Erstellt am: 13. 1. 2009 - 15:00 Uhr
Acht, Neun, Zehn. Ideen nach dem Jahreswechsel (5)
Acht, Neun, Zehn. Ideen nach dem Jahreswechsel
Reproduct
Teil 1
A Period of Transition - über die Übergangszeit.
Teil 2
Rechte Avantgarde. Und die Republik der Neffen.
Teil 3
Die Krise des österreichischen Journalismus. Teil 1
Teil 4
Die Krise des österreichischen Journalismus. Teil 2
Teil 5
Die Grünen sind auf einem Weg.
Alles geschärfter als das widerstandslose Ablosen der letzten paar Jahre.
I'm a loser, baby - so why don't you kill me.
Die Grünen sind die großen Verlierer in der aktuellen Republik der Neffen. Die Regierung wird von den beiden großen Parteien der Mitte gestellt, die zwar in ihrer Substanz noch alten Ideologien nachhängen, in der Außendarstellung aber weitgehend darauf verzichten.
Und die rechte Avantgarde der heimischen Populisten arbeitet zwar heftig daran das Erbe ihres unlängst verstorbenen Erfinders zu verprassen, kann sich aber eines sicherern (und sich sicher fühlenden) Sockels von sehr wohl ideologisch determinierten Unterstützern gewiss sein.
Die Grünen hingegen besitzen weder reale noch definitorische Macht. Und weil sie zunehmend für nichts Konkretes mehr stehen, haben sie zuletzt, allen selbstgestellten und auch demografischen Erwartungen zum Trotz, kräftig abgelost.
Bei der letzten Nationalratswahl war dann auch die gefühlte Mehrheit bei den Jungen weg, und zwar nicht nur beim ohnehin politfernen White Trash, sondern auch bei A/B-Schicht - etwas, was sich bereits im letzten ÖH-Wahlkampf 2007 abgezeichnet hatte.
Ein Hinweis in eigener Sache: 2009 wird es wieder ein tägliches Journal geben, ja, sicher.
Allerdings erst ab Mitte Jänner, zeitgleich mit dem Relaunch der FM4-Website - das macht rein technisch sonst keinen Sinn.
Die Zeit bis dahin wird diese kleine Reihe überbrücken.
Die Grünen besetzen kein Thema
sie werden besetzt, quasi auf der Casting Couch zurechtgelegt.
Die Grünen dienen als Projektionsfläche für die anderen, anstatt selber etwas vorzugeben. Sie sind im Gegensatz zu denen, die sich auf sie draufsetzen, nicht aktiv, sondern der passive Teil der öffentlichen Auslebung von Politik, frei nach Pete Doherty oder der Neigungsgruppe, die "G'fickten".
Das ist kein Problem oder Makel, sofern man Künstler oder gar Aktionist ist - und das waren die Grünen in ihren Ursprüngen ja einmal. Die Position der Machtlosigkeit lässt sich anhand einer solchen Märtyrer-Haltung herrlich plastisch darstellen und lukriert jede Menge Sympathie von jenen, die sich ähnlich fühlen.
Wenn man allerdings vom schieren Aktionismus in die politische Praxis umsteigt (so wie die grüne Bewegung das vor etwa 15, 20 Jahren endgültig tat), dann bedarf es hier eines wichtigen Paradigmen-Wechsels. Und diesen Absprung hat man verpatzt bzw. halt so hatschert absolviert wie Wolfgang Loitzl in seinen vielen Saisonen vor der heurigen.
Das hat übrigens nichts mit dem hochgespielten "Realo vs. Fundi"-Unfug zu tun. Denn ob man sich mit einer inhaltlich deutlich ausgeprägten oder einer bedürfnisorientierten Position an die Sachthemen annähert, ist letztlich egal, wenn die Haltung richtig ist.
Haltung.
Und die, die Haltung nämlich, die kann nicht die der geknechteten Demut sein, die sich im Geraderücken von staatlich oder sonstwie konzessioniertem Irrsinn erschöpft oder in der Überzeugungsarbeit von Unüberzeugbaren.
Das ist der Job der Künstler und der Aktivisten.
Der Job des Politikers ist es, das "Geraderücken" und die Überzeugungsarbeit in eine Kommunikations-Kultur zu verpacken, die sich übers reine Jammern erhebt. Um sich damit als Ansprechpartner, als "Volksvertreter" zu definieren.
