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13. 3. 2017 - 11:30

Sargnagel is here to stay

Ein Kommentar von Hosea Ratschiller zur Lage der Nation.

Ich finde Stefanie Sargnagel ziemlich lustig, wir hosten gemeinsam eine Lesebühne und vielleicht gehen wir demnächst sogar spazieren. Erwarten Sie also keine Äquidistanz, wenn ich die niederträchtige Hetzkampagne der Kronen Zeitung und diverser anderer Halbstarker (inklusive eines Nationalratspräsidenten) gegen meine Kollegin kommentiere.

Dass Statusmeldungen eine Kunstform sein können, das weiß das deutschsprachige Feuilleton seit Steffi. Sie bespielt die Möglichkeiten und Regeln von Social Media, wie keine andere Humoristin zuvor. So hat sie breite gesellschaftspolitische Debatten ausgelöst. Ihre Postings aus dem Callcenter, zu Fluchtbewegungen oder Geschlechterrollen formulieren mit hoher Trefferquote bisher Unerzähltes. Sie stehen künstlerisch auf Augenhöhe neben satirischen Landmarks wie dem Herrn Karl, Edmund Sackbauer oder Adolf Kottan. Was sie macht ist relevant, funktionell und lustig. Deshalb performt ihr Zeug auf Facebook jenseits von Zielgruppen wie sonst nur Katzenbilder. Und jetzt will sie der nationalkonservative Bodensatz also ausgerechnet als Katzenbaby-Treterin in sein Universum integrieren. “Steffi kickt uns die Katzerln aus der Timeline und ersetzt sie durch Inhalte. Hm. Machen wir sie eben selber zum Katzerl!”

Das wird nicht klappen. Ihr habt euch mit der Falschen angelegt, ihr feigen Hunde.

Sagrnagel nimmt Publikumspreis entgegen

APA/GERT EGGENBERGER

Stefanie Sargnagel nimmt im Juli 2016 den Bachmann-Publikumspreis entgegen, dazu der traditionelle Gruß der Burschenschaft Hysteria.

Die enorme Publikumswirksamkeit der Stefanie Sargnagel wurde von der Hochkultur schneller überzuckert als vom in Österreich und Deutschland ultrakonservativen Unterhaltungsbetrieb. Anderswo wäre sie jede Woche in einer komödiantischen Panel-Show eingeladen. Bei uns führt sie die Auftragslage zum Bachmannpreis. Oder man bittet sie um Hilfe, damit auch mal ein paar moderne Menschen atemlos auf einen Artikel über Bayreuth warten. Das ist schon OK. Sie zieht sogar in gespenstischen Umfeldern angstfrei ihr Ding durch, lässt sich von weihevollem Gehabe nicht anstecken und 5 Minuten nach den Nibelungen schreibt sie wieder über den Sehnsuchtsort Eduscho. So cool muss man erstmal sein. Sogar wenn, so wie jetzt das höchstsubventionierte Printmedium des Landes in bizarren Hetzartikeln Steffis Wohnadresse durchgibt, vermag sie das Geschehen noch analytisch einzuordnen. Eure Opferrolle könnt ihr behalten!

Hosea Ratschiller

Ratschiller

Hosea Ratschiller ist Kabarettist, Autor, Radiomacher, Moderator, Regisseur und Schauspieler. Und außerdem der FM4 Ombudsmann.

Aber warum passiert all das überhaupt?

Österreichs Kulturbetrieb trennt verbissen zwischen ernsthafter Kunst und Unterhaltung. Das bremst unsere demokratische Entwicklung ähnlich hartnäckig, wie die Trennung von Hauptschule und Gymnasium. Alle wissen das. Niemand ändert es. Manche profitieren davon. Aber Stefanie Sargnagel hat eine Sprache gefunden, die diese Kaltstellungen überwindet. Wer ihren satirischen Blick mit einer zynischen Beobachterinnenposition verwechselt, übersieht eigentlich alles. Die Texte strotzen vor Involviertheiten, Selbstironie und Menschenfreundlichkeit. Deshalb wirkt Steffis Arbeit so aufwühlend, befreiend und unterhaltsam auf sehr viele Menschen aber bedrohlich auf eine Handvoll chauvinistischer Antidemokraten.

Vor allem mit der Burschenschaft Hysteria haben Sargnagel und ihre Mitstreiterinnen voll ins Schwarze getroffen. Detailliert, präzise und lustvoll wird der männerbündlerische Blick auf die Welt als ein Hoheitsgebiet, das dem Burschen naturgemäß zusteht, feministisch gespiegelt. Der Akademikerball wird vor Ort sichtbar umgewidmet, Saalschutz für Jelineks Schutzbefohlene gemacht oder eine deutschnationale Bude übernommen. Derart progressiven Aktionismus hat Österreich seit der Volxtheaterkarawane oder Schlingensiefs Container nicht gesehen. Kein Wunder, dass die Halbstarken Schiss kriegen. Davor fürchten sie sich doch am meisten: Frauen, die tun, was sie wollen. Weil die wählen jemand anderen. Und manchmal sogar einen Flüchtling.

Der vergangene Bundespräsidentenwahlkampf war für die Neo-Austrofaschisten der historische Höhepunkt ihrer Wirkmacht. Sie haben, besoffen vom unmittelbar bevorstehenden Endsieg ihre große Chance versemmelt. Von jetzt an geht’s bergab. Das wissen sie genau. In den kommenden Jahren werden sie sich bei jedem Schritt zurück in die Bedeutungslosigkeit aggressiver an die Symbole ihrer schwindenden Potenz klammern.

Gerade von waidwunden Schlafbären geht reale Gefahr aus. Und eine Elite kann noch so kaputt sein, wenn sie eine Künstlerin quasi für vogelfrei erklärt, hört sich der Spaß auf. Eine Gesellschaft, die für sich in Anspruch nimmt, demokratisch zu sein, kann derlei nicht schulterzuckend akzeptieren und zur Tagesordnung übergehen. Eine Republik muss Hetze von oben auf sämtlichen Ebenen entschieden zurückweisen. Und zwar jenseits von Geschmacksfragen. Wer sich diese Mühe erspart, nimmt Schuld auf sich.

Warum das große “So nicht!” von KollegInnen über demokratisch gesinnte Medien bis hin zum Bundespräsidenten bisher ausbleibt, ist mir ein völliges Rätsel. Aber ich bin zuversichtlich, dass diese absurden Angriffe eher auf Machtverlust hindeuten, als auf sein Gegenteil. Weil Stefanie Sargnagel is here to stay. Und die Hetzer müssen schon dankbar sein, wenn sie dereinst als Fußnoten in ihren Büchern vorkommen.