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Alexandra Augustin

West Coast, wahnwitzige Künste und berauschende Erlebnisse. Steht mit der FM4 Morningshow auf.

16. 2. 2009 - 14:09

Ein FM4 Überraschungskonzert mit Dear Reader

Die junge Band aus Johannesburg hat gestern Wien besucht und die Besucher im Radiokulturhaus mehr als begeistert.

Überraschungen die schon waren

FM4 Überraschungskonzerte gab es in den letzten Monaten ja eine Menge. Und jeder der schon einmal eines besucht hat weiß, dass man dafür überall in Österreich landen kann:

Innsbruck mit den Killed by 9V Batteries, Graz mit Kettcar, Wien mit Port O'Brien. Meistens spielen die Bands dann in kleinen bis mittelgroßen Clubs. Aber diesmal fand das Überraschungskonzert an einem besonderen Ort statt - ausgerechnet in der 'Batcave', im Herzen des Wiener Funkhauses, dem Radiokulturhaus selbst. Statt dicht gedrängt nebeneinander zu stehen hieß es diesmal Platz nehmen auf einem der eleganten braunen Ledersesseln. Statt von einem Bein auf das andere hüpfen zu müssen, konnte man hier die Show auf einer gewaltigen Bühne sitzend genießen.

In jüngster Vergangenheit diente das Radiokulturhaus als Schauplatz für vor allem die FM4 Radio Sessions. Placebo, Feist und Mia waren schon hier und gerade vorgestern Sophia, um in diesem intimen Rahmen einen ganz besonderen Auftritt hinzulegen, der im Festivalwahnsinn oder in anderen großen Locations mit mehreren tausend Besuchern nicht möglich ist.

wartende Menschenmenge im Foyer des Radiokulturhauses

Pamela Rußmann

Alle Fotos: Pamela Russmann

Dass diesmal eine junge, noch nicht so bekannte Band wie Dear Reader hier gespielt hat, war der Gunst der Stunde zu verdanken. Dear Reader touren nämlich gerade mit Robin Proper-Shepard von Sophia und seinem Streicherquartett durch Europa und wärmen für die Truppe gerade sämtliche Bühnenböden auf. Und weil das Trio ein äußerst tolles Debüt, 'Replace Why With Funny', im Köcher hat, konnten wir gar nicht anders, als die drei Musiker Cherilyn MacNeil, Darryl Torr und Micheal Wright, ebenfalls auf die Bühne zu bitten, damit sie an diesem Abend doch einfach selbst die erste Geige spielen.

Dear Reader live in concert

Pamela Rußmann

Dear Reader

'Replace Why With Funny' überzeugte mich auf Anhieb durch stimmungsvolle Lieder, der wundervollen, sanften Stimme von Sängerin Cherilyn MacNeil, großartige Chöre und durch das liebevolle Arrangement von allerhand Instrumenten wie Glockenspiel, Bläsern und Streichinstrumenten.Dear Reader und auch ihr Debüt wirken im ersten Moment vielleicht nach zuckersüßem Indiepop, wirft man aber einen genaueren Blick auf das Trio, entblättert sich der Fächer und gibt ein vielschichtiges Bild frei. Vor allem die Texte, die von Einsamkeit und Melancholie erzählen und ein Spiegel für die Situation und ambivalenten Gefühle der Musiker selbst und gegenüber dem Leben in ihrem Heimatland Südafrika sind. Ein Land das wunderschön und schrecklich zugleich ist, wie sie im Interview vor dem Konzert noch beschreiben. Ein Thema, das sich wie ein roter Faden durch all ihre Songs zieht und auch beim Überraschungskonzert immer wieder angesprochen wird.

links: zwei Gitarren in der Halterung am Boden, rechts: Cherilyn MacNeil mit Gitarre

Pamela Rußmann

Ein Konzert, dass gezeigt hat, wie vielseitig und kreativ diese junge Band ist, wenn es darum geht, ihr Album umzusetzen. Keine leichte Aufgabe, denn wie sollen drei Musiker all die Instrumente und Chöre, die sich auf 'Replace Why With Funny' finden, live mit nur sechs Händen und Füßen umsetzen? Kein Problem für die drei, denn sie haben ihre Loop-Armada mitgebracht.

rechts: Cherilyn am Synthesizer, links: Loop Geräte

Pamela Rußmann

I am alone

Schüchtern betreten die drei die große Bühne im Radiokulturhaus, das bis in die letze Reihe gefüllt ist. Wie Cherilyn vor kurzem in ihrem MySpace-Blog geschrieben hat, ist es ein großes Hobby von ihr, in fremden Ländern auch immer wieder zu versuchen, etwas von der dort gesprochenen Sprache zu lernen. Deshalb wird das Publikum auch gleich freundlich auf Deutsch begrüßt, bevor Dear Reader mit ihrem ersten Song 'Never Goes' beginnen. 'I am alone, I am alone, I am alone' schallt es im Refrain und lässt gleich Gänsehaut-Feeling und gespenstische Stille entstehen.

