortgeführten Fehler in Menschenführung, Personalpolitik, Unternehmens-Philosophie, Taktik & Strategie wurden (und damit meine ich nicht mein kleines Journal, das sich dieses Themas halt auch schon dutzendfach angenommen hat, sondern die Revisoren und Konsulenten-Profis, die in Salzburg ein und aus gehen) immer wieder festgemacht und analysiert.
Nur: Es nutzt nix.
Die sportliche und, auf höhrerer Ebene, die wirtschaftliche Führung, lassen zu, dass dieselben Fehler immer wieder geschehen.
Es kommt der Gefühl auf, dass hier irgendwer bewusst das Projekt gegen die Wand fahren will. Es riecht nach Fahrlässigkeit.
Anti-Nachhaltigkeit
Vernagelt, verpeilt und unflexibel ist der neue Heiland, Huub Stevens. Nach dem "Hott", der letzten Saison, in der ein anderer Holländer "Amusement"-Fußball zeigen wollte, ist es sein "Hü", das an schreckliche Zeiten unter dem alternden Trappatoni gemahnt, als der Maestro das Team mit drei defensiven Mittelfeldspielern antreten ließ.
Das allein ist niemandem zum Vorwurf zu machen.
Wer allerdings eine komplette Philosophie-Veränderung vornehmen will, der muss die Spieler dafür haben. Eine plötzliche Umschulung der von Adriaanse an offensives Denken gewohnten Kicker auf den Typus von Milan Dudic, der Stevens als Idealtpyus vorschwebt (mehr zu Dudicsimus hier) ist nicht möglich.
Vor allem nicht kurzfristig.
Und Kurzfristigkeit ist alles, was der Konzern, vom Chef oben bis zu den Spielern unten, zustande kriegt. Kurzfristiges Denken und Handeln, das Musterbeispiel einer Anti-Nachhaltigkeits-Handlung.
Das wichtigste Ereignis des Jahres ist (nachdem der Meistertitel als reine Pflicht erachtet wird) die Champions-League-Quali, die im Juli/August ausgespielt wird.
Wie jedes Jahr.
Jedes Jahr!
Jeder Jahr wird auch die Mannschaft umgestellt, im schlimmsten Fall eben auch die Philosophie, es wird dem Team von oben jegliche Kontinuität rausgetrieben (das riecht nach Fahrlässigkeit, genau hier) und man kommt genau zur entscheidenden Zeit nicht in die Gänge.
Jeder Jahr.
Lerneffekt: Seit Jahren null.
Wenn dann der sportlich Verantwortliche auch noch eine Karikatur des alten HB-Männchens ist, der unter einem völlig verpeilten Blick leidet, die Realität verweigert und versucht, Sturheit zu einer Tugend hochzubrüllen, dann kommt neben der systemimmanenten Problematik auch noch ein gruseliger Hausmannskost-Mix der Sorte "Stammtisch" dazu.
Der Hü-Hott-Huub
Stevens Ansagen direkt VOR dem Spiel - bezeichnend.
Zuerst sprach er an, dass die Priorität auf dem Toreverhindern liegen müsse.
Bei einem Spiel, in dem minimal zwei Tore erzielt werden müssen.
Dann erklärte der Chefcoach allen Ernstes, dass es sich bei Tchoyi und Svento, auch bei Leitgeb und Cziommer, um Stürmer handeln würde, er also ohnehin mit fünf Stürmern angetreten sei.
Das riecht nicht nach Fahrlässigkeit, sondern nach völligem Realitätsverlust und Handlungsblockade.
Das ist ein Krankheitsbild und schreit nach professioneller Therapierung.
Stevens sprach vor dem Spiel auch von der ganzen Unterstützung und dem Vertrauen, das der junge Stefan Ilsanker, der unvermutet in die Entscheidungsschlacht geworfen wurde, habe. Ilsanker wird, genauso wie alle anderen der Jungen in der 2. Liga versteckten Nachwuchs-Kräfte, von allen Coaches, und auch von Stevens, seit Jahren trefflich ignoriert.
Aus dem eigenen Nachwuchs hat Salzburg in der Red Bull-Ära genau keinen (in Zahlen: 0) Spieler hochgezogen. Die Akademie ist also eine reine Augenauswischerei, ein Renommierprojekt ohne Wert. Und so fühlt man sich dann dort auch - von wegen "Vertrauen" und "Unterstützung". Und fällt in der 65. Minute einfach zusammen.
Verpeiltes Gefüge
Vernagelt, verpeilt und unflexibel ist auch das Mannschaftsgefüge in Salzburg; nicht das der Amateure, das der Profis.
Jedes Jahr kommen neue Kräfte und schütteln das nicht gewachsene Gefüge, das ohne heimische Leitwölfe auskommen muss, durcheinander.
Off Topic, aber weil Tel Aviv: erinnern sich noch alle an die Israel-Zehn, die 2001 die Anreise zum WM-Qualispiel wegen Anschlagangst verweigerten? Hier die Story dazu, die zehn waren: Roland Kirchler, Walter Kogler, Robert Ibertsberger, Edi Glieder, Alfred Hörtnagl, Harald Cerny, Martin Hiden, Christian Mayrleb, Didi Kühbauer und Günther Neukirchner.
