Erstellt am: 8. 3. 2017 - 19:00 Uhr
Lang lebe der König
Es war ein Sonntagnachmittag, der meine ganze Kindheit prägen sollte. Zum ersten Mal ganz ohne elterliche Begleitung durfte ich, zusammen mit ein paar Volksschulkollegen, ins heimatliche Provinzkino pilgern. Nach Schlüsselerlebnissen mit gefährlichen Schwiegermüttern ("Schneewittchen"), finsteren Jägern ("Bambi") und traumatischen Kinderfängern ("Chitty Chitty Bang Bang") folgte der wahre harte Stoff.
"King Kong - Frankensteins Sohn", eine alte Billigproduktion der japanischen Toho-Studios, realisiert in Modellbau-Eisenbahn-Kulissen, mit Monsterdarstellern in Gummikostümen, ließ mich vor Anspannung im Kinosessel erstarren. Im Vergleich zu anderen Filmen plagten mich danach aber keine Albträume. In grenzenloser Faszination erzählte ich meiner gesamten Umgebung stundenlang von dem beeindruckenden Riesenaffen, der in dem Sci-Fi-Movie gegen Dinosaurier und Killer-Roboter kämpfte.
Vom legendären originalen King Kong aus Hollywood, der 1933 mittels Stop-Motion-Tricks die Welt erschütterte, wusste ich damals noch nichts. Mich kleinen, steirischen Sprössling begeisterten die Latexkreaturen, die putzige Studiodekors zerstampften; der Virus der japanischen Monstermovies hatte mich erfasst. Es gab dann auch kein Zurück mehr, Godzilla und Co. warteten sonntäglich im kleinen Kinosaal auf ihren größten Fanboy.
Constantin Film
Teurer Trash in 3D
Als ich letzte Woche, als Abgesandter von FM4, in London die europäische Galapremiere zum Blockbuster "Kong: Skull Island" besuchen durfte, musste ich an diese kindliche Initialerfahrung zurückdenken.
Im Gegensatz etwa zu Peter Jackson, der seine Obsession für den alten Schwarzweiß-King-Kong 2005 in einem nostalgischen Big-Budget-Remake auslebte, war mir der wehmütige Mythos rund um "The Beauty and The Beast" immer relativ egal. Natürlich rührte es mich, wenn das Dschungelwesen am Ende vom Empire State Building stürzte, getötet von der Zuneigung zu einer blonden Frau. Aber im Grunde wollte ich den mythischen Affen einfach immer bloß im Zweikampf mit fiesen Kreaturen oder einem ebenbürtigen Gegner wie meinem Lieblingsmonster Godzilla sehen.
"Kong: Skull Island", das neueste Abenteuer rund um das (diesmal wirklich denkbar) größte Pelztier des Planeten, erfüllt diesen Wunsch auf spektakuläre Weise. Der Jungregisseur Jordan Vogt-Roberts hat ein mega-aufwändiges B-Movie gedreht, einen Film, der wirkt wie ein trashiger Nippon-Monsterfilm aus den 70er Jahren, allerdings mit einem Budget von 200 Millionen Dollar aufgepimpt. Mensch-Monster-Romantik sucht man hier ebenso vergeblich wie Emotionen generell, die Reißbrett-Charaktere wirken einer Pulpnovel aus der Groschenroman-Schwemme entliehen, dafür gibt es jede Menge umwerfender Ungeheuer-Action in 3D und Surround-Getöse.
Warner
Ape-ocalypse Now
Ach ja, einen besonderen Twist hat der Film schon noch parat. "Kong: Skull Island" spielt direkt nach dem Ende des Vietnam-Kriegs und greift, auf bewusst plakative Weise und mittels Instagram-Retro-Ästhetik, den Spirit des 70er-Kinos auf. Jordan Vogt-Roberts, ein aus dem Indiebereich und Comedysektor kommender Filmgeek mit bodenlangem Hipsterbart, ist zwar gerade mal Dreißig, aber auf fast schon fetischistische Weise in das Kino dieser Ära verknallt.
