Erstellt am: 23. 2. 2009 - 18:06 Uhr
Aufklärung aus dem Netz
Mehr zu Porn Identity
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Seit 2006 ist Pornographie gratis. Über Tauschbörsen konnten natürlich schon vorher Filme und Fotos - meist illegal - rauf- und runtergeladen werden, aber für den unkundigen Laien wurden Pornos erst vor 3 Jahren kostenlos. Seitdem gibt es youporn, den dirty twin von youtube. Hochladen, anschauen, bewerten, kommentieren – alles gratis. Nur für das Premium-Angebot muss man zahlen. Fragt sich nur, wer das braucht? Denn so ziemlich alles, was legal ist, findet man auf der Seite, die mittlerweile Platz 35 unter den weltweit meistbesuchten Websites belegt. Die traditionelle Pornoindustrie jammert zwar, sitzt aber als Werbekunde längst selbst mit im Boot.
Radio FM4 Michael Fiedler
Bevor youporn die User zu den Hardcoreclips vorlässt, fragt es noch, ob man eh 18 Jahre, oder so alt, wie man in seinem Land eben sein muss, ist. Wer da verneint wird auf wikipedia.org verlinkt. Und ich war wahrscheinlich der erste, der das ausprobiert hat.
Diese Art von "Jugendschutz" wird schon seit längerem kritisiert. Die Alternativen wären eine Art Passwortschutz für Pornoseiten oder ein gänzliches Verbot. Ersteres ist unsicher, zweiteres bräuchte einen Zensurapparat nach dem Vorbild Chinas – der dann auch allerhand andere Dinge verschwinden lassen könnte.
"Es ist ein völliger Größenwahn zu glauben, dass wir Kindern und Jugendlichen Internetpornoseiten sperren können." sagt die Sexualtherapeutin Sandra Gathmann. "Das ist für junge Menschen nur eine Aufforderung zu mehr Kreativität bei der Suche nach einem Zugang. Wir werden einfach lernen müssen, damit zu leben."
Radio FM4 Michael Fiedler
Pornographie gibt es schließlich schon lange, und seit es sie gibt, wurde ihr die sexuelle Verrohung der Jugend angelastet. Für Sandra Gathmann ist das aber zu undifferenziert: "Pornos liefern manchen Jugendlichen Informationen, von denen sie glauben, sie wären echt." Aber der Sex in einem Porno ist so realistisch wie die Handlung von "The Dark Knight". Während wir in Batman reine Unterhaltung sehen, klappt das mit Pornos nicht ganz so leicht.
Gigantische Penisse wetteifern mit Riesenbrüsten um unsere Aufmerksamkeit, haarlose, perfekt proportionierte Körper haben ungeschützten Sex in einer AIDS-freien Welt und der Hauptdarsteller beglückt die dankbar stöhnenden Mädchen im Minutentakt. Das war schon immer so. Was sich durch das Netz geändert hat, ist die Verfügbarkeit. Und die Verfügbarkeit auch extremer Ausformungen.
In Schulen ist der Renner unter den Pornoclips am Handy eine Frau, die von einem Pferd penetriert wird. Mit dem Video geht das Gerücht einher, die Darstellerin wäre nach dem Dreh gestorben. "Natürlich sind die Videos besonders begehrt, die den größten Schockeffekt erzeugen.", sagt Sandra Gathmann, "Ich sehe etwas, womit ich selbst nicht ganz zurecht komme, und suche mir andere, denen ich es zeige, damit die mir spiegeln, wie es mir damit gehen sollte."
Mehr dazu
Für Erwachsene findet am 5. März ein Workshop zum Thema "Internetpornographie und Jugendliche" mit Sandra Gathmann im Wiener Sexshop für Frauen, liebenswert statt.
Etwas anderer Aufklärungsunterricht bieten
lovetour.at und
achtungliebe.at an.
Fragen aller Art werden auf
rataufdraht.at oder telefonisch unter der Nummer 147 beantwortet.
Sandra Gathmann
Viele Jugendliche wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. "Wie wendet man eine Penispumpe an?" schreibt ein 14-jähriger in krakeligen Buchstaben anonym an das Aufklärungsprojekt "Lovetours". Und eine 15-jährige fragt: "Ab wann muss ich Analsex haben?" Dass sie niemals Analsex haben muss, wenn sie nicht möchte, kommt ihr gar nicht in den Sinn. Es fehlt an Wissen, an Erfahrung, an Selbstbewusstsein
Für Sexualtherapeuthin Gathmann, die mit dem "Lovetour"-Bus Niederösterreichische Schulen besucht, ist die Tabuisierung von Pornographie das eigentliche Problem: "Gerade Erwachsene tun sich unheimlich schwer, mit ihren Kindern oder Schülern wirklich offen zu sprechen." Ihr Appell geht also an Eltern und Lehrer: "Sie müssen einfach akzeptieren, dass diese übersteigerte Panikmache, die im Moment kursiert, auch sehr viel damit zu tun hat, mit welchen Ängsten man sich in Bezug auf die eigene Sexualität auseinandersetzen muss."
Erwachsene brauchen jedenfalls nicht so zu tun, als hätten sie noch nie einen Porno gesehen.