Getraut haben sich: Franz Wohlfahrt, Gerald Strafner, Zeljko Vukovic, Thomas Winklhofer, Gilbert Prilasnig, Markus Schopp, Richard Kitzbichler, Markus Hiden, Ivica Vastic, Andreas Herzog, Mario Haas. Wechselspieler: Roman Wallner, Stefan Lexa und Tomislav Kocijan, dazu Alex Manninger und Brunmayr.
Verletzt waren Markus Weissenberger und Stranzl, gesperrt Thomas Flögel und Baur.
Dazu werden gleichartige Typen eingekauft; und Mannschaftsteile vernachlässigt. Heute etwa saß kein Defensiver mehr auf der Bank - man hatte aber auch nur 6 bei der UEFA angemeldet; wieder reine Fahrlässigkeit.
Auch typisch: Bei einem Freistoß an der Strafraumgrenze beraten Svento und Cziommer, zwei Neue. Der einzige, der noch dazukommt, ist Holzfuß Dudic, der unter Holzfuß-Freund Stevens plötzlich wichtig ist. Der Freistoß versandet jämmerlich - wie alle Standards.
Nicht einmal die klappen, und das kann man trainieren.
Was Stevens überhaupt getan hat, außer auf Defensive setzen, Mittelfeldspieler zu Stürmern hochquatschen, Kondition zu bolzen und Reporter zu beschimpfen, ist nicht wirklich klar.
Was er NICHT getan hat, ist klarer: Nämlich die Vorzüge der Spieler, die er so hat, auch zu benutzen. Etwa die von Marc Janko, der kein Wühler, sondern ein Mitkombinierer und Verwerter ist, der Bälle braucht, steile, und Flanken.
Letztlich sind alle Stürmer, die Stevens hat, genau so.
Heuhupfer auf Bienen umschulen
Stevens' Spiel will aber das Gegenteil: Den arbeitenden Wusler, den's bei Salzburg nicht gibt.
Deshalb schaut Janko auch so schlecht aus heuer, und Zickler und Nelisse detto - Stevens versucht, sie von Heuhupfer auf Biene umzuschulen.
Auch gewissermaßen fahrlässig, die Ressourcen, die man hat, derart fehleinzuschätzen.
So hat Stevens auch durchaus brachbare Außenverteidiger modernen Typus. Nur: Sowas will er gar nicht. Stevens spielt mit einem Vier-Holzfüße-System ohne Sinn für Aufbau oder Flügelspiel, für das im Vorjahr Laszlo Bodnar stand (der mit Debrecen problemlos und verdient die Champions League erreicht hat - ebenso wie Johan Vonlanthen mit dem FC Zürich, beide auch mit Torerfolgen; Gratulation!). Älteste Schule also.
Vernagelt, verpeilt und unflexibel spielt Salzburg schon die ganze Saison lang, egal in welcher Aufstellung.
Eigentlich hätte man schon gegen Bohemians Dublin ausscheiden müssen: Die waren zwar schwächer, hatten aber mehr Herz.
Dann reichte eine halbwegs gute Partie gegen Dinamo Zagreb, samt deren Überheblichkeit, um weiterzukommen.
Trutzige Kindersicht
Und gegen Maccabi Haifa, eine gewachsene Mannschaft, hatte man nie auch nur den Funken einer Chance. Heute nicht einmal ansatzweise eine gute Aktion oder gar eine Torchance. Da musste der im Grundton des Seierns comoderierende Andi Herzog irgendein angebliches Elferfoul zur Beschönigung des miserablen Spiels, der ungenügenden Ausrichtung und des mangelenden Risikos bemühen.
Auch eine Art von Realitätsverlust, auch durchaus verpeilt die trutzige Kindersicht, mit der man sich allerdings bei Red Bull Salzburg bewerben sollte: Dort steht man auf Wirklichkeits-Flucht, auf Hü-Hott-Spiele, auf redundantes Handeln, auf die Verweigerung des Lerneffekts aus eigenen Fehlern.
Das ist lustig! Auch NACH dem Spiel hält Stevens Svento und Tchoyi für Stürmer. Wirklich putzig. Wäre ich Robert Hartlauer, ich würde dem Mann eine Brille schenken.
Deshalb ist Red Bull Salzburg auch so österreichisch.
Und zurecht nicht im Konzert der Großen dabei. Dort haben Armseligkeit und Realitätsverweigerung eben nichts verloren.
Und auch in der Europa-League wird sich Salzburg im aktuellen Zustand nicht hervortun können. Auch nicht mit einem weiteren Mittelfeldspieler. Oder im nächsten Jahr dann mit einem neuen Coach, der sicher wieder eine neue Philosophie und neue Spieler mitbringen wird. Dann wird man wieder mit trutzig-staunenden Kinderaugen vorm Onki Dietrich stehen und nicht verstehen können, warum es wieder nicht geklappt hat, obwohl man doch eh alle Fehler brav wiederholt hatte.
Salzburg befindet sich in einem selbstverschuldeten Fegefeuer, erlebt den Groundhog-Day, Tag für Tag aufs Neue. Kein Mitleid.