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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

23. 3. 2017 - 16:09

The daily Blumenau. Thursday Edition, 23-03-17.

Wie eine kleine Beobachtung ein am Limit angelangtes Team verunsichert.

#fußballjournal17

The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.

Der aktuelle ÖFB-Kader von Marcel Koller

Tor: Heinz Lindner (SGE Frankfurt/D) Andreas Lukse (Altach), Daniel Bachmann (Stoke/ENG); Auf Abruf: Markus Kuster (Mattersbg)

Abwehr: Stefan Lainer, Valentino Lazaro (RB Salzburg), Aleksandar Dragovic (Leverkusen/D), Sebastian Prödl (Watford/ ENG), Michael Madl (Fulham/ENG), Martin Hinteregger (Augsburg/D), Kevin Wimmer (Tottenham/ ENG), Markus Suttner (Ingolstadt/D); Auf Abruf: Moritz Bauer (Rubin Kasan/ RUS), Florian Klein (VfB Stuttgart/D), Philipp Lienhart (Real Madrid/ESP -> U21), Andreas Ulmer (RB Salzburg).

Mittelfeld: David Alaba (Bayern München/D), Julian Baumgartlinger (Leverkusen/D), Stefan Ilsanker, Marcel Sabitzer (RB Leipzig/D), Alessandro Schöpf (Schalke 04/D), Zlatko Junuzovic (Werder Bremen/D), Louis Schaub (Rapid Wien), Marko Arnautovic (Stoke/ENG), Martin Harnik (Hannover/ D); Auf Abruf: Florian Grillitsch (Werder Bremen/D), Konrad Laimer (RB Salzburg -> U21), Stefan Hierländer (Sturm Graz), Jakob Jantscher (Caykur Rizespor/TUR).

Angriff: Guido Burgstaller (Schalke 04/D), Michael Gregoritsch (Hamburger SV/D), Marc Janko (Basel/SUI); Auf Abruf: Lukas Hinterseer (Ingolstadt/D), Deni Alar (Sturm Graz).

Langzeitverletzt: Robert Almer (Austria Wien)
Rücktritt: Ramazan Özcan (Leverkusen/D), Christian Fuchs (Leicester/ENG).
Verletzt: Karim Onisiwo (Mainz/D), Veli Kavlak (Besiktas/TUR).
Zu weit weg: Rubin Okotie (Beijing EG/CHN).
Nach Sinan Bytyqi (Man City/ENG) ist nun auch Adthe Nuhiu (Sheffield Wed./ENG) zum Kosovo übergetreten.

Out sind vor allem Marco Knaller (Sandhausen/D), Georg Margreitter (Nürnberg/D), Christopher Trimmel (Union Berlin/D), Alexander Gorgon (HNK Rijeka/CRO), Thorsten Schick (YB Bern/SUI), Robert Zulj (Gr. Fürth/D) oder Daniel Royer (RB New York/USA)
aber auch Michael Langer (Norrköping/SWE), Jörg Siebenhandl (Würzburg/D), Robert Olejnik (Exeter/ ENG), Ivan Lucic (Aalborg/DEN); Richard Windbichler (Ulsan Hyundai/KOR), Lukas Spendlhofer (Sturm), Andreas Lienhart (Altach), Stefan Stangl (RB Salzburg), Philipp Mwene (Kaiserslautern/D), Georg Teigl (Augsburg/D), Emir Dilaver (Ferencváros/ HUN), Tanju Kayhan (Göztepe/TUR); Robert Gucher (Vicenza/ITA), Christian Gartner (Düsseldorf/D), Manuel Prietl (Bielefeld/D), Christoph Martschinko, Raphael Holzhauser, Tarkan Serbest, Alexander Grünwald (Austria), Dominik Wydra (VfL Bochum/D), Konstantin Kerschbaumer (Brentford/ ENG), Muhammed Ildiz (Gaziantepspor/TUR), Marcel Ritzmaier (Eagles Deventer/NED), Michael Liendl (1860 München/D), Dominik Hofbauer (Arka Gdynia/POL), Tomas Simkovic (Tobol Kostanay/ KAZ), Stefan Savic (Roda Kerkrade/NED), Florian Kainz (Werder Bremen/D), Marco Meilinger (Aalborg/ DEN); Andreas Weimann (Wolverhampton/ENG), Martin Pusic (Sparta Rotterdam/NED), Marco Djuricin (Ferencváros/ HUN), Philipp Hosiner (Union Berlin/D), Erwin Hoffer (Karlsruhe/D), Darko Bodul (Perm/RUS) uvam...

Eine neuer, gezielter Blick auf die Schlussphase des Irland-Matches vom November zeigt ein erklecklich Maß an Pannen und ein Struktur-Problem.

