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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

26. 3. 2017 - 19:00

Umstrittene EU-Copyright-Novelle wird demontiert

Leistungschutzrecht für Printverleger wie auch verpflichtende Uploadfilter für Soziale Netze wurden im Änderungsantrag der Konservativen großteils aus dem Entwurf gestrichen.

Die von Günther Oettinger (EPP) vor seinem Abgang als Digitalkommissar noch auf den Weg gebrachte Copyright-Novelle wird in den Ausschüssen des EU-Parlaments gerade demontiert. Das besorgen nicht etwa Oettingers politische Gegner, sondern Abgeordnete der eigenen Partei. Im nun vorliegenden Abänderungsantrag der konservativen Abgeordneten Therese Comodini Cachia (EPP) wurden ganze Passagen des Kommissionsentwurfs ersatzlos gestrichen oder durch völlig neuen Text ersetzt.

Allein die geplante Einführung eines neuen Rechts auf "Leistungsschutz" für Printverleger hatte zu Protesten so vieler unterschiedlicher Interessensgruppen geführt, dass schon im Binnemarktausschuss davor die Streichung dieses Artikels gefordert worden war. Ähnlich erging es der Upload-Filterpflicht gegen Copyrightverstöße und einer Reihe weiterer Passagen. Kritiker wie die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights weisen allerdings darauf hin, dass damit nur das Nötigste getan sei.

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Ein ebensolches Bild wie Rezital 34 zeigt eine für einen Kommissionsentwurf unüblich hohe Zahl von Artikeln und Paragraphen, die entweder ersatzlos gestrichen oder völlig verändert wurden.

Demontiertes Abrechnungssystem

Kritiѕiert wird vor allem, dass Paragraph 13 zum "Leistungsschutzrecht" nicht einfach gestrichen wurde. Darin war versucht worden, soziale Netzwerke aber auch Suchmaschinen als sekundäre Medienbetriebe einzustufen, unter der Annahme, dass іn Sozialen Netzen veröffentlichten Inhalte von anderen Medien stammen, die Verlagshäusern gehören. Eine Vorab-Nachweispflicht für diese Eigentümerschaft an Texten oder Bildern für die Verleger gab es im ursprünglichen Kommissionsentwurf nämlich nicht.

Vielmehr wären die Internetfirmen zu umfassenden Lizenzvereinbarungen mit Verlagen gezwungen worden, auf deren Basis dann die Uploadfilter quasi als Abrechnungsmechanismus funktionieren sollten: Wie oft bestimmte Artikel aus Tageszeitungen oder Teile davon in einem Sozialen Netzwerk "reproduziert" werden. Da der gesamte Artikel 13 im Kommissionsionsentwurf aus dem Büro Günther Oettingers nur für diesen einen Zweck erstellt wurde, wirkt er nach seiner inhaltlichen Demontage im Abänderungsantrag nun wie ein Fremdkörper.

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Auf welche Art von Websites der neue Artikel 13 nun noch zutrifft ist fraglich, die großen Internetkonzerne fallen jedenfalls nicht darunter. Der Vergleich zum Kommisiionsentwurf zeigt, was da alles eliminiert wurde, nämlich Vorab-Lizenzverträge und die verpflichtende Einführung von "Technologien zur Inhaltserkennung"

Internetkonzerne ausgenommen

In der geänderten Version werden Soziale Netze nämlich explizit ausgenommen, solange sie nur die technischen Möglichkeiten zur Veröffentlichung bieten, oder wenn diese Veröffentlichung auf automatisierten Prozessen beruht, die etwa Medienartikel nach enthaltenen Stichwörtern auflisten. Facebook und alle anderen Sozialen Netze und sogar der Newsservice von Google, der Printverlegern immer schon als Hauptangriffspunkt diente, sind damit ausgenommen. Nun stellt sich allerdings die Frage, welche Internetservices denn noch unter die entschärfte Neuversion von Paragraph 13 fallen.

Filtersysteme im Vergleich

Die Bürgerrechtsgruppen European Digital Rights und die Communia Association über die Demontage der Oettingerschen Richtlinie.

