Erstellt am: 20. 3. 2017 - 17:42 Uhr
Mit der Weisheit am Ende
Schon die ursprüngliche Iron Fist aus den Marvel Comics ist nie rasend populär gewesen – möglicherweise ein guter Ansporn für Netflix, eine kaum spannende Figur vom Papier im Show-Format zu neuem Leben zu erwecken, mit Glitzer auszustatten.
Mit Ausnahme des Daredevils sind auch die anderen Kollegen, mit denen Iron Fist Ende des Jahres das Superhelden-Quartett "The Defenders" für den Screen formieren wird – Jessica Jones und Luke Cage – bislang nicht unbedingt die Superstars unter den Helden gewesen. Mit den Serien zu Jones und Cage hat Netflix jedoch mehrdimensionale Figuren entworfen und neu gedacht, solides Spannung-Entertainment und politischen Subtext mitgeliefert.
Netflix
Letzten Freitag sind alle 13 Episoden der ersten Staffel von "Marvel's Iron Fist" online gegangen, und so ziemlich alles, was man soweit über die Serie an Lauem und Ungutem gehört hat, ist wahr. Punktuelle Lichtblitze, Sympathie-Werte für das Darsteller-Ensemble und kurze Momente von wohl unfreiwilligem Witz können die Serie kaum retten.
Eine Superhelden-Show, die nichts zeigt, was wir nicht schon gesehen haben – bloß öder. Langatmig, orientierungslos, bisweilen politisch dezent fragwürdig. Die Aufregung darüber, weshalb man hier die Hauptrolle eines in fernöstlichen Martial-Arts-Techniken topgewaschenen Kämpfers denn nicht mit einem asiatisch-amerikanisch-stämmigen Schauspieler, sondern einem typischen White Guy besetzt habe, ist angesichts der Qualität der Show nur ein - absolut diskussionswürdiger - Faktor.
Auch das gegenteilige Argument hat Gewicht: Hätte nicht andersherum gerade ein asiatisch-stämmiger Darsteller in der Rolle des Kung-Fu-Könners alte Klischees bedient?
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Schon die Origin-Story des Superhelden Iron Fist ist abgegriffen: Ein Milliardärs-Söhnchen – in diesem Falle trägt es den Namen Danny Rand - verschwindet nach einem mysteriösen Flugzeugabsturz im Nirgendwo des Himalaya und wird recht schnell für tot erklärt.
Nach gut fünfzehn Jahren taucht Danny aus dem Nichts wieder in der Heimat New York auf, seine Eltern sind bei dem Absturz ums Leben gekommen, den familiären Konzern haben mittlerweile Menschen übernommen, die man einst für Freunde gehalten hatte.
Die freuen sich nicht so sehr über den Neuankömmling, der den eigenen Komfort wohl erschüttern dürfte. Was will Danny Rand nun? Gerechtigkeit, Anerkennung, seine Identität beweisen, bald Rache.
Hauptdarsteller Finn Jones – kennt man als Ser Loras Tyrell aus "Game of Thrones" – gibt diesen Danny Rand durchaus liebenswert und großäugig als eine Art leicht naiven Hippie-Dude, der gerade von seinem Vietnam-Trip zurückgekommen ist und seinen ersten Glückskeks gesehen hat.
In der Obhut mystischer Mönche aus anderer Dimension, so erfahren wir, hat er hyperavancierte Kampftechniken erlernt. Seine Superpowers sind also auch eher mittelmäßig: Er ist katzenhafter Springer, Treter und Wirbler, wenn er sich sehr konzentriert, kann er eine geheimnisvolle Energie heraufbeschwören – seine rechte Hand beginnt dann, gelb zu leuchten und er kann besonders heftig zuschlagen.
Bevorzugt läuft er barfuß herum, mit Bartwildwuchs im Gesicht und blondbräunlichem Wuschelhaar und sagt Dinge wie: "The Purpose of Life is Finding Your Purpose".
Wie auch schon "Jessica Jones", "Luke Cage" und "Daredevil" inszeniert "Iron Fist" seine Hauptfigur als einen Helden, der noch keiner ist und vielleicht auch keiner sein will. Danny Rand muss sich erst in der ihm fremden, neuen, oft unverständlich erscheinenden Welt zurechtfinden, sich selbst finden. Sein Temperament zwischen buddhistisch gemeinter Ruhe und Hitzköpfigkeit ausbalancieren.
Danny Rand ist noch nicht ganz zu Iron Fist geworden und trägt auch (noch) nicht dessen klassisches, schrill-schönes Kostüm in Gelb-Grün. Er schlängelt sich durch das ebenfalls wie in den anderen "Defenders"-Shows in Noir-Licht getauchte New Yorker Viertel Hell's Kitchen und verkloppt Kleinganoven und jagt Superninjas. Man muss es so sagen: Superninjas.
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Ein paar Nebenfiguren glänzen, beispielsweise die Bösewichte der Familie, die den Rands ihr Vermögen abspenstig gemacht hat, oder auch Jessica Henwick (ebenfalls: "Game of Thrones) als neu gefundene Mitstreiterin und Love Interest – Henwicks Figur ist jedoch und natürlich mehr oder weniger die erste Person, der unser ratloser Held in einem Park zufällig über den Weg läuft, und, wie es der Zufall so will, ist sie natürlich Leiterin einer Kampfsportschule.
So funktioniert die Dramaturgie der Show: Der Plot wird ohne Umwege und ohne Rätsel bloß im Sinne von Zwangsmechanik nach vorne gepeitscht. Wohin, weiß niemand. Es werden die Dinge gesagt, die immer schon in Fernseh-Serien gesagt worden sind.
Zudem: Dies ist eine Show über Martial Arts, die Kampfszenen sind dabei so unspektakulär wie zehn Jahre vor Erfindung von "The Matrix". Das soll wohl Street-Nähe und Erdigkeit übermitteln, schmeckt aber bloß nach Ratlosigkeit. Außerdem: Fernöstlicher Zinnober, pseudospirituelle Klischees, matte Sinnsprüche.
Die erste Season von "Marvel's Iron Fist" ist gut 13 Stunden lang, es fühlt sich wie 15 Jahre an.