Erstellt am: 23. 3. 2017 - 18:00 Uhr
Mighty Oaks sind Träumer
Die Mighty Oaks im Video
Zweites Album, schwieriges Album? Ach wo. Die Mighty Oaks haben es nicht versemmelt. Wir erinnern uns - falls wir nicht neu einsteigen in Musik und Bandgeschichte des in Berlin ansässigen Trios: Drei Jahre ist es her, dass diese Band mit der Indiefolk-Hymne "Brother" dem größeren Erfolg direkt ins Gesicht blickte. Ein Amerikaner, ein Brite und ein Italiener in Germany. Drei Musiker, die einander bei einem Singer-Songwriter-Festival in Hamburg über den Weg gelaufen waren. Zu dritt könnten wir stärker sein, als wenn jeder ein Einzelkämpfer ist, dachten die drei wohl gleichzeitig. Etwas später fand dann tatsächlich eine Bandgründung statt. In Berlin, wohin alle drei Männer inzwischen übersiedelt waren.
![© Lukas Maeder Mighty Oaks](../../v2static/storyimages/site/fm4/20161251/Mighty_Oaks_2016_001_Lukas_Maeder__body.jpg)
Lukas Maeder
Folk Soul Brothers
![© Vertigo Berlin/Universal Albumcover Mighty Oaks 2017: drei Männer, zwei in weißem Hemd, einer in schwarzem Hemd. Beiger Hintergrund. Bunte, aquarellfarbene Farben sonst.](../../v2static/storyimages/site/fm4/20170312/51bI4wZwzCL__AC_US218_-1_side.jpg)
Vertigo Berlin/Universal
Den einen, Ian Hooper aus der Nähe von Seattle, Washington, hatte sein Deutsch- und Politikwissenschafts-Studium nach Deutschland gebracht, von München über Hamburg bis eben nach Berlin. Der zweite, Claudio Donzelli aus Italien, hatte ebenfalls durch sein Studium in Deutschland zu tun - die Doktorarbeit sollte dort gemacht werden. Und der dritte schließlich, Schauspieler Craig Saunders aus England, war der Liebe wegen nach Hamburg gekommen. Dass sie auch heute noch in Deutschland und Mitglieder einer erfolgreichen Band sind, hätte wohl keiner der drei damals gedacht. Nun ja, eine Zeit lang waren sie dann auch wirklich weg aus Berlin. Nach dem Debütalbum und den vielen Konzerten war erst einmal Ruhe angesagt, und dann das Kreieren einer neuen Platte.
Alle drei Bandmitglieder gingen dorthin, wo sie hergekommen waren. Für Drummer Claudio Donzelli ist das Pesaro an der norditalienischen Adriaküste, für Craig Saunders die Gegend nahe Glastonbury im englischen Südwesten, und für Sänger Ian Hooper ein Ort am Meer im US-Bundesstaat Washington, wo Hoopers Vater lebt; die Mutter von Ian Hooper ist ja bereits verstorben, allzu früh an Krebs. Ihr hatte Ian mit den Mighty Oaks den Song "When I Dream, I See" gewidmet.
Schließlich sind auch Craig Saunders und Claudio Donzelli nach Washington nachgekommen. Erstens wollte ihnen Ian Hooper zeigen, wo er aufgewachsen war, und zweitens wollten die Mighty Oaks in den Bear Creek Studios in Washington das neue Album aufnehmen. Das Bear Creek ist ein entzückender Ort in den Wäldern des Staates Washington, samt Baumhaus.
Folk Rock
Ja, und viel Vintage-Studiogerät gibt es dort auch. Klar, dass da ein Aufnahmeraum der "Hippy Room" heißt. Perfekt für die Mighty Oaks, um die West-Coast-Gitarrenpop-Sau rauszulassen. Die Mighty Oaks lassen selbstverständlich keine Sau raus, dazu ist man schließlich viel zu kultiviert und höflich, auch wenn Ian Hooper, Craig Saunders und Claudio Donzelli live ja schon mal ordentlich loslegen können und in der Stimme von Ian Hooper ein Timbre liegt, das dem Rocker gar näher ist als dem Folkie.
