Erstellt am: 24. 4. 2009 - 20:04 Uhr
Journal '09: 24.4.
Das Donaufestival ist toll, Österreichs Bestes, ein Jahresereignis, auf das man sich freut.
Das Donaufestival ist auch speziell, weil es abseits der Gegenden und Pfade entstanden und gewachsen ist, die sonst so für respektable Alternativ-Kultur sorgen.
Jemand wie ich, der seine Geschichte kennt, zieht da umso mehr den Hut. Denn das, was einst als reiner Versorgungsjob für eine kulturpolitische Altlast herhalten musste, ist zu einem der mutigsten Garanten für Vorpreschen geworden, das, was als beiwerkelnde Alibi-Kunst mit dem Hauptauftrag nicht zu stören, gestartet ist, hat dieses (falsche und öde) Ziel gedreht wie die Igel den Hasen. Und das alles im Land Niederösterreich, einer diesbezüglich nicht einfachen Kulturlandschaft.
Trotzdem ist es wie jedes Jahr: Nach einem Tag hab' ich genug davon. Es gibt einen Störfaktor, keinen allzu offensichtlichen, aber einen, der mich plagt.
Es liegt nicht am Programm. Denn selbst an einem Spieltag wie gestern, wo es letztlich einzig und allein am Gibby-Pack, also den Butthole Surfers von Gibby Haines und Paul Leary lag, aus einem beliebigen Konzert-Abend einen Besonderen zu machen, ist nichts auszusetzen. Denn ein Festival-Tag, an dem mehr als zwei Bands einen erwischen, so richtig schön mit dem Glücksgefühl, da bei etwas Lässigem dabeigewesen zu sein, der ist so selten wie ein Schmetterling im Winter. Und diese extremen Glücksfälle sind beim Donaufestival, wo man auf geschmackssichere Programmierung und inhaltlich zusammenpassende Abende setzt, ohnehin noch weniger erwartbar als in den kunterbunten Sauhaufen vieler Festivals, die nach dem Zufallsprinzip alles Mögliche bieten, aber keine Orientierung.
Orientierung,
die das Donaufestival auch dann leistet, wenn die Bands nicht gar so viel können (und die auf Tonträgern interessanten Black Dice sich live in Übersteuerungs-Politik flüchten).
Diese Orientierungs-Hilfe zieht dann das entsprechend ältere Publikum, das schon etwas erlebt hat und Vergleiche ziehen kann und auch möchte - und das weniger an Sauf/Krawall interessierte klassische Festival-Publikum, die picky crowd also, die sich dann auch gerne am Plattenstand umschaut - obwohl der nur extradicke Nachpressungen verkauft - was in etwa so originär ist wie eine Sex Pistols-Reunion-Tour und leider auch nur so originell.
Daran liegt es also nicht, das Unbehagen.
Es kann auch nicht die Security sein, die, wie mittlerweile flächendeckend üblich, aus dem Osten billigimportiert ist und trotz der Anzüge, in die man die Herren presst, einen Swingerclub-Charme russischer Pornomacher ausstrahlt. Auch daran hat man sich (festival-technisch) gewöhnt. Und: Alles besser als die Gestapo-Mantel-Abteilung, die einem Veranstaltungs-Partner einmal in Kärnten aufs Auge… aber das ist eine andere Geschichte, die bei richtiger Gelegenheit passender zu erzählen ist.
Die einzigen Einheimischen vor Ort (denn unter den Besuchern gibt es – Fahhräder-Zählung – nur ganze drei) sind in der Gastro tätig – und da macht sich gleich die nächste Ost-Assoziation auf. Das an den vielen uniformen Bars beim Donaufestival gepflogene Bestell-/Anstell-/Bonus-System weckt bei mir lustige Erinnerungen an den Jugendherbergs-Sommer am Plattensee anno 1979, als es – mitten im schönsten Gulasch-Kommunismus – zur Erstbegegnung mit seltsamen DDR-Jugendlichen kam. Dort gab es eine wegen 5-Jahresplänen, ländlicher Wurschtigkeit und vorgestanzten Schicksalen ähnlich absurde Service-Stimmung, die allerdings durch eine Art Tschapperl-Bonus des mitleidigen Westlers ausgeglichen werden konnte. In Krems mag das, 30 Jahre später, nicht gelingen – auch weil man aus Gastro-Zonen wie Wiesen weiß, wie sowas ausschauen kann.
Die unsichtbare Sperre
Die verbeamteten Gastro-Komsomolzen sind neben den entzückenden Garderoben-Kids die einzigen heimischen Farbtupfer in einem durch und durch gemischten Publikum. Und das ist es wohl, was mich so massiv stört. Gut, ich verlange keine Schulaufklärung, keine Donaufestival-Extrastunde in allen Kremser Schulen, in der Thomas Zierhofer-Kin mit dem Ghettoblaster durch die Klassen zieht und ihnen wilde Musik vorspielt oder Snippets von den todschicken Kunstfilmen am PC vorspielt - obwohl: Wenn er an durch solche Auftritte angelockte Schülerchens Billig-Pässe verteilt, passt's vielleicht besser mit der lokalen Akzeptanz, die den unsicheren Händen und Augen der Gastro so abgeht.
Was viel mehr und ärger fehlt, ist ein inoffizieller Hangout außerhalb des Festivalgeländes, ein kleines Post-Festival-Absacker-Ding.
Es muss ja keine schicke Bar oder gar ein Club sein, es reicht, wenn der Donaufestival-Besucher das Gefühl hat, dort willkommen zu sein. Denn das hat das Fest in all den langen Jahren nicht einmal im Ansatz erreicht.
Es ist ein UFO, das einmal im Jahr landet, ein paar forschende Individuen mitbringt - egal ob Künstler oder Besucher, die reiten auf einem eigenen Trail ein, sehen sonst keinen Millimeter von der Stadt und hauen sofort nach Konzertschluss auch wieder ab.
Es gibt da eine unsichtbare Sperre zur Stadt, absurd feindselige Haltung aller im weiteren Sinn im Tourismus Beschäftigten – und es ist kein Wunder, denn außer den Hotels profitiert ja auch niemand, weil es keinerlei lokalen Austausch gibt.
Nun muss das natürlich nicht sein: Das Donaufestival landet wahrscheinlich sogar lieber als großes UFO, rund um das sich dann (vom Rest unbehelligt) tolle Sachen abspielen, um danach zu verschwinden ohne eine einzige Spur am Standort hinterlassen zu haben.
Komischerweise macht mich das aber unrund.
Ich denke nicht, dass nach Jahren des eingefahrenen Nebeneinander ein plötzliches Miteinander kaum möglich ist – da hätte man von Anbeginn an lokale Aufbauarbeit bestreiten müssen (und wer weiß, was dem da immer entgegenstand). Außerdem ist die picky crowd eben picky ist und mag sich sowieso ungern mischen - dem Alltagsleben zwischen Festival und Festivalort tut dieses Nichts aber nicht wirklich gut.