Erstellt am: 16. 3. 2017 - 15:28 Uhr
"Festplattenabgabe": Amazon muss zahlen
Beim Kauf von Datenträgern bzw. von Computern, Smartphones und anderen Geräten mit eingebauten Speichermedien kommt ein Teil des Kaufpreises Musikschaffenden und anderen Künstlern zugute. Gedacht ist das als Ausgleich für Downloads und Kopien. Der Internet-Versandhändler Amazon wollte jedoch – am Schluss als einziger Händler – die Speichermedien-Vergütung nicht bezahlen.
Seine Weigerung, die Speichermedien-Vergütung – oft auch als „Festplattenabgabe“ bezeichnet – abzuführen, hat Amazon so begründet: Die österreichischen Verwertungsgesellschaften würden gegen das EU-weite Diskriminierungsverbot verstoßen, weil sie nur in Österreich tätige Künstler fördern und nicht alle EU-Künstler. Der Rechtsstreit ging seit 2007 durch alle Instanzen bis zum Europäischen Gerichtshof, der den Fall zurück nach Österreich an den Obersten Gerichtshof verwies. Dieser hat jetzt – nach zehn Jahren – Amazon zur Rechnungslegung und Zahlung der Speichermedien-Vergütung verurteilt. Paul Fischer von der Verwertungsgesellschaft Austro Mechana ist erfreut: „Es besteht endlich Rechtssicherheit für die Kunstschaffenden.“
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Welchen Betrag Amazon nun der Austro Mechana - rückwirkend für die Verkäufe von Speichermedien seit 2002 - schuldet, werden erst nach der vom OGH angeordneten Rechnungslegung durch den Händler wissen. Es handelt sich wahrscheinlich um einen Millionenbetrag - der letztlich Künstlerinnen und Künstlern zugute kommt.
Musikerinnen und Musiker, Filmschaffende, Literaten und bildenden Künstler profitieren durch die Festplattenabgabe auf mehrere Weise. Einerseits wird die Hälfte der Einnahmen direkt an die Kunstschaffenden ausgeschüttet. Die andere Hälfte geht – das ist gesetzlich festgelegt – an die sogenannten sozialen und kulturellen Einrichtungen der Verwertungsgesellschaften, die damit Projekte fördern können. „Auch Nachwuchs soll dadurch gefördert werden“, sagt Fischer. „Und nicht zuletzt werden auch soziale Notlagen von Kunstschaffenden damit abgefangen und gemildert.“ Will eine Künstlerin oder ein Künstler eine solche soziale Zuwendung erhalten, muss er oder sie einen Antrag stellen und bestimmte Anspruchskritereien erfüllen. Der Antrag wird von einem Gremium geprüft und bei Bedarf gewährt.
Anträge und umfangreiche Projektbeschreibungen zu erstellen ist auch gefragt, wenn man z.B. als Band eine Förderung für ein Album erhalten will. Eine solche Förderung läuft z.B. über den Österreichischen Musikfonds, der sich zum Teil ebenfalls aus Geldern der Speichermedien-Vergütung, aber auch aus Mitteln des Bundeskanzleramts, des ORF und der Wirtschaftskammer speist. Im Herbst 2016 zog der Österreichische Musikfonds für viele Musikschaffende überraschend seinen Call für die Einreichung zur Förderung von Album-Produktionen zurück – wegen des Rechtsstreits mit Amazon. Denn es lagen bereits zwei für die Austro Mechana negative Entscheidungen des Handelsgerichts und des Oberlandesgerichts Wien vor. „Die Gelder wurden bis zur endgültigen Entscheidung im Amazon-Verfahren eingefroren“, sagt Fischer. „Es ging dabei um die unternehmerische Sorgfalt und die Haftung.“ Viele Bands und deren Alben konnten deshalb 2016 nicht gefördert werden.
Aufgrund der Entscheidung des OGH fällt nun die Rechtsunsicherheit weg. Der Österreichische Musikfonds fördert wieder Alben, und auch die Computer- und Elektronikhändler wissen wieder, woran sie sind. Letztere hatten sich mit Ausnahme von Amazon bereits vor dem OGH-Urteil außergerichtlich mit der Austro Mechana geeinigt. 2016 erklärten sich sogar Riesen wie Apple und Samsung dazu bereit, Entgelte für ab 2012 verkaufte Smartphones und für ab 2010 verkaufte Festplatten und Tablets zu überweisen. Als Berechnungsgrundlage dienen Tarife, die von Verwertungsgesellschaften und der Wirtschaftskammer ausgehandelt wurden. „Ich habe den Eindruck“, sagt Paul Fischer, „dass auch die Branche jetzt sehr froh ist, dass hier nicht mehr weitergestritten wird.“