Im "Apocalypse-Now"-Zitat-Modus, mit entsprechenden Helikoptern und Angriffsmusik vom Tonband, schickt er ein kleines Team aus Forschern und Militärangehörigen auf die mysteriöse Totenkopfinsel. Dort wird die amerikanische Reisegruppe nicht nur gleich von einen Kong in Hochhausgröße entschieden dezimiert. Die anderen Urwelt-Ungetüme, die dort kreuchen und fleuchen, wirken noch um einiges unangenehmer.
Wie gesagt, ein klassischer King-Kong-Film ist das bewusst nicht, an der blonden Antikriegs-Fotografin innerhalb der Truppe, verkörpert von Brie Larson ("Room"), ist der Affengott eher nur am Rande interessiert. Auch Stars wie Tom Hiddleston als britischer Indiana-Jones-Verschnitt, Samuel L. Jackson als fanatischer Militärbefehlshaber oder John Goodman und John C. Reilly in Nebenrollen wirken bloß wie hochbezahlte Statisten. Der König heißt eindeutig Kong, die Effektszenen gehören zum Atemberaubendsten, was je auf einer Festplatte kreiert wurde.
Warner
Ein monströses Kino-Universum
Es war ein langer Weg, denke ich mir, als im Londoner Premierenkino die Schlusscredits abrollen, von den schönen Schundstreifen der Vergangenkeit bis zum monströsen Blockbuster-Kino der Gegenwart. Dabei eröffnet sich mit "Kong: Skull Island" auch ein eigenes Kino-Universum. Die amerikanische Firma Legendary Pictures, die bereits 2014 mit "Godzilla" so würdig wie erfolgreich das ikonische Riesenmonster animierte, sicherte sich nämlich die Rechte am Monsterfundus der japanischen Toho Company und plant in Zukunft, im wahrsten Sinn des Wortes, Großes.
Rund um die geheimnisvolle Regierungsagentur Monarch, die in Vogt-Roberts Film auch hinter dem Trip auf Skull Island steckt, wurde eine Backstory entwickelt, die sich durch sämtliche kommenden Spektakel thematisch durchziehen soll. "Godzilla - King of Monsters" verspricht 2019 auch, so munkelt man, langjährige Fanfavoriten wie die Riesenmotte Mothra ins Spiel zu bringen. "Godzilla vs. Kong" führt 2020 schließlich die Rivalen im überdimensionalen Boxring zusammen, inklusive unzähliger anderer M.U.T.O's aka "Massive Unidentified Terrestrial Organism", die sich ins Gefecht werfen.
Der seltsame Kulturtransfer, der dabei stattfindet: Während die Hollywood-Firma Legendary den infantilen Vergnügungspark-Spirit der Kaiju-Streifen aus den 60ies und 70ies in die Gegenwart übersetzt fortführt, nähern sich die Erfinder aus Fernost ihrem Erbe todernst. Im leider etwas zähflüssigen Toho-Epos "Shin Gojira" aus dem Vorjahr kehrt Godzilla als wandelndes Symbol der Zerstörung nach Tokio zurück, wir verfolgen ratlos diskutierende Politiker in Katastrophenszenarien, die eindeutig die Fukushima-Krise aufarbeiten.
Mir als Liebhaber sämtlicher gigantischer Viecher sind aber alle Varianten recht, ob seriös umgesetzt oder herrlich hirnverbrannt, gebt mir Saurier, Riesenspinnen oder einen Affen, der Hubschrauber wie Obst vom Himmel pflückt. Gebt mir Monster und ich bin glücklich.
Warner
Ein Gespräch mit Hauptdarsteller Tom Hiddleston über Oldschool-Monstermovies, sein Pendeln zwischen Kunstfilmen und Mainstream und die ewige Faszination der 70er-Jahre.
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Ein Gespräch mit Regisseur Jordan Vogt-Roberts über den größten King Kong aller Zeiten, die diversen Einflüsse des Films und seinen Background im Indiekino.
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