Verpflichtende Upload-Filter wurde zuletzt auch aus der Anti-Terror-Richtlinie gestrichen, denn eine solche generelle Überwachungspflicht für alle Inhalte aller Benutzer hatte der Europäische Gerichtshof in seinem zweiten Grundsatzurteil vom Dezember zur Vorratsdatenspeicherung als schweren Verstoß gegen Grundrechte verworfen. Dazu kommen auch handfeste ökonomische Gründe, denn der Echtzeitabgleich von Uploads mit Datenbanken und die Entwicklung von entsprechenden Algorithmen für den Abgleich ist eine teure Angelegenheit. Nur hochprofitable Internetkonzerne wie Google oder Facebook verfügen deshalb über solche selbstlernenden Systeme, die weitaus komplexer und leistungsfähiger sind, als etwa die herkömmlichen Anti-Virus-Filter oder solche gegen Spam. Hier werden Datenbanken mit bekannten "Virensignaturen" oder einigen wenigen Parametern aus den E-Mail-Metadaten zum Abgleich herangezogen.

Wie effizient komplexe und weitaus leistungsfähigere Filtersysteme wie etwa "Content ID" von Google funktionieren, die Inhalte beim Upload automatisch mit digitalen Wasserzeichen versehen und klassifizieren, fällt unter das jeweilige Geschäftsgeheimnis. Die permanenten Beschwerden über offen bedrohende und rassistische Postings auf Facebook - allgemein mit dem irreführenden Begriff "Hatespeech" belegt - die von den Facebook-Filtern nicht erfasst werden, legen eher nahe, dass die "künstliche Intelligenz" dahinter noch allerhand zu lernen hat.

Kulturelles Erbe, Broadcaster, verwaiste Werke

In dem Änderungsantrag von MEP Comodini wird die im Kommissionsentwurf auf den Kopf gestellte Beweispflicht wieder umgekehrt. Verleger müssen nun erst einmal nachweisen, dass sie die Eigentümer bestimmter Bilder, Videos oder Texte sind, auf die sie Ansprüche haben. Dazu kamen auch Institutionen in den Text, die ursprünglich entweder gar nicht völlig unzureichend repräsentiert waren. In Artikel 2 werden nun etwa Museen, Filmarchive, Bibliotheken und was sonst noch unter "kulturelles Erbe" fällt, ausgenommen und auch der Status öffentlich-rechtlicher Broadcaster als Kulturproduzenten festgeschrieben.

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Die EU-Richtlinie zu sogenannten "verwaisten Werken" ermöglicht deren Republikation, allerdings unter Auflagen, die zum Teil sehr schwer erfüllbar sind.

Die waren im Komissionsentwurf kaum vorgekommen, obwohl die in der "European Broadcasting Union" versammelten Öffentlich-Rechtlichen die größten europäischen Produzenten von frei im Netz verfügbaren Videos sind. In Artikel 7 wiederum wurde dem rasch wachsenden Problem "verwaister Werke" Rechnung getragen, indem die Republikation von Fotos, Videos oder Büchern, die längst vom Markt verschwunden oder dort nie verfügbar waren, erleichtert wird. Das hatten die Lobbys von Verlagen und Unterhaltungsindustrie seit Jahren zu verhindern versucht, da jede Ausweitung des Angebots von freier, öffentlich verfügbarer Information in "Wort und Bild" nun einmal nicht mit ihren Geschäftsinteressen harmoniert.

Wie es nun weitergeht

Als nächstes wird aus den Verbesserungsvorschlägen aller mit der Richtlinie befassten Ausschüsse eine konѕolidierte Version für das EU-Parlament erstellt. Die ist dann Grundlage für die erste Lesung im Parlament, erfahrungsgemäß hat das eine ganze Serie von neuen Änderungsanträgen zur Folge, parallel dazu wird im Ministerrat eine eigene Version erstellt. Da dies auf Basis des Kommissionsentwurfs geschieht, der von so gut wie allen Interessensgruppen außer den Verlegerlobbys und der Unterhaltungsindustrie als Rückschritt in die 90er Jahre bezeichnet wird, so ist es sehr wahrscheinlich, dass es am Ende zwei in den oben ausgeführten Punkten völlig divergierende Entwürfe gibt.