Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Concert High"

Barbara Matthews

"Bright light city gonna set my soul on fire" - dispatches from New Orleans.

24. 4. 2009 - 10:27

Concert High

Turn on, tune in, drop out - Donaufestival Tag 2 mit Butthole Surfers, Black Dice Goblin, et al.

Nachdem sie abegreist sind, die Göttlichen, ist es kalt hier in Krems. Wir kaufen uns Not-Pullover, ziehen uns die Jacken über und frösteln am Gelände. Umso größer ist die Freude auf die verschwitzten Eskapaden, die uns gegen Abend erwarten. Nach einem Mittagessen, das ich unabsichtlich neben Gibby Haines eingenommen habe, glaube ich, rehabilitierter Butthole Surfers Fan zu sein. Seine Stimme hat auch beim Sprechen dieses Timbre. Na, schauen wir mal, was das auf der Bühne kann ...

Born to Sit Company

Schauspieler der Born to Sit Company am Donaufestival

NÖ Donaufestival/Lackinger

Der Abend beginnt mit Theater im Stadtsaal. Die Born to Sit Company, gegründet für die "Rettet die Mäuse" Performance im Tanzquartier letztes Jahr, versucht ihren zweiten Streich. Theatermeister Fritz Ostermayer und sein All-Star-Cast (Welter, Plaschg, Grissemann ...) setzen sich mit dem Thema "Dualität" auseinander - alles hat zwei Seiten, alles ist von einander abhänging.

Die Born to Sit Company am Donaufestival

NÖ Donaufestival/Lackinger

Welter und Plaschg, als billige Andy Warhols (der Vervielfältigungsmeister schlechthin) werden ans Kreuz "geklebt", zwei Damen laden ein in die Tanzschule der Erniedrigung und im Hintergrund baut Hans Schabus seine
Kuchenschleuder. Um alle Anspielungen und Referenzen zu verstehen, müsste ich es mir wahrscheinlich noch zehn mal anschauen - dass mich das "Pale Blue Eyes" Duett der beiden Pseudo-Warhols sehr gerührt hat, steht allerdings jetzt schon fest. Obwohl das Tortenstück in kompleter Bühnenverwüstung endet, spielen sie's morgen nochmal.

Goblin

David Pfister war währenddessen in der Minoritenkirche:
Meinen Goblin-Moment hatte ich schon am frühen Nachmittag. Ich warte gut vorbereitet auf das Interview im Hof der Minoritenkirche. Die Sonne scheint, das Gras ist grün und die Gänseblümchen gelb-weiß. Und auf einmal dröhnt und scheppert die Minoritenkirche. Aus dem inneren der Kirche wummert das berühmte Thema aus George Romeros "Dawn Of The Dead".

Goblin am Donaufestival

Florian Schulte

Das war eine – stimmungsvolle Situation. Derart intensiv, dass ich Goblin-bezüglich schon voll auf befriedigt in das Konzert stapfe. Vor geschlagenen 31 Jahren absolvierte die legendäre italienische Band ihr letztes Live-Konzert. Mit Platten und Soundtracks machten sich Goblin zwar stetig bemerkbar, aber erst das Donaufestival mit der Minoritenkirche als perfekter Austragungsort, konnte Goblin (allerdings minus Keyboarder Claudio Simonetti ) zu einem öffentlichen Auftritt überreden.

Und es war gewaltig. Die alten Herren funktionieren wie ein Uhrwerk und knallten den versammelten Musikgourmets und Filmnerds einen Klassiker nach dem anderen hinter den Ohren. Von Dario Argentos "Suspiria" bis eben George Romeros "Zombie". Ohne Posen oder Firlefanz spielten sich Goblin etwa 70 Minuten durch ihre schwer fassbare Fusionmusik. Wer verwebt schon Krautrock mit Disco? Wer spielt zu Endzeitfunk wasserdichte Progrocksolo? Großartige Klangerzählerei. Alle paar Takte neue Bilder, neue Filme im Schädel.

