Erstellt am: 21. 10. 2010 - 00:46 Uhr
Protest im Netz
Mit dem Wandel der Öffentlichkeiten und der Verlagerung der Meinungsproduktion ins Internet, kommt es zu einem radikalen Umbau der Medienlandschaften. Wenn früher Information nach dem Prinzip "top-down" streng hierarchisch produziert wurde, passiert das jetzt scheinbar völlig antihierarchisch und basisdemokratisch. Die traditionellen Medien wie Zeitung, Radio oder Fernsehen sind nicht mehr allein. Blogs, aber vor allem die so genannten Sozialen Netzwerke sind an der Produktion von Meinung maßgeblich beteiligt. Das zieht nicht nur Unternehmen ins Social Media, sondern immer mehr auch politische Organisationen und NGOs. Wie hat sich Protest und basisdemokratisch organisierte politische Teilhabe mit dem Social Media verändert?
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FM4 Homebase am Donnerstag 21.10. ab 19:00 Uhr
Ein Jahr Jahr #unibrennt
Die Bildungsproteste im Herbst 2009 unter dem Schlagwort "Unibrennt" haben in beeindruckender Manier gezeigt, wie sich politischer Widerstand aktuell im Internet organisiert. Am 22. Oktober jährt sich die Besetzung des Audimax der Uni Wien zum ersten Mal. Welche Rolle die Sozialen Netzwerke bei den Protesten spielten, und was "die Bewegung" in diesem Jahr gelernt hat, beantworten uns die Bloggerin und Kulturwissenschaftlerin Jana Herwig und anonyme Audiomax-Besetzer_innen.
1968 - 2010
Die Messlatte für politischen Widerstand legen immer noch die "Neuen Sozialen Bewegungen" der 1960er und 1970er Jahre. Kommt der Widerstand im Netz an die gesellschaftliche Relevanz der früheren Bewegungen heran? Und kann der politische Aktivismus im Netz in die "reale Welt" übertragen werden? Jeffrey Wimmer von der TU Ilmenau erklärt die strukturellen Unterschiede der Bewegungen an Hand von aktuellen Beispielen von politischem Aktivismus, wie etwa Online-Bürgerinitiativen oder so genannten "Carrotmobs".
Slacktivism
Bringt der Mausklick für die gute Sache wirklich etwas, oder leben wir im Zeitalter des Slacktivism. Die Wortfusion aus Slacker und Activism, beschreibt politische oder soziale "feel-good" Maßnahmen, die nur wenig oder gar keinen praktischen Effekt haben, außer dass sie das Gewissen der "Aktivist_innen" beruhigen. Also in erster Linie Internetpetitionen, politische Armbänder, Facebookgruppen oder Tage wie der "buy nothing day". Wie wirksam ist politische Teilhabe im Netz heute?
Taktische Subjekte
Waren die Aktivisten in den 1990er Jahren noch eher unsichtbar und nutzten die Anonymität der Onlinewelt als politische Chance, so leben dominiert jetzt die freiwillige Transparenz. Wenn früher über komplizierte Meinungserhebung statistisches Wissen über den Bevölkerungskörper hergestellt wurde, stellen die Nutzer_innen der sozialen Netzwerke dieses Wissen heute bereitwillig und freiwillig zur Verfügung. Der Medienwissenschaftler Ramón Reichert empfiehlt Aktivist_innen deshalb zu "Taktischen Subjekten" zu werden. (Michael Schmid)