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Das Timing ist blöd.
Teamchef Koller hat, obwohl er von seinen Chefs dazu angehalten wurde, bisher keine inhaltlichen Neuerungen vorgelegt und muss jetzt in wenigen Trainingseinheiten das ungewohnte System der Dreier-Abwehr so weit stabilisieren, dass er es gegen Moldau (oder zumindest im Test gegen Finnland) präsentieren kann. Und ausgerechnet jetzt destabilisiert eine einzelne Anmerkung eines anstrengenden Ex-Teamspielers seine Position und offenbart so eine wohl nur unzureichend kaschierte Brüchigkeit.

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Was ist passiert? Paul Scharner greift in einem aktuellen Interview eine Szene aus der Schlussphase des Irland-Matches vom letzten November auf, die zum damaligen Zeitpunkt als Ausfluss hochgradiger strategischer Verwirrung gesehen werden konnte und fügt eine neue Lesart hinzu.

In Minute 78 wechselte Koller damals den Sechser Ilsanker für den links verteidigenden Wimmer ein. Dieser (dritte und letzte) Wechsel erfüllte nicht nur nicht den geplanten Zweck, er löste regelrechtes Chaos aus.
Deshalb ins Detail.

In Minute 78 stand es 0:1, nach vorne ging, allen Bemühungen zum Trotz, wenig; das Team stand nicht mehr im üblichen 4-2-3-1, sondern bereits im 4-4-2 mit Harnik neben Janko als zweiter Spitze.

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Als er Ilsanker an der Outlinie stehen sah, erwartete Kapitän Julian Baumgartlinger seinen Austausch, lief zu Alaba, übergab seine Kapitäns-Binde und trabte zur Mittellinie als plötzlich die Nummer 5 (also die von Kevin Wimmer) aufgezogen wurde. Baumgartlinger stoppte seinen Lauf, nahm aber seine Binde nicht zurück.

Ilsanker lief wild gestikulierend und Kollers Anmerkungen zum Wechsel kommunizierend in die Mitte und bedeutete Alaba auf die linke Seite zu gehen. Kollers Input war also: Alaba statt Wimmer links hinten, als rollender Antreiber an der Flanke, Ilsanker mit Baumgartlinger im Zentrum. Nur: Alaba, auch gestärkt durch die als Zeichen zu lesende, gerade zufällig erhaltene Kapitäns-Binde, dachte nicht daran, sich dieser Anweisung unterzuordnen und blieb auf seiner bereits recht offensiv interpretierten Position im Mittelfeldzentrum.

Für Minuten gähnte links hinten also ein Loch, ehe sich Ilsanker der Position erbarmte. Zwischenzeitlich, bei der nächstmöglichen Unterbrechung hatte Koller Blick- und Gestenkontakt mit Alaba aufgenommen, was aber zu keiner Veränderung führte. In der Folge rückte Hinteregger aus der Innenverteidigung raus, man spielte in einer improvisierten Dreier-Abwehr und insgesamt in einem windschiefen 3-2-3-2, das noch eineinhalb Torszenen herausspielte, den Ausgleich aber nicht mehr schaffen konnte. Mit Zufalls-Captain Alaba als Quasi-Zehner mit allen Freiheiten, Ilsanker in der Zentrale neben Baumgartlinger dahinter und Hinteregger als Links-Verteidiger einer Dreier-Abwehr.

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In einer Spielsituation wie dieser sind taktische Pläne meist bereits über Bord geworfen, Intuition und Improvisation zählen da mehr. Das Koller-Team hat in dieser Hinsicht jedoch so gut wie keine Expertise. Das hat mit Kollers späten und wenig phantasiebegabten Wechseln (die meist positionsgetreu erfolgen) und seinem traditionell schwachen In-Game-Coaching zu tun.

Das im besten Fall als fehlgebrieft oder verwirrt zu interpretierende Chaos der Schluss-Viertelstunde gegen Irland hatte eine besondere Qualität - weil das Match aber bereits davor, vor allem durch eine verschleppte zweite Phase der 1. Halbzeit verloren wurde, war es aber im Nachlauf kein großes Thema.

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Das wird es erst im Nachhinein durch die Interpretation von Paul Scharner. Der wegen Großgoschertheit aussortierte ehemalige England-Legionär sagt da: Alaba hat bei Koller einen Freibrief, er darf seinen Kopf durchsetzen. "Ilsanker wird für Wimmer eingewechselt und versucht dem David klarzumachen, dass er hinten links spielen muss. Der David hat das einfach verweigert und ist im Mittelfeld geblieben, woraufhin der Ilsanker Linksverteidiger spielen musste. Das wurde von niemanden an die große Glocke gehängt und auch nicht von den Medien aufgegriffen."

Natürlich muss man da den Eklat mitdenken, der Scharners Team-Karriere beendet hat, als es nämlich zwischen ihm und Koller auch um unterschiedliche Ansichten in einer Positions-Definition ging. Subkutan läuft da also eine leise Anklage Scharners mit. Ist aber für die aktuelle Situation unerheblich.

