Erstellt am: 2. 5. 2009 - 15:50 Uhr
Der 1. Mai in Berlin
Mehr zum 1. Mai auf FM4
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Christiane Rösinger / Radio FM4
Im Vorfeld hatte man schon geunkt, der 1.Mai würde dieses Jahr besonders gewalttätig werden. Die Krise, die allgemeine Weltlage, die Diskussion um soziale Unruhen - das alles sprach angeblich für die kommende große Randale.
Schon am Vorabend des Maifestes waren die Verpackungskünstler unterwegs und verkleideten die Glasfassaden gefährdeter Supermärkte, Sparkassen und Imbissketten mit den unterschiedlichsten Materialien und ab Freitag morgen und konnte man in ganz S0 36, also dem hinteren Kreuzberg, kein Geld mehr abheben.
Christiane Rösinger / Radio FM4
Der 1.Mai folgt in Kreuzberg seit 1988 dem gleichen Schema. Es gibt ein großes Straßenfest, am Nachmittag ziehen die Maoisten und kommunistischen Türken mit ihren roten Fahnen durch und abends nach dem Ende der „Revolutionären - 1. Mai – Demo“ kommt es dann zu ersten Scharmützeln zwischen Polizei und Demonstranten. Marodierende Krawalltouristen und erlebnisorientierte, vorwiegend männliche, betrunkene Jugendliche nutzen den Tag um sich ein wenig auszutoben und das ganze endet dann in mehr oder weniger heftigen Straßenschlachten mit brennenden Autos, Tränengas, Wasserwerfern und allem drum und dran.
Christiane Rösinger / Radio FM4
Auch die der Weltrevolution nicht abgeneigten, kapitalismuskritischen Kreuzberger haben es satt, dass ihr Bezirk seit nun 21 Jahren Schauplatz dieser Maifestspiele ist und man fragt sich: Lässt sich denn in der ganzen Stadt kein tieferes Symbol des verhassten Kapitalismus, als die seit Jahrzehnten geschundene kleine Bushaltestelle am Mariannenplatz finden? Aber dieses Jahr schien es ruhig zu bleiben. Ab mittags wurde wie verrückt gegrillt, dichte Rauchschwaden lagen über den Straßen. Jeder Zeitungsladen, jeder Imbiss hatte die Getränkekisten rausgestellt und Köfte auf den Rost gelegt, zehntausende Menschen zogen durch die Straßen.
Christiane Rösinger / Radio FM4
Die nicht Hip-Hop sozialisierte ältere türkische Community versammelte sich bei der türkischen Folklorebühne und da hielten sich dann junge Kopftuchmädchen, aufgetakelte Kiez-Schnallen und gegelte Stresser- Jungs an den Händen und tanzten in langen Reihen miteinander, so dass der alten Kreuzbergerin ganz warm ums multikulturelle Herz wurde.
Aber natürlich waren auch wieder sämtliche Jugendkulturen und Musikstile vertreten der Gangster - Rapper – und Aggro -Berlin –Nachwuchs übte sich auf der Hip-Hop-Bühne und so latschte man stundenlang zwischen den Punk- Crossover und Balkanpopbühnen zwischen den Techno- Djs und den Reggae Soundsystems hin und her .
Christiane Rösinger / Radio FM4
Es war ein schöner 1.Mai - bis in die Nacht wurde auf den Straßen getanzt.
In der Ferne sah man immer wieder Blaulicht, ab und an knallte es und irgendwo hatte es wohl auch wieder gebrannt, die kleine Bushaltestelle hat’s diesmal überlebt.