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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

23. 3. 2017 - 13:52

Leben und sterben lassen

Eine weitere Hollywood-Expedition ins All mit bedrohlichen Folgen: "Life" lässt wieder einmal Science-Fiction und Horror kollidieren.

Es gibt Filme, gar nicht so wenige, die sind weder unglaublich aufregend noch irrsinnig schlecht. Sondern einfach nur ziemlich okay, relativ sehenswert, durchaus passabel. Kritiker schreiben dann gerne „solide“ auf die Bewertungszettel, die am Ende vieler Pressevorführungen von den Verleihfirmen ausgehändigt werden. "Life" ist so ein Film.

Life

Sony

"Life"

Life on Mars

Dabei ist der Anfang ziemlich mitreißend. Die entfesselte Kamera, an den Oscar-Gewinner "Gravity" erinnernd, transportiert uns an Bord einer Raumstation, die in einer ganz nahen Zukunft die Erdumlaufbahn zu Forschungszwecken umkreist. Die Besatzung hofft, auf Gesteinsbrocken vom Mars Spuren von Leben zu finden. Und tatsächlich landet ein Mikroorganismus unter dem Mikroskop des Stations-Wissenschaftlers. Kaum ist die sensationelle Nachricht an die Erde gefunkt, wird der Einzeller prompt Calvin getauft.

Das winzige, glitschige (und deutlich computeranimierte) Wesen wächst in rasender Geschwindigkeit, sieht bald wie ein quicklebendiger Seestern aus, aber wie immer in solchen Filmen scheint niemand die drohende Gefahr zu erahnen. Stimuliert von einem Elektroschock zeigt Calvin dann jedoch seine aggressiven Seiten. Die multikulturelle Crew ist mit einer hochintelligenten Kreatur konfrontiert, die Menschen als Feinde und, natürlich, Nahrungsquelle betrachtet.

Life

Sony

"Life"

Kammerspiel im All

Wie gesagt, es beginnt alles recht vielverspechend, die Sets wirken eindrucksvoll, die klaustrophobische Atmosphäre überzeugend. Dass sich "Life" auf das Innere der Raumstation beschränkt, ohne Szenen auf der Erde oder auch Rückblenden, macht den Film zunächst besonders sympathisch. Aber schon bald, noch bevor sich das Weltraum-Kammerspiel in ein berechenbares Monstermovie vom Fließband verwandelt, macht sich das Bausatz-Prinzip bemerkbar, dem das Drehbuch folgt.

Akteure wie Rebecca Ferguson (die engagierte Leiterin der Mission), Ryan Reynolds (der ewige Collegeboy mit den frechen Onelinern), Hiroyuki Sanada (der schon in "Sunshine" einen bedächtigen Astronauten spielte) oder Jake Gyllenhaal (der nachdenkliche Misanthrop im All) können ihre Schablonen-Figuren kaum mit Leben erfüllen. Überhaupt wird "Life" letztlich seinem Titel nur bedingt gerecht, solche Filme könnten auch via Algorithmus geschrieben und gedreht werden. Solide Spezialeffekte, solide Schocks und solide Schauspieler reichen aber immerhin für unterhaltsame 103 Minuten.

Life

Sony

"Life"

Warten auf den anderen Alien

Das ist jedenfalls schon mehr als ich mir von Regisseur Daniel Espinosa erwartet habe. Der schwedische Filmemacher, der den Sprung ins amerikanische Filmbusiness geschafft hat, steht für ein Kino der spannenden Versprechungen, die dann doch nicht eingelöst werden. Weder der Actionthriller "Safe House" (mit Denzel Washington und ebenfalls Ryan Reynolds als rabiates CIA-Agenten-Duo) noch die Bestsellerverfilmung "Child 44" (mit Tom Hardy auf der Spur eines Kindermörders im stalinistischen Russland) faszinierten über das erste Drittel hinaus.

Bleibt nach dem enttäuschend-ärgerlichen “Passengers” und dem, ja genau, soliden Mittelmaß von "Life" die Hoffnung auf den nächsten Hollywood-Abstecher ins All. Ridley Scott persönlich leitet bekanntlich die Expedition zum Konstrukteurs-Planeten, auf dem das irdische Leben seinen Ursprung nahm und wo dessen potentieller Untergang in Form tödlicher Xenomorph-Wesen lauert. Dabei sind alle die Fantheorien zu "Alien: Covenant" und der veröffentlichte Prolog schon spannender als Calvin und seinen diversen Mutationen.

Alien: Covenant

Centfox

"Alien: Covenant"

Scotts sträflich unterschätzter Outer-Space-Schocker "Prometheus" hatte als Vorgängerfilm und Puzzleteil innerhalb des Alien-Mysteriums eventuell dramaturgische Schwächen. Aber der Regisseur holte darin mutig zu einem herrlich trivilalphilosophischen Rundumschlag aus, der Friedrich Nietzsche mit Erich von Däneken verknüpfte. Und in einer Botschaft mündete: Das Universum ist finster, unergründlich und es hasst uns Menschen. So viel existentialistischen Horror möchte uns auch "Life" am Ende mitgeben, aber wie alle bloß soliden Filme hat man ihn schon auf dem Heimweg vom Kino vergessen.