Das ist schwer, zumal im jammersüchtigen Österreich, klar.
Allerdings sollte jedem, der sich mit der Raunzer-Kultur näher beschäftigt, klar sein, wie es abläuft.
Ausjammern tut man sich beim guten Freund, dem guadn Lodsch. Wenn es aber wirklich um etwas geht, dann wendet man sich an den, der die Macht oder zumindest die Kraft hat und lässt den Lodsch Lodsch sein. Wem das jetzt bekannt vorkommt - angeblich funktioniert das mit Frauen und Männern genauso.
Das ständige Missverhältnis zwischen grünen Prä-Wahl-Umfrage und Resultaten etwa ist auch genau auf dieses ultramenschliche Phänomen zurückzuführen.
Kraft und Macht.
Nun lässt sich die Darstellung von Kraft und Macht nicht verordnen. Und: allzu oft scheitern Bewegungen deshalb just an diesem Paradigmenwechsel (dem zwischen jammernder Schwäche und glaubhaft dargestellter Umsetzungs-Kraft), weil sie Opfer des ihm innewohnenden Rausches werden.
Schwache Charaktere können mit Macht nämlich nicht umgehen. Und mir fallen aus der Geschichte der österreichischen Grünen einige Beispiele ein, die genau diesem Tiefenrausch des plötzlichen Tauchgangs erlegen sind - und sich (wegen Parteifunktionen oder Abgeordneten-Jobs) von glänzenden Aktivisten zu wüsten Hausmachthortmonstern entwickelt haben, die für jede Bewegung als Verstopfer und Verhinderer schädlich sind.
Die große Kunst der etablierten Parteien (von denen es in Österreich eben nur zwei, die großen Mitte-Parteien nämlich, gibt) ist es ihren Funktionären in den entsprechenden internen Schulungen (mittels jahrzehntelangem Know-How) genau das zu vermitteln: die Machtausstrahlung, die Machtausübung und die Kontrolle drüber.
Das ist es dann auch, woran die Nicht-Etablierten gerne scheitern: an überzogener und unüberlegter Machtpolitik (so wie es beim kleinen Partner der Wende-Regierung augenfällig war); und an einer Art Jekyll/Hyde-Innenwirkung.
Wenn die Funktionäre selber Probleme mit einer durch den Geruch der Macht geänderten Persönlichkeit haben, dann strahlt das automatisch auf den Core-Bereich aus, der wiederum den Rest, den weitesten Kreis, beeinflusst.
Dieses Problem haben die Mitte-Parteien nicht, weil dort die Neuen aus dem relativen Nichts, aus einem größeren Pool (und entsprechend gebrieft) geschöpft werden, das Problem haben die Rechts-Populisten nicht, weil es bei ihnen sowieso ausschließlich um die Definitionsmacht geht.
Dieses Problem haben in Österreich die Grünen quasi exklusiv.
Ein Beispiel aus der Praxis.
Ich hab' den historisch einzigen Sieg der Grünen bei der ÖH-Wahl 2005 (zufällig) in relativer Nähe miterlebt.
Was da an Distanz zwischen den grünen Partei-Funktionären und den ÖH-Wahlkämpfern spürbar war, ging weit über die klassischen Reibereien zwischen Bewegungen und ihrer Jugendorganisation hinaus. Ich würde sogar sagen, dass es (mit vielleicht zwei personellen Ausnahmen) durchaus sowas wie Verachtung von seiten der Jungen gab - die durch eine sagenhafte Ignoranz von seiten der Partei-Funktionäre gefüttert wurde - grade dass man den ÖH-Leuten die Heizkörper in ihrem Kämmerchen im grünen Haus nicht gesperrt hatte.
Die Nachwuchs-Politik bei den Grünen ist nämlich der kleine Problembär-Bruder der schlechten Kommunikationsgesamtleistung der Bewegung. Mit den eigenen Nachrückern redet man nämlich genauso verquast wie mit Basis und Core-Audience, sofern man überhaupt kommuniziert.
