Erstellt am: 24. 1. 2009 - 14:40 Uhr
Journal '09: Samstag 24.1.
Ich bin ja recht froh, dass niemand mich nach dem gestrigen Journal auf den von mir vergessenen, scheinbar logischen FM4-Erinnerungsort hingewiesen hat, den nämlich, an dem das alljährliche Geburtstagfest stattfindet. Denn das wäre ein gedanklicher Irrläufer gewesen.
Ich war etwa letzten Freitag in der Szene Wien, ohne ein einziges mal an das FM4=1-Geburtstagsfest zu denken, obwohl das wahrlich erinnerungswürdig war und ich immer dann, wenn ich bestimmte Menschen in bestimmten Situationen sehe, dran denken muss.
Ich musste im Euro-Sommer im WUK auch nur einmal kurz an das dort in einem bösen eisigen Winter abgegangene FM4=2-Fest denken, als ich wieder das erste Mal in den Büro/Backstage-Eingang ganz oben einstieg, obwohl ich auch hier bestimmte Menschen fast exklusiv mit diesem Abend konnotiere.
Bach, Szene, WUK, Arena
Und ich werde später, wenn ich hinter der Live-Bühne in die Halle rüberhirschen werde, durch die große Arena-Durchgangshalle, wohl nur einmal kurz dran denken, was hier passiert ist, beim FM4=5-Fest, mit der Bühne, auf der die Absoluten Beginner standen.
Natürlich hat auch die komplett umgebaute neue Arena-Halle nix mehr mit der alten abgefuckten und umgedrehten Halle zu tun, in denen das 3er und 4er-Fest exklusiv stattfand, ehe das Geburtstagsfest zum Outdoor-Ding wurde, für das es in Musikerkreisen bereits berühmt-berüchtigt ist. Und, ja, auch in diesem Zusammenhang muss ich immer, wenn ich eine Privat-TV-Moderatorin sehe, an die Überforderung denken, mit der sie auf diese für sie damals völlig fremde Welt reagiert hat.
Der Kollege Stöger hat in einer schönen Chronologie im aktuellen Falter ja auch das FM4=0-Fest im Wiener Bach dazugerechnet, die Party, die vor dem Sendestart stattfand, als noch nicht klar war, ob die "Transition", die da anstand, auch in eine "Transformation" münden würde - das Obama-Problem, wenn man so will. Und natürlich waren die Erwartungen den Charakteren entsprechend, schwankten zwischen Angst und Zuversicht. Und zugegeben, als ich - vor vielleicht sieben Jahren? - das letztemal im Bach war, musste ich (zumindest in dem schmalen Schlauch-Zugang, der zu fortschreitender Stunde jedem Schwierigkeiten bereitet, vor allem wenn es drum geht, den Gegenverkehr zu händeln) kurz dran denken.
Die Arena an sich hat eine zu starke eigenständige Geschichte, um ausschließlich mit Geburtstags-Erinnerungen zugeschwemmt zu sein. Die Halle, die Nirvana, Sonic Youth oder die Neubauten gesehen hat, die große Bühne, auf der die Queens of the Stone Age oder Public Enemy gespielt haben, die baden in eigenständigen Geschichten.
Das mit dem Fremdschämen
Es ist trotzdem immer so, dass ich - bevor das Fest beginnt - mit einer leisen Anspannung in die U3 steige. Das hat nichts mit Erwartungen an die Akteure zu tun, sondern eher mit sowas wie einem Gefühl der Mitverantwortlichkeit. Und zwar bei Dingen, für die man nicht verantwortlich sein kann. Das Wetter zb. Wenn es etwa nasskalt ist oder regnet - dann fühl ich mich schlecht; so als ob ich das den Gästen antun würde. Wenn eine Band einmal so richtig scheiße ist (was im Rahmen von FM4-Festen jedes zweite Jahr einmal passiert - Tagesform, Einschätzungsirrtum... ) - dann nehm ich das fast persönlich (als ob ich den DJ-Shuffle eingestellt hätte). Und ähnliches gilt für alle anderen vom einzelnen komplett unbeeinflussbaren Details, den vielen Dingen, die aufgrund von Unwägbarkeiten, Umständen und menschlichen Fehlern immer suboptimal laufen.
Wenn es dann so um 3 Uhr ist, wenn alle Bands ihr Programm absolviert haben, wenn die ersten Bilanzen über Zahlen und Daten, aber auch die kleinen Fehlleistungen gezogen werden, und sie - so wie bislang noch immer - positiv sind, dann stellt sich sowas wie eine innere Ruhe und Zufriedenheit ein. Und das, obwohl ich im Fest-Organisationsrummel unserer Tage praktisch keine Rolle spiele - die Bühnenmoderation in der großen Halle, das ist es, die Vor- und Währenddessen-Arbeit erledigen die Profis, die FM4-Marketing-Checker, die Arena-Checker und eine eingespielte Crew, die immer bei Außen-Events auftaucht und ihr Ding hinstellt.
Ein chronisch Sozial-Traumatisierter, den ich kenne, einer der den Begriff des "Fremdschämens" als zentrale Bedeutungseinheit vor sich herträgt und sich selber hauptsächlich über seine Ablehnung definiert (also eine sehr niedere Hemmschwelle hat, sich tief ins intime moralische Gesichtsfeld der Menschen zu schieben und dann ungefragt Kommentare abzugeben), würde mich und diese Haltung jetzt der Lächerlichkeit preisgeben. Denn dieses Gefühl der Mitverantwortung für Dinge, die einen dazu bringen mit anderen mitzuleiden, auch über Gebühr, das ist ihm (und nicht nur ihm, sondern auch vielen anderen durchaus Erkalteten) erstaunlich fremd.
Und natürlich müsste man das, wenn man den Coolness- und Drübersteh-Anforderungen einer sich zunehmend immer stärker inszenierenden Ich-AG-Welt entsprechen möchte, ordentlich zurückschrauben: cleveres Abputzen, das Abschieben jedes Verantwortungsgefühls sind Garanten für österreichische Karrieren, aber auch die Sicherstellung der Unangreifbarkeit, was soziale Bindung, moralische Positionierung und persönlichen Einsatz betrifft. Nicht dass ich mich jetzt über die Negation einer Ablehnungs-Haltung definieren möchte, aber da ist es mir doch lieber, heute, wie immer an diesem Samstag im Jänner, unsicher, gefühlig-mitverantwortlich und auch angreifbar (im Doppelsinn) zu sein.