Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Elektronik im Grünen, es ist kalt!"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

13. 6. 2009 - 16:57

Elektronik im Grünen, es ist kalt!

Der Freitag beim Wilsonic-Festival in Bratislava. Müßiggang und gute Performances: Junior Boys, Dorian Concept, Tim Exile

Rock im Park, das muss nicht immer gleich bedeuten, dass da die Toten Hosen vor fünfzigtausend Menschen mit "Eisgekühlter Bommerlunder" über die Bühne poltern. Beim Wilsonic-Festival in Bratislava schlurfen auf einem kleinen Gelände nahe des Donauufers zwischen Grünflächen, Springbrunnen und Sandbänken ein paar hundert Menschen umher, um da und dort noch ein billiges Bier abzuholen oder dem Kollegen eine Zigarette abzuschnorrren, bevor auf der winzigen Livebühne ein Konzert beobachtet werden will. Beispielweise wie jetzt gerade jenes von der doch recht feinen englischen Mathrock-plus-Gesang-Kapelle Akira. Viel ist hier um acht Uhr abends noch nicht los, beim Wilsonic bleibt alles überschaubar, ein Festival, das mehr dem Cevapcicigrillen am Balkon als der andernorts so oft üblichen Schlammschlacht oder dem Rave durch Lagehallen gleicht. Schön ist das!

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Kaum beachtet: Akira
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Abhängen

Nach dem Auftritt von Akira, während der Perfomance von Trouble Over Tokyo, der mit Powerbook und Schrammelgitarre den einzig halbwegs gangbaren Weg zwischen Michael Jackson, angefolktem Protestsong und Timbaland (manchmal) findet, füllt sich das Gelände merklich, demnächst wird sich der Hauptgrund für die Anreise vieler auf der Bühne manifestieren: Die Junior Boys.

trouble over tokyo

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Trouble Over Tokyo

Das kanadische Duo bringt seinen von zartbitterer Indie-Attitüde geschwängerten Synthie-Pop wie gewohnt mit einem Drummer zum Trio aufgestockt auf die Bühne, Matt Didemus thront hinter einem Altar aus Elektronik, während Jeremy Greenspan am rechten Bühnenrand Synthesizer und Gitarren bedient. Der Sound ist leider eher so naja, was der Darbietung der Junior Boys aber kaum schaden soll.

Trotz ständiger Andeutungen von Regen und Temperaturen von der Sorte, wo man sonst schon lieber "Wirf mal den Kamin an" sagt, ist das Publikum gut aufgeheizt und goutiert gerne das Wechselspiel der Ausstrahlungen der beiden Junior Boys. Didemus lümmelt leicht blasiert über seinen Gerätschaften, Greenspan ist Joe-Cocker-mäßig gut bei Stimme, dick mit Hall beladen und gibt den sympathischen Bluesrocker, dem das Festival sehr gut gefällt: "It's fu!?#n awesome!"

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Jeremy Greenspan
matt didemus

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Matt Didemus

Freilich werden viele Stücke vom neuen, zwar feinen, doch aber recht blutleeren Album "Begone Dull Care" aus den Geräten gelockt und das Material etwas stärker Richtung Tanzelektronik gebogen, für die ganz große Aufregung im Publikum sorgen dann aber doch die Stücke des zweiten Junior-Boys-Albums "So This Is Goodbye": Ein Höhepunkt eines an Höhepunkten nicht armen Konzerts ist der sanfte Druck von "Double Shadow" und freilich der H.I.T. "In The Morning". Alles ist gut, pünktlich zur Zugabe wird der Regen heftig und die Laune besser. Open-Air ist für heute vorbei, die Zelte rufen. Die zum Tanzen.

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Junior Boys
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Im größeren, Wilsonic Arena benannten Zelt toben die zwei famosen französischen Wirrköpfe von Noze über die Bühne, ihren mit Klarinetten aufgesexten Cut-Up-House deuten sie wie schon zuletzt auf Platte in die Gegenden von Chanson und Popsong. Zur Unterstützung haben sie eine Allstar Big Band mitgebracht, allen voran die großartige, großartige Dani Siciliano mitgebracht. Man soll sie nicht immer in einem Satz mit Matthew Herbert erwähnen! Das Ende des Auftritts bestreiten die Herren Noze letztlich dann doch wieder alleine an den Knöpfen und Reglern und Tasten, mit nacktem Oberkörper, Wodkaflasche in der Hand und Hut auf. Prost!

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1x Noze

Gabba Gabba Hey!

Im kleineren Zelt schraubt gerade Tim Exile, weshalb Noze leider nur ausschnittsweise verfolgt werden können.
Der Wahl-Brightoner Exile ist der Justin Timberlake des Shredder-Funk und großer Alleinunterhalter: Ärgste Breakcore-Gewitter und Hauruck-Attacken hat der Mann schon am Rechner gebastelt, seit seinem letzten, erst kürzlich bei Warp erschienenen Album gibt er sich sanfter. Die scharfkantigen Beats werden da mit Gesang und Popmelodien verwoben, sodass am Ende ein Synthie-Gestolpere das Ergebnis ist, das sich vielleicht auch einmal Martin Gore, nein, Blödsinn, Dave Gahan anhören sollte.

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Tim Exile, Partydiktator
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Dorian Concept is the man

In der großen Halle zeigt danach wieder der junge Österreicher Dorian Concept, wie es geht. Er wurde schon an anderer Stelle gelobt, beim Wilsonic Festival aber ist er mit seinen schön hysterisch torkelnden Beats an diesem Abend der sicherste Partyveranstalter mit Anspruch. Ferner liefen: Kanadischer Techno von The Mole, hampeliger Dubstep, mehr dazu morgen, vom jungen englischen Produzenten Joker. Es gibt so viel zu tun, so wenig Zeit. Heute gleich nochmal, wie haben ja noch einen Tag!

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