Erstellt am: 29. 3. 2017 - 16:40 Uhr
Won't Get Fooled Again
Das falsche Leben im falschen. Christopher Just, Wiener quatschaffiner Techno-Schlingel und, sagen wir es ruhig einmal so, DJ-Ikone, hat einen Roman geschrieben, in dem so einiges los ist an Plot, an Handlungssträngen und narrativen Linien, die sich fein verwirren – vielmehr aber als um die Mechanik von Dramaturgie und die "große Geschichte" geht es hier um das Ausweisen von Literatur als Literatur, um das Spiel mit Ebenen, Styles und Jargons.
"Der Moddetektiv" heißt Justs Buch, und das ist schon mal gut albern. Ein Moddetektiv dürfte in der Literaturgeschichte noch keinen allzu prominenten Platz besetzt haben.
Präsentation des Romans: 30. März 2017 um 21:00 Uhr im Wiener Gartenbau Kino Foyer.
Es lesen: Hilde Dalik, Christian Dolezal, Gerald Votava, Robert Palfrader & Christopher Just. Danach Auflegerei, klarerweise mit Mod-Musik.
Plot als Fußnote
Das Fundament der weit verzweigten Handlung lässt sich vage umreißen: Der schon etwas in die Jahre gekommene, aber schon noch recht fesche und den Tabletten und Getränken nicht abgeneigte Mod Augustin Johnny Sandemann arbeitet als Privatermittler und greift dank Szene-Knowledge und Subkultur-Connections gelegentlich der Polizei helfend unter die Arme.
Schauplatz der Geschichte ist ein herbeihalluziniertes Parallel-Wien der ungefähren Gegenwart. Aber einer anderen. Straßen heißen hier zum Beispiel so: Larksfield Blvd. oder Strozzi Ave. Es gibt keine Social Media. Bezahlen kann man mit US-amerikanischen Dollar oder südafrikanischen Rand.
Julia Stix
Ein anderer Mod ist ermordet worden und so soll der Moddetektiv helfen, und natürlich weiß er, dass es sich bei den Tätern bloß um die verfeindete Gang der Teds handeln kann. Es geht dann aber um viel mehr: einen Anschlag via Superwaffe, Verschwörung, Weltrettung.
Stilistische Geschmacksexplosion
Gut 500 Seiten lang reitet Christopher Just in "Der Moddetektiv" durch die Tonlagen und Genres: Ostentativ bemüht er den Groschenheft-Charme von Pulp und Hard-Boiled-Fiction, klischeebeflissen, so wie man es allen Gesetzen der Literaturratgeber-Literatur gemäß nicht machen soll, blumig und adjektivreich.
"Show, don't tell", heißt eine alte Vorschrift für Autoren – genau das Gegenteil macht Just aber natürlich, und es ist sehr lustig: Eine Sexszene beispielsweise erweckt er nicht etwa durch Andeutungen oder Düfte zum Leben, sondern so: "Sie griffen sich voll aus und es wurde geil."
Die vierte Wand wird in "Der Moddetektiv" ständig durchbrochen, der Text schwimmt im Surrealen, alles hier ist Fiebertraum und Drogenrausch, Pappstaffage und Kulissenstadt.
So treffen wir hier auch beispielsweise auf einen DJ, der den Namen "Christopher Just" trägt. Er ist ein unsympathischer Kollege, nur noch an Pulvern und den Girls interessiert.
Der Autor Christopher Just hingegen ist Meister im Imitieren der Textgattungen. Legt "Der Moddetektiv" Bericht ab über das Nachtleben und die Clubkultur, so klingt das wie aus funky Bezirksblättern und hart bemühten Promozetteln zusammencollagiert: So hören wir im Vorbeigehen von einem DJ Lars Schlafwurm, der da mit seinen Scratch-Rhythms die Acid-Audience und die Creatures of the Night durch die Nacht peitscht.
Milena
Taumel durchs Labyrinth
Dann wird es doch auch spannend und krimimäßig, weird. Christopher Just kippt von Godards "Alphaville" zu Helge Schneider, von Columbo zu David Lynch, Raymond Chandler verrennt sich auf Ecstasy in Charlie Kaufmans Theaterstück-im-Film-im-Leben "Synecdoche, New York" . Da wir uns in Wien befinden, kann man bei "Der Moddetektiv" auch den Geist von Kottans Genre-Verbiegungen und Niki Lists "Müllers Büro" schmecken.
Das ist alles also ein bisschen viel. Christopher Just kocht die Hyperaktivität dabei immer wieder runter, bremst, lässt die Figuren versanden, schaltet die Nervosität ab. Die Balance geht sich aus, auch wenn es bei "Der Moddetektiv" sicher nicht um Balance geht. Puderzucker und Zuckerschock, nach diesem Buch ist man satt. Übermorgen vielleicht dann noch einmal.
Kultroman
In einem fingierten Vorwort erklärt der Erzähler des Buches, es handle sich bei "Der Moddetektiv" um einen auf tatsächlichen Ereignissen basierenden Roman. So ein Buch ist das.
Zur Sicherheit, vorauseilend, enthält dieses Vorwort gleich ganze sieben Vorworte: Nicht bloß für die schon heute vorliegende Ausgabe, sondern auch jeweils für alle in naher Zukunft folgenden – aufgrund des großen Interesses – Auflagen.
Auch wird "Der Moddetektiv", der nur ganz richtig dreist mit dem Wort "Kultroman" untertitelt ist, dereinst, so erfahren wir, auch schon ins Englische übertragen und mit Anfragen hinsichtlich Verfilmung aus Hollywood bedacht worden sein. In 20 Jahren werden wir wissen, dass der Autor des Buches recht gehabt haben wird.