Erstellt am: 29. 3. 2017 - 08:18 Uhr
Social Media Saved The Film Star
Das Social Web wirkt sich ja bekanntlich auf alles aus, was mit Medien zu tun hat. Warum sollte es also vor Film haltmachen? Drei Kurzfilmbeiträge, die auf der Diagonale, dem Festival des österreichischen Films in Graz zu sehen sind, punkten mit besonders hoher Online-Credibility. Das ist nicht nur super meta, sondern hat auch seine optischen und dramaturgischen Reize.
Herr Regisseur, lass Facebook machen
Diagonale 2017
LDAE
R: Christoph Schwarz, AT 2017, 30 min
Wannabe
R: Jannis Lenz, AT/DE 2017, 29 min
Sara the Dancer
R: Tim Ellrich, AT/DE 2017, 12 min
Da wäre zunächst der Medienkünstler Christoph Schwarz. Der macht gerne Filme über das Filmemachen - das Making-Of ist das Ziel. Das hat er in seinem Vorgängerfilm "Krochacarraldo" (ja genau, eine Kombination aus Werner Herzogs "Fitzcarraldo" und der kurzlebigen Jugendkulturströmung) schon deutlich gemacht.
So funktioniert nun auch sein neuer Film "LDAE", bloß mit einem zusätzlichen Kunstgriff. Die Abkürzung steht für "Lass die anderen entscheiden", und genau darum geht es.
ARGE Schwarz
Irgendwann im letzten Jahr bekomme ich eine Einladung, einer geheimen Facebook-Gruppe beizutreten. Damit gehöre ich nun einem superelitären Kreis von etwa 100 Mitgliedern an, der ab sofort via Abstimmungen oder Kommentaren bestimmen soll, wie Schwarz seinen Film zu machen hat.
Etwa soll es im Film zu einer Katastrophe kommen. Wir entscheiden: Soll's ein nuklearer Winter, eine Pandemie oder doch ein totaler Stromausfall werden? Die Gruppe setzt den Stromausfall durch.
Für den endgültigen Film ist der Plot selbst dann aber total egal. Tatsächliches Thema ist die Eigendynamik, die entsteht, wenn man als Regisseur seine Vollmacht abgibt und Facebook entscheiden lässt. Aber auch hier verschwimmt Realität und Fiktion bewusst in jedem Moment.
Hallo, meine Süßen, ich bin die Coco!
Der Charakter der fiktionalen Doku haftet auch dem Film "Wannabe" von Jannis Lenz an. Der hat ja ein besonders feines Händchen für realitätsnahes Inszenieren. Dafür dreht er auch am liebsten mit Laiendarstellern. Für seinen Vorgängerfilm "Schattenboxer" ist er dafür mehrfach ausgezeichnet worden, auch auf der Diagonale letztes Jahr.
FM4 auf Diagonale
FM4 Live-Talk aus dem Schubert Kino in Graz
am Donnerstag, 30.3.2017, 12:00h
Gäste: Josef Hader, Marie Kreutzer, Wolfgang Möstl, Jannis Lenz, Anna Suk und viele mehr.
In "Wannabe" startet die 17-jährige Coco einen eigenen YouTube-Channel. Der Inhalt ist ihr dabei relativ egal, solange ihre Auftritte Fame bringen. Das Ringen um Aufmerksamkeit stellt sich schließlich aber als beinharte Arbeit und die Sache mit dem Fame als gar nicht so einfach heraus.
Andi Widmer
Das Besondere: Cocos YouTube-Channel, von dem man im Film immer wieder Kostproben serviert bekommt, existiert tatsächlich. "Wannabe" ist ein transmediales Projekt, das die vierte Wand durchbricht und über die Türschwelle des Kinos hinweg weiterlebt. Allerdings ist der Channel genauso fiktiv wie der Film. Wobei: Was bedeutet das Prädikat "echt" auf YouTube überhaupt?
Frag Google
Im Film "Sara The Dancer" von Tim Ellrich stellt sich schließlich die Frage: Was passiert, wenn eine Google AI in eine Identitätskrise schlittert? Sara steckt in der "Haut" einer Google-Street-View-Kamera. Doch als sie das erste Mal Musik aus dem Autoradio ihres Fahrers hört, entflammt in ihr der große Wunsch, Tänzerin zu werden. Um herauszufinden, wie sie das werden kann, bittet sie Google um Rat. Doch Google erweist sich als nicht gerade kooperativ. So werden drastischere Maßnahmen nötig.
Für seinen Film verwendet Tim Ellrich ausschließlich Found Footage von Google Street View und lässt dazu Sara als computergenerierte Stimme von Google Translate erklingen. Auf eigene Aufnahmen verzichtet der Filmemacher damit gänzlich. Stattdessen fragt er Google.