Sängerin Cherilyn von der Band Dear Readers auf der Bühne

Pamela Rußmann

Nur ein schüchternes "Danke" kommt Cherilyn über die Lippen, das sogleich von einem lauten Applaus aufgefangen wird. Die erste Hürde ist geschafft, das Publikum scheint die Band mehr als nur willkommen zu heißen. Das Eis ist augenblicklich gebrochen und die Band beginnt locker und fröhlich mit dem Publikum zu plaudern. Zum Beispiel eben über die Problematik, die die Live-Umsetzung der vielschichtigen Arrangements ihres Albums bereitet. Bandkollege Darryl Torr muss sich dafür nämlich sehr konzentrieren, er muss neben abwechselnd Keyboard und Bass zu spielen auch die Loop-Armada fehlerfrei anführen.

Cherilyn singt und spielt vor dem eigentlichen Beginn der meisten Lieder ihren Gesang und die Gitarrenmelodie alleine ein, so wie etwa im Lied 'Way of the World', bei dem man unmittelbar an die wunderschöne Radio Session mit Leslie Feist denken muss. Diesen Gesang legt Kollege Darryl in viele Schichten, ehe sie gewaltige Chöre ergeben. Das sind intime, warme Momente, die sich zu wunderschönen Klangbildern formieren. Kaum zu glauben, dass hier nur drei Musiker stehen.

links: Trommel in Nahaufnahme mit Sticks, rechts: Darrly Torr, Gitarrist

Pamela Rußmann

I have no where to go, this is the only home I know. I live in a place in my mind

"Sometimes I feel guilty for things I didn't do", meint Sängerin Cherilyn, bevor die Band mit dem Song 'The Same' beginnt. Ihr Heimatland und die komplizierte Geschichte sind Thema dieses Songs. Und ich muss an die bemerkenswerte Entstehungsgeschichte ihres Debütalbums denken. Aufgenommen wurde das im SABC Studio-Komplex, einer Hochsicherheitsfestung noch aus Zeiten der Apartheid mit meterdicken Mauern und getrennten Fluren für Schwarze und Weiße.

We are both the same. We share the same home

Immer wieder wird das Konzert aber auch von fröhlichen Anekdoten und Geschichten durchbrochen. Zum Beispiel wenn Cherilyn mit einem ansteckenden Lachen erzählt, wie ihr Song 'Out Out Out' zu seinem Namen gekommen ist, weil ihre Mutter die Hunde aus dem Haus immer durch ein dreimaliges "out out out" verscheucht. Oder wenn sie vor dem Lied 'Great White Bear', das ebenfalls von Gefühlen der Isolation erzählt, eine Geschichte zur Erforschung der Eisbären erzählt. Eisbären sind in der verschneiten Polarlandschaft nämlich schwer zu finden, selbst mit Infrarot Strahlen nicht, da sie durch ihr Fell so gut isoliert sind, dass sie nicht ortbar sind. Nur ihr warmer Lufthauch verrät, dass sie irgendwo hier sein müssen. 'I guess that's all you really need to know in order to interpret this song", meint sie mit dieser schönen, bildlichen Metapher.

links: Detailshot des Verstärkers, rechts: Cherilyn nimmt Gitarre ab

Pamela Rußmann

Foto von einem FM4 Überraschungskonzert

fm4

Alle Infos und Anmeldemöglichkeiten zu den FM4 Überraschungkonzerten findest du hier.

I gotta go

Nach nur zehn Liedern soll es schon wieder vorbei sein? Das Publikum möchte Dear Reader nicht so schnell von dannen ziehen lassen. Tobender Applaus ist das Resultat des gelungenen Konzertabends. Und so kommen die drei auch für eine eigentlich nicht eingeplante Zugabe zurück, um lachend zu erwähnen, dass sie hier in Europa etwas verwirrt sind, da man in Südafrika nie so lange klatscht und sie deshalb nie so recht wissen, wie lange sie denn warten sollen, um wieder auf die Bühne zu kommen.

Wir sind froh, dass sie schnell wieder da sind und noch eines drauf setzen. Und als sie nach dem Ende des Konzertes Minuten später wieder auf die Bühne kommen um die Instrumente einzupacken, ernten sie sogar von der Hand voll im Saal übergebliebenen Zuschauer noch einen tosenden Extra-Applaus. Den haben sie sich auf alle Fälle mehr als verdient. Ein großartiger Abend mit einer großartigen Band.

"Thank you for just being great"!

'Replace Why With Funny' erscheint am 20. Februar auf City Slang.