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Scharner sagt nämlich nicht, dass Alaba böswillig einen Trainer-Befehl verweigert hat.
Er sagt, dass Alaba über das Standing verfügt, sich über solche Anweisungen hinwegzusetzen. Was, wenn es prinzipiell abgesprochen ist, und wenn die Umstellungs-Kompetenz eines Coaches so gering ist, auch überhaupt kein Problem darstellt.

In der Irland-Schlussviertelstunde war auch keinerlei Unmutsbezeugung zu erkennen. Ilsanker, Baumgartlinger und Hinteregger arrangierten sich ohne Vorwürfe, Blicke, Gesten oder spürbaren spielerischen Unwillen mit der Situation. Intern ist die Alaba-Sonderstellung also kein Problem.

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Bezeichnend ist einzig der Umgang mit der Interpretation. Zuerst erklärt gestern Baumgartlinger, dass er das nicht kommentieren werde, was Scharner "offenbar besser mitbekommen" hat. Eine sarkastische Formulierung, die insinuieren soll, dass man nur auf dem Platz selber den echten Überblick hat (was vorsichtig gesagt, ein rechter Unfug ist).

Heute legte Koller nach: Zunächst wurde Scharner als Spieler, der (im Gegensatz zu den namentlich genannten Herren Krankl, Prohaska, Polster) wenig erreicht hätte (es seien ja nur 6 Matches zum FA-Cup-Titel) hingestellt - als ob man bestimmte Meriten bräuchte um gut sehen/analysieren zu können, was etwa den drei Angesprochenen (aus unterschiedlichen Gründen: Unfähigkeit, Desinteresse, Beeinträchtigung) verwehrt bleibt. Dann entgegnete Koller dem verkürzt nach vorne geschobenen "Alaba weigert sich Linksverteidiger zu spielen"-Argument mit einer Gegenfrage: Wer denn wie und wo die finale Chance durch Janko vorbereitet hätte? Antwort: Alaba, mit einer Flanke von links. Damit erklärte der Teamchef die Diskussion für beendet.

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Das Problem ist nur: es stimmt nicht. Alaba war der vorderste zentrale Mittelfeldspieler, mit allen Freiheiten, die linke Flanke deckte (auch defensiv) weiterhin aber der Kollege Arnautovic ab. Wenn Koller mit einer einzelnen Flanke belegen will, dass Alaba tatsächlich links gespielt habe, dann flunkert er - und hat wohl auch deshalb die Strategie der Gegenfrage gewählt; damit er nicht lügen muss, sondern eben nur einen (falschen) Schluss nahelegt.

Aus beiden Aussagen spricht also tiefe Verunsicherung, eine wirkliche inhaltliche Entgegnung blieb sowieso aus.

Die Frage dahinter ist aber: warum überhaupt Heimlichtuerei und Geschwindel? Warum kein offener Umgang damit, dass Alaba die Freiheit hat, seine Position selber zu bestimmen und eine entsprechende Umstellung in bestimmten Situationen auch auf dem Feld overrulen kann?

Die Spieler haben - wie zuvor erwähnt - kein Problem mit der Lage; Koller und Alaba sind merklich auf einer Wellenlänge. Die gemeinsamen Interessen aller sind groß genug, das zusammen Erlebte der letzten Jahre, das gemeinsam erarbeitete Standing hat noch genügend Loyalität zur Folge.

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Was der Vorfall viel eher zeigt, dass das, was der große Begrifferfinder Stoiber vor Jahren als "Kompetenzkompetenz" bezeichnet hat, fehlt: die Fähigkeit ein Match im Verlauf der 90 Minuten mit mehr als der ursprünglichen Match-Idee oder basischen Tugenden zu drehen, nämlich mit einer (vorbereiteten) frischen Idee. Wenn Alaba nicht an die ausgegebene Linksverteidiger-Idee glaubt, sie nicht umsetzt, seine Teamkollegen und auch sein Trainer nicht darauf bestehen, dann wird sie nicht gut genug gewesen sein. Wenn es aber intern am Grundvertrauen fehlt mit einer frischen Idee noch etwas zu bewirken, wenn sich Kollers Schwäche bereits als Norm etabliert hat, dann ist das Team an einem Limit angelangt, das es im Regelfall nicht überspringen kann.

Die aktuelle Nervosität ist in der Angst begründet, dass sich diese Erkenntnis in einer breiteren Öffentlichkeit durchsetzt und die Stimmung endgültig runterzieht. Denn Trainer und Team setzen auf Zeitgewinn, gehen immer noch davon aus, dass eine neue Idee, ein Trick vom Himmel fallen wird, der die entscheidenden Spiele im Sommer und im Herbst zu ihren Gunsten ausgehen lässt. Dafür muss man nur morgen den Pflichtsieg gegen Moldau einfahren und im Test gegen Finnland halbwegs gut aussehen. Und alles andere ausblenden.