Goblin am Donaufestival

Florian Schulte

Turzi Electronic Experience

Turzi hat sein Equipment nicht vor sich, sondern rund um sich aufgebaut. Sein Set besteht darin, dass er abwechselnd an verschiedenen Knöpfen dreht und ab un zu in den Vocoder haucht. Mit einer gelangweilten französischen Noblesse sieht er aus wie ein fescher Physik Student. Die Musik erinnert im weitesten an die Schattenseiten von "Kelly Watch the Stars" - Musik, die zu einer Reise zu den Sternen passen würde oder als Soundtrack zu so einer Laser/Sternschau Show im Planetarium. Als Konzert eher mau, da man sich nur beim wummernden Bass motiviert zum Bewegen fühlt. Ansonsten tut sich nicht viel, die Gitarre die mit einem Bogen gespielt wird, reißt mich auch nicht mehr aus der Fadesse.

Turzi beim Donaufestival

Florian Schulte

Black Dice

Leider haben wir kein Foto vom Black Dice Konzert. Glückliche Fotobesitzer, wir freuen uns auf eure Einsendungen an game@fm4.orf.at

Man könnte Black Dice auch vorwerfen, dass sie bewegunstechnisch nichts auf der Bühne machen, ihr Set allerdings hat wunderbare Ebben und Fluten an Sound. Der verstörte Gesichtsausdruck der Dame vor mir, als das Konzert anfängt, ist unbezahlbar. Ja, das ist laut. Aber Black Dice arbeiten mit Druck ... es müssen die Hosen des Publikums vibrieren. Irgendjemand hat über Black Dice mal geschrieben, ihre Musik sei die Vertonungen dessen, was man sieht wenn man die Augen ganz fest zudrückt. Trotz ihrem fast schon angsteinflößenden, repetativen Krach zeigen sie eine charmante Naivität in ihrer Performance. Ich hab zwar nicht das ganze Set unter diesem medialen Overload ausgehalten, aber in kleinen Dosen ist Black Dice ein tolles Ventil, eine Destillaton von Rauschen im Kopf. Im post-Show Interview erzählt mir Bjorn Copeland dann noch, dass das neue Album "Repo" für ihn gleich einzurodnen ist mit der Underground Punk Musik, die er als Teenager gehört hat. Und, dass ein Black Dice Livekonzert irgendwo zwischen Violent Femmes und Throbbing Gristle ("A band that makes you puke!") einzuordnen sei. Was Fake Reality und Black Dice betrifft, Bjorn meint dieses Motto passt perfekt zu seiner Band, denn erstens verbringt er so viel Zeit wie möglich in seiner eigenen Realität und zweitens kann er sich nicht ganz vorstellen dass Black Dice in der "echten Welt" jemals Annerkennung finden würden.

Butthole Surfers

Butthole Surfers am Donaufestival

Florian Schulte

Underrated! Warum hab ich das nicht in den 90ern gehört? Eine Schande - wirklich super, was die Butthole Surfers hier veranstalten. Man muss ihnen anfängliche Schwierigkeiten (Dissonsanz, falscher Einsatz Haines) verzeihen - danach solider Wüstenrock. Obwohl das hier wohl falsch konnotiert wird - ich meine Bier aus Dosen, Front-Porch, ich-fahre-einen-Pickup Rock. Gibby ist verwundert: "There's so many girl's here tonight." Die Butthole Surfers kennen ihre männliche Zielgruppe. Trotz später Stunde und Erschöpfung des Publikums blasen sie uns mit ihrem dirty, bluesy, psychedelic-Wahn fast um. Um sich herum hat Gibby übrigens einen kleinen Verbau an Pedals und Effekt Geräten, die immer wieder zum Einsatz kommen.

Butthole Surfers am Donaufestival

Florian Schulte

Mal Pipsi-Stimme-Kirchern, mal ganz tiefes Teufelslachen - wie es ihm grad in den Sinn kommt, schraubt der Gute an seinem Kaoss Pad. Dazwischen beobachtet er seinen manischen Gitarristen, der sich für einen Song hinters Mikro wagt und mit derbster Punkrock Stimme eine kleine No-Wave Farce von Gibby am Saxofon begleitet. Unterstüzt das ganze von zwei Schlagzeugern und ab und zu einem Megaphon. Irgendwann wirft Gibby ein "I'm just fucking kidding, man" ein - und irgendwie summiert es den Abend sehr schön. Mit einer Stoner-Kakophonie (in so fern es so etwas gibt) und Polizeisirenen beenden sie ihr Set. Ja, und "Pepper", wo bleibt der Chartstürmer? Ich muss noch viel lernen, glaub ich.

Butthole Surfers am Donaufestival

Florian Schulte

Note to self: Nicht mehr von unästhetischem Artwork und unschönem Bandnamen abschrecken lassen.