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Irmi Wutscher

Gesellschaftspolitik und Gleichstellung. All Genders welcome.

23. 2. 2009 - 15:00

Begehren ist Vielfalt!

Mainstream-Feministinnen haben, wenn es um Pornografie geht, einen Tunnelblick, meint die Wiener Illustratorin Nana Swiczinsky. Sie ist dafür, dass sich Frauen lustvolle Gegenwelten erschaffen.

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Die Beziehung zwischen Feminismus und Pornografie wird in der Öffentlichkeit weitgehend als Konflikt wahrgenommen. Diese Vorurteile werden nicht zuletzt geschürt durch prominente Vertreterinnen der Frauenbewegung, wie Andrea Dworkin oder Alice Schwarzer, die zum Beispiel den Satz prägten "Porno ist die Theorie, Vergewaltigung ist die Praxis."

Worum es vielen Feministinnen mit ihrer Kritik allerdings ging und geht, ist, dass im Mainstream-Porno der männlich zentrierte Blick auf Sexualität dominiert und dass unter Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnissen produziert wird. Sie fordern Gegenstrategien, um unterschiedlichsten Formen von Begehren Raum zu geben und selbstbestimmte Bilder zu produzieren.

Nana Swiczinsky ist, wie sie selbst sagt, queerfeministische Zeichnerin aus Wien, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, solche alternativen Bilder zu erschaffen. Im Interview spricht sie über den Tunnelblick des Mainstream-Feminismus, was sie an Porno nervt und welche Alternativen der Queerfeminismus bereit stellt.

Die Wiener Zeichnerin Nana Swiczinsky

Nana Swiczinsky

Nana Swiczinsky

Irmi Wutscher: "Porno ist die Theorie, Vergewaltigung ist die Praxis" ist ein Schlagwort der Frauenbewegung gewesen und ist es zum Teil noch. Wie ist das aus heutiger feministischer Perspektive zu beurteilen?

Nana Swiczinsky: Mit deiner Frage spielst du, nehme ich an, auf „PorNO"-Theorien von Andrea Dworkin an, die jetzt mit dem Backlash von Alice Schwarzer im Hetero-Mainstream-Feminismus wieder aufgewärmt werden. Gut, da wird Pornografie gleichgesetzt mit heteropatriarchalen Praktiken und alles negiert, was es links und rechts davon gibt.

Was wäre für dich denn eine Gegenstrategie, um dieses öffentliche Bild von der Feministin, die mit Pornografie nichts zu tun haben will, aufzulösen?

Zuallererst möchte ich Alice Schwarzer und ihren Schwestern im Geiste Verständnis entgegenbringen, weil es ja wirklich nervig ist, wenn irgendwelche Zwölfjährigen sich auf irgendwelche Handyfilmchen, die in Abhängigkeit produziert wurden, einen runterholen. Es gibt ja diese ganze Sache mit Menschenhandel und es gibt wirklich grausliche Dinge. Und da ist niemand dafür! Da ist auch jemand, der ein Empowerment von einer queeren Ästhetik möchte, nicht dafür. Pornografie in diesem Sinne ist tatsächlich abzulehnen. Aber Alice Schwarzer ist mittlerweile halt auch Mainstream und sie hängt in ihrem Hetero-Tunnel und schaut nicht links und rechts und ihr Statement ist auch in ihrer eigenen Lebenspraxis verhaftet. Was man ihr raten kann, ist, den Tunnel aufzumachen. Aber ich verstehe auch ihren Blick!

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Was wäre denn ein differenzierter Blick?

Ich fange etymologisch an. Was heißt Pornografie? Die Porne ist die Hure und der Graph ist der Zeichner oder der Schreiber. Also es ist ein "Schreiben von Huren". Das ist der typische männlich-objektivierende Blick auf die Frau, über die er verfügt und die er gleichermaßen entwürdigt. Schon im Namen ist also dieses Konzept drinnen. Darum sage ich auch "Explizite Erotica", was ein bisschen gespreizt ist. Ich möchte alle aufrufen, sich einen Namen für selbstbestimmte Erotica zu überlegen!