Dieses Gefühl der Verlorenheit und Nicht-Zugehörigkeit lässt sich bei vielen Gelegenheiten immer wieder feststellen. Es wird einem - angesichts vager und schwach vorgebrachter inhaltlicher Ansagen und vor allem angesichts eines Personals, dem Distinktionsanhäufung wichtiger ist als die direkte Kommunikation mit dem weiteren Kreis der Interessierten - wirklich schwergemacht warm zu werden mit dieser Partei.
So sehr in Friedenszeiten einzelne ganz hervorragende Vertreter der Grünen überaus gern gesehene Diskutanten sind - so sehr scheitert man in Wahlzeiten an seinen immer noch unbewältigten Kinderkrankheiten.
Die Grünen sind auf einem Weg.
Die letzten, ernüchternden, Resultate, die die Grünen ihrer gefühlten Pole Position bei den Jungwählern beraubten, haben ein personelles Revirement bewirkt. Und dieser Wechsel - auch der ganz an der Spitze - könnte auch zu einem inhaltlichen Umdenken geführt haben.
Niemand hat irgendetwas ausgerufen, es gibt keine offiziellen Kurskorrekturen, und natürlich ist es schade die gewitzten Ausführungen des Professors nur noch selten zu hören.
Ich glaube auch nicht, dass die hochgepitchten Ansagen des Bundesrats Efgani Dönmez als bewusste Zeichensetzung gedacht waren.
Es lässt sich mit der Übernahme bereits aus anderen Zusammenhängen bekannter Meinungen auch nicht gerade viel gewinnen - dazu bedarf es eher einer inhaltlich deutlichen Besetzung von Topics, die wichtig sind und gleichzeitig auch das Potential haben Menschen (auch emotional) zu berühren. Es bedarf des Willens zur aktiven Besetzung, es bedarf der Abwehr der Passivität, die hinter den Scherben der politischen Gegner aufräumt, als wäre man die Putze (auch weil man dann eben nur wie die Putze behandelt wird).
Die öffentlichen Auftritte von grünen Spitzen nach der Wahl, vor allem nach der Fixierung der keineswegs von allen einheitlich gewünschten oder gar geschätzten Eva Glawischnig, wirken jetzt jedoch so, als würden sie dieses Hinterherwuseln als Vergangenheit betrachten.
Man weiß nicht auf welchem, aber immerhin.
Ich kann nicht behaupten erkannt zu haben, wohin sich die leicht, aber entscheidend geänderte Intentionsrichtung der Grünen wendet. Mit einer simplen Realo/Fundi-Abklopferei wird man nicht weit kommen, auch eine symptomatische Änderung der Einstellung zur österreichischen Xenophobie wird nicht erfolgen.
Was ich ausmache, ist die Abkehr vom Sich-Winden.
Glawischnig und die anderen bemühen sich nicht mehr um den sinnlosen Spagat, in dem sie ihre Überzeugung (manchmal auch nur die gefühlte der Partei) mit einem übertrieben ängstlichen Schielen nach Volks-Meinungs-Mehrheiten kreuzen wollen. Das führte oft (immer?) zu ultra-verkrampften und deshalb auch nichtssagenden Verrenkungen, die weder inhaltlich noch intellektuell nachvollziehbar waren.
Das ist geschärfter als das widerstandslose Ablosen der letzten paar Jahre. Zumindest auf Bundesebene. Denn in den Ländern stakst man kilometerweise hinterher - man muss sich nur (freiwillig verschickte!) Redebeiträge der Landtagsabgordneten aus dem Süden anhören.
Politik, so schien es die letzten paar Monate, lässt sich nur noch im kurzfristigen/sichtigen Peter-Pacult-Modus machen: jedes Jahr ein neues, von den Wunden des Vorgängers unbeflecktes Antlitz. Da ich als Anhänger des 3-Jahresplans bekannt bin, wäre ich recht froh, wenn sich das, was derzeit zu erspüren ist, als entsprechende grüne Aufbauarbeit entpuppt.
Facebook? Wasndas?
Obwohl: dieselbe Eva Glawischnig, die (wie damals angemahnt) im letzten Wahlkampf ihre Praktikantin fragen musste, was denn ein Facebook wäre, ist immer noch nicht in Besitz ihres Facebook-Profils. Das ist, wie hier angemerkt, ein Fake. Dabei wäre eine Präsenz mitten im Klientel ein tatsächlich sinnvolles Symbol. Und somit zumindest sowas wie der Versuch einer Couch-Besetzung.