Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Zu wenig Hilfe für homosexuelle Asylbewerber"

Gersin Livia Paya

Limonaden-trinkendes, unbändiges Faible für Abenteuer

4. 4. 2017 - 20:12

Zu wenig Hilfe für homosexuelle Asylbewerber

Viele Mitgliedstaaten gehen nicht auf die Bedürfnisse der LGBTIQ-Asylbewerber ein. Das zeigt der aktuelle Bericht der EU-Grundrechteagentur.

LGBTIQ?

Lesbian
Gay
Bisexual
Transgender
Intersex
Queer

In fast 80 Ländern weltweit werden Menschen für ihre sexuelle Orientierung und Identität bestraft - in fünf Ländern droht sogar die Todesstrafe. Wie aktuell diese Thematik ist, zeigt das Verschwinden von hunderten Männern in der russischen autonomen Republik Tschetschenien, die aufgrund ihrer Homosexualität oder des Verdachts darauf festgenommen worden. Viele sind auch verschwunden und laut russischen Medien haben sich auch Morde zugetragen.

Vielen LGBTIQs bleibt, wenn sie ihr Leben leben wollen, nur die Option der Flucht. Sie erhoffen sich Frieden, ein Stück Freiheit und Zuflucht zu finden.

Keine Ende im Zufluchtsland

Doch die Flucht vor homophoben und transphoben Übergriffen ist nicht so einfach, auch in den regulären Grundversorgungseinrichtungen kommt es zu Übergriffen. LGBTIQ-Flüchtlinge gelten als "besonders schutzbedürftig", aber sie treffen in den Heimen und Unterkünften oft wieder auf die selben Menschen, vor denen sie aus ihren Heimatländern geflüchtet sind.

Im einschlägigen EU-Gesetz über die Anerkennung von Flüchtlingen ist die sexuelle Orientierung als möglicher Asylgrund aufgeführt.

LGBTIQ Menschen sind nicht gewohnt über Belästigungen und Übergriffe zu sprechen, sie kommen aus einem Leben voller Verstecken und Geheimhaltung. Als Asylbewerber_in Gewaltübergriffe zu melden kostet Mut, der auch oft fehlt, weil es Angst vor der Asylablehnung gibt.

LGBTIQ-Flüchtlinge fühlen sich mit Erreichen des Fluchtlandes weder frei, noch haben sie weniger Angst. Das zeigt etwa folgender Auszug aus dem Bericht der EU-Grundrechteagentur:

"..In Fällen von Missbrauch oder Belästigung können jedoch oft besondere Maßnahmen getroffen werden, wie etwa Verlegungen in Einzelzimmer; allerdings werden diese Arten von Hassdelikten in der Regel nicht gemeldet oder registriert."

Allerdings befasst sich die österreichische Politik laut Marty Huber, Aktivistin und Mitbegründerin von Queer Base, einem Zentrum für LGBTIQ Menschen mit und ohne Fluchterfahrung in Wien, spätestens seit der Ermordung der Transsexuellen Hande Ö. im Jahr 2015 aktiv um geflüchtete LGBTIQ-Menschen. Seit 2016 werden Queer Base von Fonds Soziales Wien und durch die Stadt Wien unterstützt, sodass Flüchtlinge nicht mehr in den regulären Unterkünften untergebracht werden müssen. Mehr als 10 LGBTIQ-Wohngemeinschaften wurden gemeinsam mit der Diakonie bereits geschafft, Ziel ist es, noch weitere zu schaffen.

Die EU-Grundrechteagentur, FRA - European Union Agency for fundamental rights, ist eine unabhängige Einrichtung der europäischen Union.

Die Wohn-Problematik ist nur eines der Probleme für LGBTIQ-Flüchtlinge: Wie agiert der Dolmetscher, übersetzt er richtig oder ist er homophob? Viele DolmetscherInnen beenden ihre Arbeit, sobald sie von der sexuellen Orientierung erfahren, erzählt Marty Huber. Außerdem übersetzen sie zum Teil fehlerhaft oder beeinflussten Aussagen bewusst, da sie selbst voreingenommen sind. AsylbewerberInnen müssen oft bis zu zwei Jahre auf das Interview, das über ihren Asylstatus entscheidet warten.

Auch auf der Seite der Behörden fehlt es offiziell an Schulungen zur Sensibilisierung von MitarbeiterInnen in den Aufnahmezentren. Das ist besonders problematisch, weil AsylbewerberInnen sich unwohl fühlen könnten, wenn sie Intimes, besonders gegenüber Behörden offenlegen müssten. Zudem mangelt es oft an Beweisen, da Videos oder Fotos zur eigenen sexuellen Orientierung oft das Risiko bergen, "entdeckt" zu werden.

Hingegen weist die Grundrechteagentur darauf hin, dass keine zu intimen Fragen gestellt werden dürfen, da dies die Rechte der Betroffenen verletzen würde. (Auszug aus dem Bericht: "...Schulungen zur Sensibilisierung von MitarbeiterInnen in Aufnahmezentren sind nicht systematisch vorgesehen und werden oft von Nichtregierungsorganisationen angeboten, die auch Informationsbroschüren verteilen.")

Zuflucht eigenes Heim

Marty Huber erzählt im FM4-Interview: "Die Situation am Wohnungsmarkt ist so schon schwierig - wenn ich aber eine Trans-Person bin, die arabisch spricht, ist es trotz Mindestsicherung sehr schwer sich eine Wohnung zu leisten".

Auf Laut aus einer LGBTIQ-WG

Am 4.4.2017 wird FM4 Auf Laut ab 21 Uhr mit Claus Pirschner und Marty Huber diskutieren, wie queere Flüchtlinge in Österreich leben – mit WG-Bewohnern, Aktivistinnen und euch!

Die Nummer ins Studio: 0800 226 996

Yaser erzählt: "I live now with other gay guys in a shared flat, we are fine now, we understand each other and face the same problems. Sometimes outside I hear bad words about me, mostly about the way I look. One evening in a normal bar, a guy asked me 'Why you are different, why are you not normal.' I asked him what can I do to be normal?"

Yaser ist Schauspieler, er ist aus dem Irak geflüchtet. Er lebt in einer der LGBTIQ-Wohngemeinschaften in Wien, wo er Schutz vor der Diskriminierung erlebt, den er noch nie hatte.

Die Route der Gesellschaft

Marty Huber erklärt: "Es ist noch ein langer Weg bis diese Probleme deutlich abgeschafft werden können aber lange nicht so ein Weg, wie der eines geflüchteten Menschen."

Mehr zum aktuellen Bericht "Keine angemessene Unterstützung für LGBTI-AsylbewerberInnen" der EU-Grundrechteagentur findest du hier.

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Am 4.4.2017 wird FM4 Auf Laut ab 21 Uhr mit Claus Pirschner und Marty Huber diskutieren, wie queere Flüchtlinge in Österreich leben – mit WG-Bewohnern, Aktivistinnen und euch! Die Nummer ins Studio lautet 0800 226 996