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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

20. 5. 2009 - 16:44

Art Brut vs. Satan

Gestern wahrhaftig auf der Bühne im Wiener Flex: Die Satansbraten aus London präsentierten ihr aktuelles Album Art Brut vs. Satan.

"Buses are better than heroin!"
Haben wir gerade richtig gehört? Hat der verschwitzte Satansbraten Eddie Argos auf der Bühne gerade tatsächlich behauptet, Busfahren ist besser als Heroin nehmen? Das probieren wir jetzt vielleicht nicht aus.

Eines ist nämlich sicher: Was man bei Eddie Argos und Art Brut wörtlich und ernst nehmen darf, ist immer ein großes, unterhaltsames Rätsel. Art Brut Konzerte zählen bestimmt zu den heitersten Dingen, mit denen man einen öden Dienstagabend retten kann. Da springt ein grölender Eddie in Tennissocken herum bis das glatt gebügelte Hemd komplett durchnässt ist, die restliche Brut kommt schon einmal gerne mit Bauhelmen am Kopf auf die Bühne.

Art Brut Live im Wiener Flex

FM4/ Alexandra Augustin

Auch gestern haben Art Brut wieder einmal bewiesen, was für großartige Entertainer sie doch sind. Und das obwohl Eddie Argos vor Kurzem einen Bandscheibenvorfall erlitten hat. Hat man nichts gemerkt davon, der gute Herr hat sich geräkelt und gestreckt, hat gewackelt und ist heftig gehüpft. Rock'n'Roll scheint einfach die beste Medizin zu sein, vor allem wenn man so viel Spaß hat, wie Art Brut. Mögen sich andere abmühen cool zu wirken, da pfeifen Art Brut locker und ungeniert drauf.

"LOOK AT US! We have so much fun! You should all have this lots of fun! Form a band, FORM A BAND! FORM A BAND!!"

Art brut live im flex

FM4/ Alexandra Augustin

Wahrlich, es blieben keine Wünsche offen. Die frechen, ironischen Alltags-Parolen auf verflossene Lieben á la "Emily Kane", die kleinen Brüder, die den Rock 'n' Roll für sich entdecken und daraufhin den Verstand verlieren wie in "My Little Brother". Mit diesen Songs hat sich Art Brut ja längst in die Lauschapparate - und bis hin nach Brasilien - gespielt. Dort, wo Art Brut mit Franz Ferdinand getourt sind und halbwüchsige Mädels vorm Hotelfenster Art Brut-Hits nachgesungen haben.

"Ehrlich, ich hatte Tränen in Augen", meint der sonstige Spaßvogel Eddie Argos dazu im Interview.

Jetzt gibt es ein neues Art Brut Album - Art Brut vs. Satan - das hat schon ein paar Wochen am Buckel und das Konzert war eine gute Gelegenheit mit Maestro Eddie Argos ein wenig über das neue Werk plaudern. Und Interviews mit dem Herrn sind äußerst unterhaltsam.

Also, was hat es denn so auf sich mit dem neuen Schlachtruf "This is Art Brut vs. Satan!"?

Art Brut

Art Brut

Art Brut waren ja von Anfang immer schon frech, immer tanzbar, immer exzentrisch. Eines waren sie bestimmt nie: Bescheiden. Davon zeugen reißerische Plattentitel wie "Bang Bang Rock 'n' Roll" und Songtitel wie "Direct Hit". Und immerhin lautete der Schlachtruf der fünf nicht umsonst seit jeher: "Art Brut - Top of the Pops!" Das wurde auch gestern im Wiener Flex lautstark gefordert bevor die Band die Bühne betreten hat.

Blöd nur, dass Top of The Pops leider mittlerweile abgesetzt wurde. Dann muss eben die Weltherrschaft mit anderen Mitteln errungen werden. Also wieso nicht gleich gegen den Antichrist in die Schlacht ziehen? Und mit dem nimmt es die deutsch-englische Brut locker auf, hat sie doch schon vor einiger Zeit die Vorrunde gegen einen anderen Giganten für sich entschieden.

Art Brut vs. EMI

Als Anfang 2008 die EMI die Art Brut-Single 'Pump up the Volume' veröffentlichte, erfuhr Eddie Argos und die Band das erst über diverse Umwege:

"Ich hab das Radio aufgedreht und da lief unser Song, und dann sagte jemand das sei unsere neue Single. Aja?"

Ohne Wissen der Band veröffentlichte die Plattenfirma den Track. Art Brut riefen daraufhin gar nicht belustigt zum Boykott gegen den Major auf und starteten einen Anti EMI-Blog, in dem sie fleißig Schimpf-Tiraden von sich ließen. EMI wusste sich nicht mehr anders zu helfen, als dem Satansbraten einen Aussteiger-Deal anzubieten.

Den nahmen Art Brut an und das neue Album findet sich auf Cooking Vinyl. Aber Ruhe kehrte deswegen noch lange keine ein, im Gegenteil. Die Streitigkeiten lieferten die Inspiration für neues Material.

