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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

4. 4. 2017 - 17:41

Ich bin alles, du bist alles

Das zweckbefreite Buddhismus-Game "Everything" beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Perspektiven des Seins.

Es gibt keine Zufälle und alles ist irgendwie miteinander verbunden. Das ist die ideologische Grundlage eines sehr ungewöhnlichen Computerspiels, das vor kurzem erschienen ist. Dabei schlüpfen wir nicht in eine bestimmte Rolle, sondern sind ständig damit beschäftigt, unsere Rolle zu wechseln. Und dieser Wechsel könnte umfangreicher nicht sein: gerade waren wir noch ein Einzeller, und zwei Minuten später sind wir schon eine komplette Galaxie. Nicht umsonst heißt dieses Game "Everything", gestaltet vom renommierten Kurzfilmanimator David O'Reilly. Wie ist es, alles zu sein und alles zu werden?

Frösche in "Everything"

David O'Reilly

Am Anfang können wir vieles sein. Ein Gnu oder ein Löwe zum Beispiel – man weiß es vorher nicht. Ich bin eine kleine Robbe und hopple erst mal ein bisschen planlos durch die Gegend. Dann kommt die erste große Erkenntnis und damit auch gleich das grundlegende Wesen des Spiels: Ich kann ständig die Perspektive wechseln, ein anderes Wesen, ein anderes Ding werden. Ich kann in etwas mikroskopisch Kleines oder gigantisch Großes schlüpfen.

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Ziele oder Aufgaben gibt es in "Everything" nicht; dafür jede Menge Formwechsel. Zuerst bin ich ein eine Tanne, dann wieder ein Tiger. Jetzt ein Kontinent, im darauf folgenden Moment eine Ameise. Jedes Ding und Wesen kann einen Ton von sich geben und Gruppen bilden und dann mit der Gruppe tanzen. Die Animationen in "Everything" sind bewusst sehr simpel gehalten. Größere Säugetiere zum Beispiel wuchten sich in künstlerisch-kantigen 90-Grad-Bewegungen durch die Landschaft.

Klein und groß

Ich durchstreife die Mikro- und Makrolandschaft, und finde zwischendurch immer kleine philosophische Brocken, die die Wesen rings um mich herum so von sich geben. Manchmal höre ich auch Vortragsausschnitte des britischen Philosophen Alan Watts, der sich vor allem in den 1950er und -60er Jahren viel mit Zen und Buddhismus beschäftigt hat. Ganz grob gesprochen ist Watts' Grundthese, dass alles zusammenhängt und voneinander abhängig ist. Jeder ist alles und alles findet sich in jedem Ding und jedem Wesen wieder.

Vögel in "Everything"

David O'Reilly

"Everything" ist für PS4 erschienen und wird ab 21. April auch für Windows und Mac verfügbar sein.

"Everything" ist eine ebenso faszinierende wie beruhigende, zweckbefreite Reise durch unterschiedliche Perspektiven des Seins. Das Spiel ist eine interaktive Manifestation von Alan Watts' Vorträgen, deren unterschiedliche Ausschnitte wir immer wieder hören. Es ist ein Walking Simulator mit dutzenden Hauptcharakteren, der nebenbei auch die Sammelleidenschaft so vieler Spielkulturmenschen befriedigt. Sind wir schon alle Dinge gewesen oder noch nicht?