Erstellt am: 19. 7. 2009 - 06:00 Uhr
Song zum Sonntag: Regina Spektor
Kollege Christian Lehner hat schon anklingen lassen, dass er Regina Spektor in New York getroffen hat, um über das lang erwartete dritte Album mit ihr zu sprechen. Dazu bald mehr in diesem Theater.
"Laughing With" ist wohl einer der vorprogrammierten Sommerhits. Eine süsse Melodie, der "ganzschnellsprechen" Schmäh und der dann doch erstaunliche Text - die erste Auskopplung des neuen Regina Spektor Albums war Regina oder ihrer Plattenfirma schon mal eine kleine Werbeoffensive in Form eines aufpoppenden Ads inklusive Video auf diversen Musikblogs wert. Offenbar kann der Erfolg eines Liedes mit "God Can Be Funny" im Refrain erwartet werden - die Alanis Morrisette Planstelle will wohl endlich aufgefüllt werden.
regina spektor
Schon mit dem Titel des ersten Albums, "Soviet Kitsch", hatte Regina Spektor angedeutet, dass sie bereit sein würde, ihren Fans texlich und geschmacklich Einiges zuzumuten. Auf "Far" hat sie ihr "geistreiches kleines Mädchen" - Image zu einer gewissen Perfektion getrieben. Aber nicht alle können, was Kimya Dawson kann - manchmal kann Selbstironie in eine merkwürdige Richtung laufen. In die des Christian Rock sogar.
Gott
Das selbstgebastelte Image von Kindern bezüglich Gott ("Hello Mr. Gott , hier spricht Anna") ist PophörerInnen nicht gerade fremd. George Harrison, Daniel Johnston, Alanis Morrisette, Dashboard Confessional, ein von der unberühmten Band Stryper begründetes, eigenes Metal- Subgenre, das bei uns nahezu unbekannte, aber in den USA populäre Phänomen des "Christian Rock" - das meiste beruht nicht gerade auf einer Exegese der Schrift oder ist das Ergebnis einer Klostermeditation oder bezieht sich gar auf Jesaia oder Hesekiel: Stets ist der Gott/ Jesus des Pop eine Art liberaler, bester Freund, verständnisvoll und gütig, der zuhört, wenn andere in der Hektik des irdischen Strebens nach Glück sich abwenden, "zu groß für die Kleinstadt, für die Großstadt zu nett" (Funny van Dannen). Eine Art "Jesus is O.K." - freundliche Nachbarfigur, wie sie ein golfspielender Bischof in Kevin Smiths "Dogma" Film in Form einer augenzwinkernden Plastikhippie-Statue erfindet, um Gott bei der Jugend wieder populär zu machen. (Nebenbei bemerkt ist er das: Derzeit scheinen sehr viel mehr junge Leute religiös oder zumindest spirituell zu sein, als noch von 20 Jahren. Ich habe den Eindruck, Jesus ist wieder populärer als die Beatles.)
lacht
Der Gedanke in "Laughing With" hier ist einfach: Gott wird allerorts verlacht, sie wollen uns erzählen, dass er uns hasst, dass er Kunststücke auf Befehl vorführt und uns in einer Art Analogie zum Ablasshandel Geld zukommen lässt, wenn man ihn nur richtig und oft genug anbetet.
regina spektor
Regina Spektor bleibt in der Kinder- (und Pop-) Tradition, aber bricht mit ihr: Ihr Gott ist "lustig" - ein Attribut, das strengere katholische Denker außerhalb der Mystik selten anwenden dürften, auch im Judentum oder im Islam ist dies nicht gerade die berühmteste Eigenschaft des Erstbewegers. Aber er ist auch der rächende und strafende Gott des Alten Testaments, der es Heuschrecken und Frösche regnen lassen kann.
Der Song zum Sonntag ist eine Kooperation zwischen FM4 und der Presse am Sonntag und erscheint hier wie dort, wo sich der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar der Kolumne annimmt.
So lacht auch niemand angesichts einer Katastrophe, einer Krankheit, einer ernsten Bedrohung oder auch eines Eifersuchtsdramas (obwohl: wer, der/die seine/n Liebste/n mit wem anderen sieht, betet zu Gott, dass es eine optische Täuschung ist?)
Und der Subtext ist wohl: Wenn es euch schlecht geht, euch Atheisten, Agnostikern und Freidenkern, dann braucht ihr ihn wieder, dann lacht ihr nicht mehr. Eine Message, die von Polizei, Militär, Rüstungsbudgetplanern, heiligen Kriegern oder Law und Order-Fanatikern schon immer verwendet wurde - von Gott selbst meines Wissens noch nicht.