Als gefällig ist die Musik der Mighty Oaks in der ersten Runde zwischendurch schon mal kritisiert worden, als Lagerfeuermusik. Das Lagerfeuer in der Musik steht ja gern für etwas, das allzu nett ist, vor sich hinflackert, ohne je brandgefährlich zu werden. Im ersten Song am neuen Album der Mighty Oaks bezieht sich Ian Hooper dann wohl auch etwas auf diese Kritik, wenn er singt "let them throw stones, no matter what you do people are gonna criticize, you can´t please everybody, it´s just a waste of time". Dass das Leben zu kurz ist, sinniert Ian Hooper weiter in "All I Need" und er rät ganz bestimmt und pragmatisch "cast the negative aside".
Be With You Always
Dann kommt "Be With You Always", ein Song im unverschämten Hit-Gewand. Da muss etwas Subtileres folgen. In "Burn" geht es um die Flamme, die am Leben erhalten soll, und dass irgendetwas nun anders ist. Something has changed. Die Rose hat Dornen und so. Da braucht man einen Freund. "Call Me A Friend" heißt der nächste Song, ein sehnsüchtiges Stück, in dem Ian Hooper seine Jugend besingt und dabei diesen 70er Jahre Gitarrenpop-Sound der amerikanischen West Coast heraufbeschwört. Das ist mehr Soft Rock als Indie-Folk. Und dass mir ja niemand dieses Wort "Soft Rock" als Schimpfwort versteht.
Im Song "Don´t Lie To Me" dominiert das Piano vor der Gitarre. "Don´t lie to me, can´t you see you´re hurting me", singt Ian Hooper und Craig und Claudio sind dicht an seiner Seite. Klassischer Song-Stuff, und die Mighty Oaks drehen dabei weiter an der Sehnsuchtsschraube. Wer das nicht mag, hat wohl ein Herz aus Stein.
Dreamers
"Dreamers" heißt der nächste Song am Album, wo Ian Hooper so schön wie ein Rock-Shouter singt. Es wagen zu träumen, darum geht es im Song. Das ist autobiografisch und universell gleichermaßen. Vom hellen Tag und der dunklen Nacht ist die Rede, vom Feuer, das noch am Glühen ist. "We were Stargazers, everything amazed us", bekennt Ian Hooper in diesem Coming-Of-Age-Stück.
"Dreamers" wurde von Ryan Hadlock produziert, der etwa auch schon die Lumineers produzierte.
Ryan ist der Besitzer des Bear Creek Studios in Woodinville, Washington, das Ende der 1970er Jahre von seinen Eltern Joe und Manny Hadlock gegründet wurde und wo Größen wie Eric Clapton und James Brown Musik aufnahmen.
Um die Vergänglichkeit geht es auch im dynamischen "Dust", um Ruhm und Geld, und dass eben doch nichts von Beständigkeit ist. Mandoline und Slidegitarre tun hier wundersame Arbeit. Wir sind in der Tat nun einer Art "Higher Place" nahe, auch wenn die Mighty Oaks keine Fleet Foxes sind. Aber das müssen sie auch gar nicht.
"Das Klavier übernimmt noch einmal auf dem neuen Album der Mighty Oaks. "Look Inside" heißt der Song, der zum In-Sich-Hineinhorchen auffordert. Remember, am Ende steht eine Art Jüngstes Gericht. Tolle Streicheruntermalung. Da bleiben noch zwei Songs: Das mitreißende "Never look Back", in dem die Mighty Oaks nicht mehr zurückblicken wollen, sondern nur noch nach vorne. "Let´s escape it all", ruft Ian Hooper.
So einfach kommen wir aus dieser Sache aber dann doch nicht heraus. "Raise A Glass" heißt der vorletzte Song am neuen Mighty-Oaks-Album. Wir heben also das Glas und prosten diesen Folk-Soul-Brothers Ian, Craig und Claudio zu. So jung kommen wir schließlich nimmer zusammen. "We´ll never be this young again", singt Ian Hooper, bevor die Mighty Oaks mit dem komplexen "The Great Unknown" das neue Album beschließen. Well done, guys, tolle Platte.