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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

11. 2. 2009 - 12:35

Es is alle Augenblick hellauf zum Lachen.

"Wenn mir fad ist, schlag ich ein Buch von mir auf, das bringt mich noch am ehesten zum Lachen," hat Thomas Bernhard gesagt. "Oder verstehns das nicht?" Zum 20. Todestag. Zum Lachen.

Österreich ärgert sich mehr als es über Thomas Bernhard lacht. Müßig, die großen Aufregungen runterzubeten, die Beschlagnahmung von "Holzfällen", den Heldenplatz-Skandal, das posthume Aufführungs- und Veröffentlichungsverbot. Aber interessant ist es doch, dass Thomas Bernhard vom Nestbeschmutzer zum fixen Bestandteil in jedem österreichischen Buchregal geworden ist. Vor allem: ernst genommen wird.

"Der Österreicher duckt sich lebenslänglich und deckt lebenslänglich die größten Scheußlichkeiten und Verbrechen" zitiert der deutsche Spiegel Thomas Bernhard im Mai letzten Jahres anlässlich der zahllosen Diskussionen über die Abgründe der österreichischen Volksseele, die wiederum anlässlich des ans Tageslicht tretenden Falles F. geführt wurden. Woraufhin der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer eine Imagekampagne zugunsten Österreichs starten möchte. Einen Beweis antreten gegen Thomas Bernhard, zeigen, dass wir Österreicherinnen und Österreicher nicht nur in den Keller lachen gehen.

Thomas Bernhard vor einem Haus

ORF

"Wir sind Österreicher, wir sind apathisch. (...) Wir brauchen uns nicht zu schämen, aber wird sind auch nichts," hat Thomas Bernhard anlässlich der Verleihung des österreichischen Staatspreises - des kleinen wohlgemerkt - verkündet. Diese philosophische Meditation, wie er sie nannte, könnte nach wie vor und würde immer türenschlagendes Gepolter nach sich ziehen, weil Bernhard nicht kritisiert, sein Werk ist definitiv und pauschal verurteilend. Unter dem Zierrasen der Entnazifizierung hat er braunen Blutsumpf entdeckt, hinter saftig grünen Hügeln eine hinterfotzige Natur, in der Gemeinschaft bigottes Hinterweltlertum. Er ist ein Paradebeispiel für Misanthropie, Misogynie, Zersetzung. Im Grunde unerträglich, wäre da nicht der satirische Unterton, die Übertreibung, die jeglichen Ernst sprengende Wiederholungswut. Die Komödie "Alte Meister" etwa ist ein 300seitiges Krakeelen: Die Burgenländer – irre Schwachköpfe, die Italiener – überhebliche Trotteln, Heidegger – ein Voralpenschwachdenker. Für Frauen, speziell für Mütter hat Bernhard eine eigene Diffamierungszelle eingerichtet. In einem Interview hat er gefordert, allen Müttern die Ohren abzuschneiden. Darauf im Jahr 1979 in einem Interview mit der Zeit angesprochen, erklärt er, es sei eben ein Irrtum, dass die Leute Kinder auf die Welt bringen: Die kriegen ja Erwachsene. Die gebären einen schwitzenden, scheußlichen, Bauch tragenden Gastwirt oder Massenmörder, den tragen sie aus, keine Kinder, in Wirklichkeit kriegen sie einen 80jährigen Menschen, dem das Wasser überall herausrinnt, der stinkt und blind ist und hinkt und sich vor Gicht nicht mehr rühren kann, den bringen sie auf die Welt. Aber den sehen sie nicht, damit die Natur sich weiter durchsetzt und der Scheißdreck immer weiter gehen kann.

Weshalb den Müttern ob ihrer Leibesfrüchte gerade die Ohren abgeschnitten werden sollten, diese Pointe hat Bernhard unaufgelöst ins Grab mitgenommen. Dass ihm die Fortpflanzung ein Dorn im Auge war, wie überhaupt bei Bernhard die Natur, der natürliche Lauf ein irres Treiben, ein Zersetzungsprozess ist, hat er an unterschiedlichsten Stellen klar gemacht, was auch zu einer Diskussion mit seinem Verleger Siegfried Unseld geführt hat. Unseld hat zwar verstanden, was Bernhard im Manuskript von "Gehen" vom Unsinn des Kindermachens schrieb, sich allerdings vehement gegen die Todesstrafe für kopfloses Kindermachen ausgesprochen. Die Höchststrafe forderte Bernhard daraufhin, sie sei ohnehin viel höher.

Neuerscheinungen

Hörbuch CD Briefwechsel mit Bild von Thomas Bernhard

Hörbuchverlag

"Briefwechsel", gelesen von Peter Simonischek und Gert Voss, Hessischer Rundfunk/der Hörverlag 2008

Der eben auf einer Hör-CD erschienene Briefwechsel zwischen Thomas Bernhard und seinem Verleger Siegfried Unseld öffnet einen radikalen Schaffenskosmos und führt uns eine Freundschaft vor, in der es zeitlebens beim Sie blieb. Vor allem in Gert Voss´ gelegentlichem Schnauben, erleichterndem Seufzen, kurz - dem Atmenspiel, das er seiner Sprechfigur des Verlegers Unseld verpasst, liegt die große Lebendigkeit dieser CD. Der Inhalt ist sowieso schwungvoll. Es geht um Literatur ("es schreiben fast lauter Mäuse, Literatur wird geknabbert") und immer wieder um Honorarschwierigkeiten zwischen Verleger und Autor ("Wie lebt ein Mensch mit einem Bauch? Er muss ihn füllen selbstverständlich").

Cover Suhrkamp Thomas Bernhard Meine Preise

Suhrkamp

"Meine Preise" von Thomas Bernhard, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009

Um Geld und die Stümperhaftigkeit derer, die es vergeben, geht es auch in der Nachlass-Neuerscheinung "Meine Preise".
Vom typischen Schnarchen einer Ministerin ist die Rede, von mittelgroßen Städten, in denen der Stumpfsinn warm gestellt wird, von einem verwahrlosten Hof mit verfaulten Fußböden, den Bernhard kauft ohne zu wissen, woher das Geld kommen wird. Beispiellos präsentiert sich die Widerlichkeit von Preisverleihungen in "Meine Preise".
Aber eine Aussage muss über jeder Lektüre eines Bernhardtextes schweben:
"Ich übertreibe ja in allem und jedem."

Zum 20. Todestag von Thomas Bernhard
Arthur Einöder hat den oberösterreichischen Ort Ohlsdorf besucht und berichtet darüber in Connected.
Anna Katharina Laggner berichtet in der Homebase über einen Thomas Bernhard, der verlangte, Frauen die Ohren abzuschneiden.