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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

19. 8. 2009 - 23:20

Fußball-Journal '09-73.

Rücksturz nach Österreich oder: die Rückkehr des Dudicismus.

Die Info zum Spiel Salzburg vs. Maccabi Haifa findet sich hier.

In Berlin wird so Fußball gespielt, wie man lebt: offensiv.
Was zählt, ist Offenheit nach außen, ein fast schon solidarisch zu nennender Umgang miteinander, also etwas man als mannschaftsdienlich bezeichnen könnte.
Es ist kein Zufall, dass dieser Stil der ist, der sich europaweit durchsetzt, wenn es um High Level und oberstes Niveau geht. Mir fällt jetzt auf die Schnelle kein einziges europäisches Spitzenteam ein, das bewusst auf eine andere Philosohie, eine andere Strategie setzt.
Das ist, auch wenn man sich nur kurz diesem Einfluss aussetzt, und sei es als bewusster Tourist, so spürbar und so schnell verinnerlicht, dass der Rücksturz nach Österreich dann ein wirklich brutal harter Aufprall ist.

Vor allem dann, wenn das erste, was ich nach einer Woche Berlin, nach einer Woche Internationalismus (sei es durch die Kiezmischkultur oder die Leichtathletik-WM), nach einer Woche Offensiv-Charme im öffentlichen Leben, nach einer Woche Offenheit des Umgangs erlebe nichts Anderes als der angewandte Dudicismus ist.

Ich habe nun nichts gegen Milan Dudic, einen serbischen Innenverteidiger der alten Schule, der das Advocaat-Jahr bei Salzburg ganz ruhig auf der Bank absaß, nachdem er davor, unter Trapattoni meist als Linksverteidiger fehlbesetzt wurde. Dudic hat nie ein spielerisches Hehl um seine Limitiertheit gemacht und bietet an was er kann.

Der Dudicismus an sich

Schuld am Dudicismus ist der, der ihn einsetzt, also der neue Salzburg-Coach Huub Stevens. Aber den will ich nicht durch einen nach ihm benannten Stimmungs-Milieu ehren.

Stevens ist der Gegenläufer zum vorhin Besprochenen, einer, der mit Offenheit, Offensive, spielerischer Klasse und dem, was eine gewachsene Gemeinschaft hervorbringt, nichts anfangen kann. Ein Bremser, ein Defensivapologet, ein Maulverbieter, der sich im Konterspiel genügt. Aber selbst da hat der Fußball-Lehrer große Probleme, das seiner Mannschaft beizubringen.
Klar, denn die war im letzten Jahr ein Offensivspektakel, das gerne zwei, drei Tore kassierte, weil man ja selber ein, zwei mehr schoß. Marc Janko vor allem, meist nach Vorarbeit von Laszlo Bodnar und Patrick Jezek.

All das sperrt Stevens weg. Er holt Milan Dudic wieder in die Mannschaft und zieht seine neue Philosophie an ihm hoch.
Dudic ist ein Holzfuß alter Schule (Pecl, Schöttel...), der vor allem hohe Bälle wegputzt, auch den einen oder anderen Flachpaß durch cleveres Stellungsspiel abfängt, aber das, was Verteidiger der neuen Schule beherrschen, halt nicht leistet: den Aufbau der Offensive. Die beginnt nämlich hinten, in der Innenverteidigung.

Die Philosophie des Reaktiven

Dudic kann das nicht.
Was er dafür kann, ist Gefahr bei Standard-Situationen zu erzeugen: Dudic ist bei Cornern und Freistößen vorn mit dabei und da immer für ein Tor gut (auch heute zumindest einmal).
Dudic ist durch sein Old-School-Spiel allerdings auch immer für schlimme Fehler, die dann zu Gegentoren führen gut (heute mehrmals, beide Tore fielen nach Aussetzern Dudic').

Den dem Ergebnis- oder Statistik-Fetisch unterliegendem heimischen Journalismus fällt dieser Wahnsinn nicht auf (weil Dudic ja dann auch manchmal ein Törchen macht und sein Tun so - scheinbar - rechtfertigt). Und für Stevens ist diese 1 Schritt vor - 2 Schritte zurück-Strategie ja Lebensphilosophie.

Die Mannschaft, auch Dudic, kann für diesen Unsinn, der ihnen da aufgepfropft wird, nicht viel. Was soll sie tun, wenn sie nicht offensiv kombinieren darf, wenn sie auf Konter spielen muss, auch daheim, wenn also der Dudicismus ausgerufen ist, und der, der sich dem widersetzen möchte, dann auf der Ersatzbank landet wie Marc Janko. Oder auch Jezek.

Bodnar hat man zu Debrecen ziehen gelassen, den rein gar nicht in Stevens-Denken passenden Vonlanthen zum FC Zürich. Beide Teams feierten Auswärtssiege in der CL-Quali. Salzburg feiert eine Heim-Niederlage, Stevens blufft den Reporter an, weil der harmlos nachfragt.
Die Nachfrage nach den wirklichen Gründen ließe das System Stevens innerhalb des Systems Red Bull von vornherein nicht zu, da werden Pressekonferenzen zu reinen PR-Junkets der Starschauspieler-Kategorie, also dem braven Abfragen reinen Gewäschs.

Arbeitmann = Spielmann

Maccabi Haifa, der heutige Gegner wurde von ein paar Salzburgern als "Scheiß-Israelis" besungen - und irgendwie muss man da eh froh sein, dass nichts anderes passiert ist; in Berlin, das fällt mir hier ein, kam beim Union-Spiel und den dortigen Fan-Gesängen der Gegner überhaupt nicht vor; wozu auch? Es geht ums Forcieren des eigenen Teams, um die Offensive, die Offenheit, den Internationalismus des Spiels an sich, nicht um den destruktiven Konter, die Grund-Philosophie der Feigheit.
Und damit haben die österreichischen Fans eh genau die Coaches, die sie verdienen: muffige, engstirnige Gegner-Belaberer.

Maccabi Haifa jedenfalls ist das Gegenmodell: Angriff auch im Auswärtsstadion. Sie spielen Fußball, wo andere, die wie Stevens den Dudicismus ausgerufen haben, ihn nur arbeiten.
Ganz falsch also, dass ausgerechnet Shlomi Arbeitmann den Siegtreffer der Israelis erzielt hat.

In der 94. Minute, beim Aufbau des letzten Angriffs der Salzburger, spielt Dudic den Ball unabsichtlich ins Out. Er kanns halt nicht.
Die anderen sind ebenso wie Dinamo Zagreb technisch eine Klasse stärker. Das aber kann keine Ausrede für freudlosen Fußball sein.
Und der Dudicimus bringt genau das automatisch hervor: freudlosen reaktiven Fußball, weil er von einem freudlosen reaktiven, strategisch limitierten Lehrer gecoacht wird. In einem Umfeld, das keine Offensive, keine Offenheit will und auch die Qualität einer gewachsenen Teamleistung schätzt, sondern platte hierarchische Dumpfigkeiten forciert, eine logische, aber nichtsdestowenig traurige Folge.