Erstellt am: 25. 3. 2017 - 15:23 Uhr
"Tote Mädchen lügen nicht"
Der amerikanische Autor Jay Asher stand eines Tages im Museum und war mehr noch als von der Ausstellung von der Stimme in seinem Ohr fasziniert, die ihm Informationen zuflüsterte. Wie Geheimcodes, die nur unter Agenten getauscht werden.
cbt
Die Serie "Tote Mädchen lügen nicht" basiert auf dem gleichnamigen Roman von Jay Asher.
Grund genug, einen Bestseller zu schreiben.
2007 erscheint "13 Reasons Why" in Romanform, leider etwas unglücklich mit "Tote Mädchen lügen nicht" übersetzt. Teenie-Lektüre, die reißerisch erzählt, und weniger wegen ihrer sprachlichen Vielfalt als vielmehr aufgrund des scheinbar auf jeder zweiten Seite wartenden Cliffhangers von unzähligen Jugendlichen nur so verschlungen wurde. Nun hat Netflix den Roman zur Serie gemacht.
Da sagte die Stimme aus dem Off...
"Hi, it’s Hannah. I’m to tell you the story of my life. More specifically: why my life ended."
Netflix
Mit diesem dramatisch inszenierten Satz stürzen wir ins Geschehen hinein: Die Highschoolschülerin Hannah Baker hat sich umgebracht. Aber kurz bevor sie das getan hat, hat sie dreizehn Geschichten auf Band aufgenommen - dreizehn Geschichten über dreizehn Personen, denen sie die Schuld an ihrer Tat gibt.
Als Jay Asher begann, seinen Roman zu schreiben, ist die Anzahl an Suiziden bei Teenagern in den USA wieder deutlich angestiegen. Ist die Suizidrate in den 1980ern und 1990ern noch gesunken, so hat sich das seit der Jahrtausendwende leider geändert. Vermehrt weibliche Jugendliche nehmen sich das Leben.
Serien auf FM4
Die Personen, an die Hannah ihre Stimme richtet, bekommen ein Päckchen mit Kasetten per Post zugestellt. Hat einer der dreizehn Protagonisten alle Kassetten durch, ist er verpflichtet, sie an die nächste Person auf der Liste weiterzuschicken. Wenn nicht, droht Hannah, so gebe es Duplikate, die im Falle des Nichtweitersendens in Umlauf gebracht werden.
Netflix
Wir lernen den armen Clay Jensen kennen, einen unauffälligen, korrekten Mitschüler, der sich durch die Kassetten quälen soll und in Hannah verliebt war. Als eine der wenigen Personen, die es scheinbar wirklich ehrlich mit der jungen Schülerin gemeint haben, versteht er überhaupt nicht, was er mit der ganzen Sache zu tun haben soll. Mit jeder neuen Kassette, die er einlegt, bleibt sein Herz kurz stehen - so wie das der Zuseher. Wann kommt endlich sein Name dran?
Netflix
Kapitel für Kapitel führt uns Hannah Baker, deren Stimme aus dem Off einen dezenten, aber doch Oldschool-Horrorschauer erzeugt, durch die Gerüchteküche einer amerikanischen Highschool: Diese ist voll von protzigen Baseballspielern, die auf Partys die Hände nicht von viel zu betrunkenen Mädchen lassen können und von angeblichen Freundinnen, die sich als rücksichtslose Schlangen entpuppen.
Netflix
Clay beginnt, seine Mitschüler durch Hannahs Augen zu sehen. Daraus ergeben sich satirisch überzuckerte Szenen, als etwa Hannahs ach so gute Freundin Courtney auf Clay vorm Schulgebäude zusaust, ihn erst einmal in die Arme nimmt, "Sweetie" neckt und ihm erklärt, sie habe "viel an ihn gedacht". Immerhin müsse man "in so einer schweren Lage doch zusammenhalten, oder etwa nicht?". Das oberflächliche Gefasel wird von einem "Ich freue mich, dass wir uns so gut unterhalten haben!" und einem Küsschen beendet. Ach, du klebrige, faszinierende Verlogenheit.
Netflix
"Tote Mädchen lügen nicht" ist ein Highschool-Drama mit klassischem Flair, man sieht die bekannten gelben Schulbusse, die Basketball-Bombertrainingsjacken, dekorierte Schulspinds und kreischende Cheerleader. Aber zusätzlich zu plakativen Highschool-Klischees breitet die Geschichte ein unangenehmes Thema sehr direkt und ungeschönt auf. Gerüchte zerstören den Ruf der eben erst in die Stadt gezogenen Hannah, die Schritt für Schritt wortgemäß aus ihrem eigenen Leben gemobbt wird.
Ein Aspekt, der der Mobbing-Thematik noch hätte hinzugefügt werden sollen, ist der Einfluss von Social Media. Facebook, Instagram und Co sind erst ab den 2010er Jahren wichtige Player der Hass-im-Netz-Debatte geworden - der Roman wurde davor veröffentlicht. Nicht aber die Serie, diese wurde natürlich aktuell produziert - und das unter anderem von der an Online-Shitstorms nicht unerfahrenen Sängerin und Schauspielerin Selena Gomez - thematisiert den Aspekt von Social Media aber nicht.
"Tote Mädchen lügen nicht" kann man ab 31.3. auf Netflix sehen.
Zwar sieht man gleich in einer der eröffnenden Szenen der Serie, wie zwei Mädchen vorm Spind der toten Hannah schnell noch ein Selfie schießen, ein Beispiel dafür, wie oberflächlich Verlust, Trauer und Anteilnahme online inszeniert wird (#neverforget). Das bleibt aber über weite Strecken die einzige Einbindung sozialer Netzwerke in das Teenager-Drama, was den Realitätsanspruch der Serie notgedrungen mindert.