Erstellt am: 29. 3. 2017 - 11:07 Uhr
Hurray for the Riff Raff
Vom Geheimtipp zum Star. Auch wenn letzterer Ausdruck nicht wirklich in ihrem Wortschatz ist, Alynda Segarra schafft mit ihrem bereits sechsten Album jetzt den Durchbruch. Dabei wird die gebürtige New Yorkerin etwa vom britrischen Q-Musikmagazin gefragt, wie sie denn mit etwas größerer Bekanntheit umzugehen gedenke. Die Antwort der US-Amerikanerin mit den Latino-Roots: "It´s me at my bravest, most punk and most 'I don´t give a fuck'." Alynda Segarra wäre aber nicht Alynda Segarra, wenn sie dem nichts weiter Reflektiertes hinzufügen würde.
"It scares me, in a way. But I think it is more possible in a way now to really stay firm in your beliefs and remain true to yourself. I love Solange, and Kendrick Lamar. There are a lot of people out there that I´m looking to for a guide as to how to do it."
Vom Leben in der amerikanischen Großstadt singt Alynda Segarra im ersten Song am neuen Album, das den Titel "The Navigator" trägt. "We´re just living in the city, where it´s hard", heißt es da. Es ist Sommer, spazierengehen am Fluß, und alle treffen sich am Flachdach. Klingt nach Party, ist es aber nicht, nein, "it´s hard, it´s hard, it´s hard", singt Alynda Segarra mit diesem Rock-Timbre à la Patti Smith in der Stimme. Das Herz ist eben 'a lonely hunter', wie Alynda Segarra in "Living In The City" feststellt. Aber da ist auch ein Hauch von Nina Simone in den Songs.
The Heart Is A Lonely Hunter
Die Träume sind weggepackt und man schreit den Frust vom Flachdach hinunter auf die Straße. Die Straße, die auch nicht mehr das ist, was sie einmal war. Gentrifizierung heisst das Stichwort. Die Menschen, die bisher einen Stadtteil bewohnten, müssen gehen, schließlich sind die Mieten nicht mehr leistbar, und man ist ohnehin nicht erwünscht, selbst wenn man das Geld mit Müh und Not aufbringen würde.
![© Sarrah Danziger Hurray for the Riff Raff in der Straße](../../v2static/storyimages/site/fm4/20170313/Horray_for_body.jpg)
Sarrah Danziger
Wem solche schweren, sozialkritischen Inhalte die Stimmung trüben, die Songs - kraftvolle Balladen, leidenschaftlicher Rock oder auch schon mal Latin-Rhythmen - dürfen selbstverständlich auch ohne größere Beschäftigung mit ihren Themen gehört werden, auch wenn man hier natürlich an den Texten, die mal sanft und mal zornig sind, nie komplett vorbeikommt.
Ready For The World
Aber insgesamt verzweifelt Alynda Segarra ja nicht, sondern nimmt es beherzt mit allem auf, was sich ihr in den Weg stellt. Im verführerischen Dark-Pop-Song "Hungry Ghost" - der eine Prise Rocklady-Vibe à la Pat Benatar hat - heißt es: "I´ve been a lonely girl, but I´m ready for the world."
Alynda Lee Segarra wuchs in der South Bronx von New York auf. Mehr oder weniger auf der Strasse, wie sie jedenfalls sagt, und es gibt grundsätzlich keinen Grund, ihrer Biografie nicht zu glauben, auch wenn Dinge wie auf einen Frachtzug aufzuspringen und so von New York nach L.A. zu gelangen wohl die wenigsten praktizieren würden. Mit 17 soll Alynda Segarra das erste Mal mit dieser Art zu reisen New York verlassen haben, wo sie von ihrer Tante großgezogen wurde und als Teenager Stammgast bei Hardcore-Punkkonzerten war.
Als Alynda Segarra ein Kind war, hörten sie und ihre Tante Nereida viel klassischen Motown Soul und alte Rhythm & Blues-Balladen. Das kommt in der Musik von Hurray for the Riff Raff dann auch gelegentlich durch, etwa im Song "Rican Beach", der ein klein wenig an Thao And The Get Down Stay Down erinnert. Thao Nguyen, die Amerikanerin mit vietnamesischen Wurzeln, hörte als Kind zusammen mit ihrer alleinerziehenden Mutter ebenfalls gerne alte Soulmusik vom Motown-Plattenlabel - Diana Ross und die Supremes, Marvin Gaye oder The Temptations. Aber auch etwa John Lennon ist ein Einfluss auf die Musik von Alynda Segarra; das zarte Piano in "Rican Beach" erinnert an Lennon. Und auch die ebenfalls bereits verstorebene New Yorker Songwriterin Laura Nyro ist ein Vorbild für Alynda Segarra.
![© Pias/Coop/Ato Albumcover US-Band Hurray For The Riff Raff 2017 Frau: dunkelrote SAmthose, rote Matrosenmütze, blauer Blazer; Stadt, Fahrrad, abends, dunkel, Lichter aus Haus](../../v2static/storyimages/site/fm4/20170312/51jIKu3X5cL__AC_US218__body_small.jpg)
Pias/Coop/Ato
Brick And Bread
Die Stadt zieht sich wie ein roter Faden durch das Album von Hurray for the Riff Raff. Orte wie New York, Los Angeles oder auch New Orleans, wo Alynda Segarra ebenfalls einmal zu Hause war. "I wonder how long I´m gonna settle", heißt es in "Settle", einem Stück, das in der Tat wie ein Song von Patti Smith beginnt: "Every night before I go to sleep", singt Alynda Segarra, aber wo Patti Smith dann im Text zu "Free Money" nach Perlen taucht, geht es bei Hurray for the Riff Raff um die Straße, den Beton und die Ziegelsteine, und - wie in Patti Smiths "Free Money" - um den Mangel und die Armut: "I listen long to the bustling streets, they raised me up on brick and bread." Die Streicher seufzen zart und oldschoolhaft im Hintergrund, ja, bäumen sich dann gar auf, während Alynda Segarra vom Kommen und Gehen singt. Wohin des Weges, junge Frau?
Wenn Patti Smith Puertoricanerin wäre, dann würde sie klingen wie Hurray for the Riff Raff. Ach ja, und eine Prise frühe 80er Jahre Rock Chick à la Pat Benatar ist auch gelegentlich dabei. Rebel Rock, Punk Poetry, Dark Pop, sozialkritischer Singer/Songwriter Pop, oder was immer es genau ist, die Musik von Alynda Segarra ist jedenfalls insgesamt hochaktuell und berührend.
Hurray for the Riff Raff spielen am 31.3.2017 in München.
"The Navigator" ist eigentlich ein Konzeptalbum, in dem es vor allem um Identität geht und um den Druck der Herkunft. In der Story durchquert das Straßenkind Navita auf der Suche nach sich selbst eine brennende Stadt. Die Geschichte von Navita, der Hauptprotagonistin, ist natürlich der von Alynda Segarra selbst sehr ähnlich.
"Nothing´s Gonna Change That Girl" heißt dann auch ein Song am neuen Album von Hurray for the Riff Raff, und ein anderer wiederum trägt den Titel "Pa´lante", was die verkürzte, Latino-Streetstyle-Version von 'para adelante' ist und soviel wie 'go forward' bedeutet. Alynda Segarra Superstar, go, girl, go!
"The Navigator" wurde in New York und Los Angeles eingespielt und produziert von Paul Butler, der auch schon mit Musikern wie Devendra Banhart und Michael Kiwanuka im Tonstudio war.