Das Gegenkonzept wäre natürlich das Artikulieren des eigenen Begehrens, der eigenen Wünsche. In allen Techniken und in allen Medien. Wenn man sagt, das Begehren ist ein vielfältiges, kann ein vielfältiges sein und dieser männlich Blick ist nicht absolut zu setzen, kann man Gegenwelten erschaffen, mit Spaß, mit Lust experimentell im Erkunden. Und das wird ja auch gemacht. Seit den Siebzigern und der Zweiten Frauenbewegung gibt’s diese Ansprüche immer wieder. Die Verteilerkanäle sind da natürlich schwerer zu finden, viel ist da einfach subkulturell und man muss das finden wollen. Aber das gibt's und gab's. Das muss jede Generation sich neu erkämpfen, neu erfinden, mit neuer Terminologie. Jetzt heißt's Queerfeminismus, mein Gott.<<

Mit YouPorn und Co. wurde ja das Produzieren von Pornos demokratisiert. Hat das auch für Frauen Vorteile gebracht?

Sagen wir: Ja. Eine andere Frage ist, muss ich mir auch jeden Amateur-Porno reinziehen? Wenn es mir Spaß macht: Ja! Aber die Demokratisierung der Medien hat Vorteile gebracht, jetzt nicht nur für Frauen, sondern für jede Randgruppe, die jetzt nicht den dicken Kapitalpolster hat. Ja! Benutzen wir die Medien!

Es gibt ja auch diese angeblich "frauenfreundlichen Pornos", die ganz sanft und mit hübscher Musik etc. daherkommen. Wie beurteilst du die?

Ich weiß jetzt nicht, was mit "frauenfreundlich" gemeint ist. Weil "die Frau" als kollektives Subjekt gibt’s ja nicht mehr. Frauen ist ein Deckbegriff für einen Vielfalt von Personen mit einer Vielfalt von Geschmäckern. Und was der einen gefällt, gefällt der anderen nicht. Ich bin auch gegen so ein Blümchensex-Bashing, wo nur das, was superhart ist, gilt. Und ich bin auch gegen SM-Bashing, wenn das dann wieder als Gewalt verurteilt wird. Es soll wirklich jeder in der Lage sein, zu artikulieren, was er möchte. Und dass man da die Urteile ein bisschen außen vor lässt und sagt: Das, was konsensuell ist, was beide wollen, ist OK. Und auch die Berichterstattung davon! Also nicht: Was ihr im Kammerl macht ist ok, solange das niemand mitbekommt, und bitte am besten macht das im Kleiderschrank, weil wir wollen das nicht mitkriegen. Sondern man darf sich schon auch mitteilen, finde ich. Da gibt's halt dann einen "Ab 18"-Button. Es ist auch nicht alles für Kinder.

Cover des queerfeministischen Eroktikmagazins "Zappho": Batwoman auf einem Felsen

Nana Swiczinsky

Zappho - Ausgabe 1: "Superheroines at home"

Du produzierst auch selber ein Magazin. Was war der Anlass dafür, was möchtest du damit erreichen?

Ich produziere das Magazin „Zappho – Real Dyke Sex“ , darin findet sich eine grafische Darstellung von explizitem Sex zwischen Frauen aller Geschlechter. Ich versuche damit, diese Bilder zu produzieren, die ich gerne vorfinden würde. Ich versuche die Welt um das zu verbessern, was mir selber darin abgeht. Ich habe immer geglaubt, das muss es doch irgendwo geben. Aber das gibt es eben nicht und ich bin draufgekommen man – frau – muss es selber machen. Man geht in so einem konsumistischen Denken davon aus, dass eh alles irgendwo vorhanden ist, wenn man es nur googelt, aber das stimmt nicht. Es gibt gewisse Dinge, die einem immer noch keiner abnimmt. Und ich habe mir die Aufgabe gestellt, die Welt um diesen Aspekt bunter und fröhlicher zu machen.

Tipp

In der Homebase gibt es heute ab 19 Uhr einen Schwerpunkt zum Thema "Porno". Dort wird es um die Ausstellung "The Porn Identity" gehen, es wird der Frage nachgegangen, ob Jugendliche nur mehr durch Pornos sexuell aufgeklärt werden und auch zum Thema Feminismus und Porno wird es einen Beitrag geben.