Wenn Art Brut über den Satan singen, dann meinen sie auch die Musikindustrie. Die sei nicht nur böse, die verdirbt und verwirrt auch unsere Geschmäcker. Und wir sind böse weil wir die falschen Platten kaufen. Und diese Dämonen müssen uns ausgetrieben werden.

How am I supposed to sleep at night
When no one likes the music I like?
The record buying public we hate them!
THE RECORD BUYING PUBLIC SHOULDN'T BE VOTING!

(aus: Demons Out!)

If we can't change the world let's at least get the charts right

Wer eine schlechte Platensammlung hat, der sollte eben auch nicht Wählen dürfen! Aber der Teufel steckt im Detail und hat bekanntlich viele Gesichter.

T-Shirt Art Brut

FM4/ Alexandra Augustin

Wenn es nach Art Brut geht, dann schaut er auch manchmal aus wie Bono Vox. Geht es nach Art Brut, dann sind nämlich U2 die Schuldigen, weil im Moment alle Bands denselben, gleichklingenden Brei fabrizieren. Und Eddie Argos hat auch gleich ein paar Tipps zur Hand, welche Platten wir kaufen sollen und von welchen man lieber die Finger lässt:

No: Kaiser Chiefs. (weil: Boooring! Nothing new!)

Yes: The Mountain Goats, 1990s, The Replacements und Jeffrey Lewis.

Ach ja, wenn neben oben genannten auch ein paar gute, alte Pixies- und Frank Black & The Catholics-Alben im Körbchen landen, kann das auch kein Fehler sein, schließlich spielte Frank Black auf Art Brut vs. Satan quasi den Ringrichter.

Art Brut vs. Frank Black

'Ich mag das erste Frank Black & The Catholics Album. Frank Black hat das komplette Album in einem Take nur mit einem Zwei-Spur-Rekorder aufgenommen. Also haben wir überlegt, wer so etwas bei uns hinkriegen könnte. Aber wer könnte das besser als eben er selbst? Und wir haben ihn einfach gefragt und er hat 'Ja' gesagt!'

Also ging es von London auf nach Salem, Oregon in die Wavelength Studios. Die Band wurde in einem Raum versammelt, Verstärker wurden in der Küche aufgestellt und Eddie Vargos durfte in einem Küchenschrank singen.

'Das war super. Ich konnte tanzen wie Mick Jagger, aber niemand konnte mich im Schrank sehen. Tanzen ist sehr gut für die Aufnahme!'.

Art Brut working hard at the studio

Art Brut

Art Brut working hard in the studio

Vom geübten Mick Jagger-Hüftschwung profitierten Songs wie "The Passanger", in dem Eddie Argos Iggy Pops "The Passanger" die Stirn bietet. Aber statt im Rücksitz einer Limousine macht es sich Eddie Argos lieber in öffentlichen Verkehrsmitteln gemütlich, denen die Hymne gewidmet ist´(Remember: Buses are better than heroin!)

Der Comic Nerd schreibt übrigens nun auch über Comics!

Im Song "DC Comics and Chocolate Milkshakes" huldigt der Eddie Argos seinen zwei anderen großen Vorlieben, "some things will always be great, DC Comics and chocolate Milkshake, even though I'm 28!"

Und wenn Eddie Argos nicht über öffentlichen Verkehrsmittel, Schokomilch und Comics singt, sinniert er sonst auch gerne über shitty "Summer Jobs", über die Qualen den dreckigen Boden zu schrubben und Frittierfett in Fish And Chips Buden aus Maschinen putzen zu müssen. Verbratene Liebeschancen gibt's natürlich auch wieder en masse.

Art Brut vs. Alles

Art Brut Cover Album

Jeff Lemire

Naive Lebensweisheiten und ironische Erzählungen gewürzt mit rotzfrechem Charme und einen leichten Tritt in den Allerwertesten. Das ist man von Art Brut gewöhnt. Und das vollgestopfte Flex hat das sichtlich genossen.

Aber kein Wunder, denn wenn jemand wie Eddie Argos - so wie gestern - dermaßen charmant-schrullig blaue Flecken besingt wie im Song "Mysterious Bruises", trotz Hexenschuss noch zwei Zugaben draufhaut und gar nicht mehr von der Bühne verschwinden will, dann hat er sich den Applaus wahrlich verdient!

Selbst die Handvoll Nörgler, die ich vor dem Konzert noch tratschen gehört habe und die meinten, mit ihrer ersten Platte "Bang Bang Rock 'n' Roll" hätten Art Brut eh schon den Höhepunkt ihrer Karriere erlebt und dass nichts neues nachkommt, waren am Schluss dann doch etwas klebrig um den schick gelegten Hemdkragen.

Eddie Argos Blog ist übrigens auch einen Besuch wert! Songs zum freien Download, die es nicht auf's Album geschafft haben, finden sich genauso wie weitere Anekdoten aus dem Leben von Eddie Argos!