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Jenny Blochberger

Film, Fantasy & Feminismus

8. 3. 2017 - 11:30

Wie man richtig Feministin ist

Am Beispiel Emma Watson.

Aufgrund eines Fotoshootings und des darauffolgenden Aufschreis müssen wir uns wieder mal mit der Frage beschäftigen: Dürfen Feministinnen ihre Titten herzeigen?

Die einfache Antwort auf die eingangs gestellte Frage ist natürlich: ja, Feministinnen dürfen alles. Die komplizierte Antwort ist: naja.

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Der Fall: Schauspielerin Emma Watson, gesegnet und gebrandmarkt gleichzeitig durch die ewige Assoziation mit ihrer Rolle der belesenen, klugen (aber auch ziemlich Goodie-Two-Shoes-mäßigen) Hermione Granger in den Harry-Potter-Filmen, setzt sich seit einiger Zeit sehr aktiv für Frauenrechte ein. Sie ist UN-Sonderbotschafterin für Frauenrechte, hat als solche die Aktion HeForShe mitbegründet, eine vielbeachtete Rede vor der UNO gehalten und spricht in jedem Interview über das Thema Feminismus.

Schauspielerin Emma Watson

VALERIE MACON / AFP

Vor kurzem hat sie ein Fotoshooting für das Glam-Magazin Vanity Fair gemacht; auf einem der veröffentlichten Bilder sieht man ansatzweise ihre Brüste.

OMG!

Verräterin!

So geht doch Feminismus nicht!

Und andere Ausrufe waren die Folge. Twitter und andere Social Media hatten, wie man so sagt, a field day.

Meine erste Reaktion war eher so: Bitches*, please. Lasst‘s
mir die Emma Watson in Ruhe. Ist doch super, wie sie sich mit ihrer Popularität und ihrer Kann-kein-Wässerchen-trüben-Ausstrahlung für den teilweise immer noch verrufenen Begriff Feminismus einsetzt. Gute Frau, weitermachen. Das letzte, was wir brauchen, ist eine Schiefertafel, auf der die unumstößlichen Gebote des Feminismus eingemeißelt sind, und alle, die gegen eins davon verstoßen, werden auf Twitter geteert, gefedert und eine Kollaborateurin mit dem Patriarchat geheißen.

*Männer mitgemeint

Aber, wie gesagt: naja.

Das gegenständliche Foto ist genau von jenem Male Gaze geprägt, mit dem Emma Watson bei der sich ebenfalls als Feministin deklarierenden Beyoncé ein Problem hatte. Das in solchen Fällen gern bemühte „Empowerment“ ist eine Ausrede, mit der man jegliches Popowackeln im skimpy Outfit rechtfertigen kann. Und ja, selbstverständlich gibt es mehrerlei Maßstäbe! Wir leben ja auch in der wirklichen Welt und nicht in einem Thomas-Brezina-Roman bar jeglicher Zwischentöne. Deswegen ist es auch was ganz anderes, wenn etwa Lena Dunham für ein Fashion Magazin topless posiert, weil Lena Dunhams nicht-schönheitsnormenkonformer Körper, platziert an einer Stelle, die traditionell ausschließlich für schönheitsnormierte Körper vorgesehen ist, an sich schon etwas Revolutionäres hat. Context matters.

Nichtsdestotrotz ist auch Emma Watson ein Mensch und die Aufregung über ihr kurzes Verlassen des feministischen Pfades ein wenig übertrieben. Klar kommt uns Emma jetzt mit „Beim Feminismus geht es um Wahlmöglichkeiten, keine Frau soll einer andere vorschreiben, was sie zu tun hat!“

Jo eh. Aber dann müsste man ja auch die Klappe halten, wenn Kellyann Conway von sich gibt „I look at myself as a product of my choices, not a victim of my circumstances”, oder müsste alle Musikvideos durchwinken, in denen Frauen total selbstbestimmt sexistische Stereotype bedienen. So einfach ist es halt nun mal nicht. Menschen dürfen/müssen sehr wohl an ihren Handlungen gemessen werden. Und als konventionell schöne Frau sexy Underboob in einem glamourösen Stylemagazin zeigen – da findet man den feministischen Zugang auch mit der Lupe nicht.

Don’t get me wrong: ich finde nicht, dass man deswegen auf die arme Emma eindreschen muss als hätte sie soeben das Lebenswerk von Gloria Steinem (die sie übrigens verteidigt hat) in einem antifeministischen Freudenfeuer verbrannt. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie selber gar nicht mehr so glücklich mit ihrer Entscheidung ist, dieses Foto freizugeben, aber das öffentlich zu machen würde die Diskussion vielleicht weiter hochkochen lassen, und sie will ziemlich sicher jetzt dann bald mal ihre Ruhe.

Prinzipiell bin ich dafür, auch in der Öffentlichkeit stehende Menschen als menschlich zu betrachten. Wie man hört, hatte Emma Watson schon öfter mit diesem Fotografen zusammengearbeitet, ihm also wohl vertraut, und da sagt es sich schon mal schneller „Ja, schönes Bild, vielleicht bissi gewagt, aber eigentlich gefall ich mir und die Leute sollten sich echt mal dran gewöhnen, dass ich nimmer 12 bin, sondern eine erwachsene Frau mit Brüsten. Passt, freigegeben!“

Dazu kommt noch, dass Schauspielerinnen in der Gehaltsklasse einfach an die Glamourwelt der inszenierten Schönheit gewöhnt sind; wenn man sich selbstverständlich in dieser Welt bewegt, bedarf es einer gewissen Anstrengung, deren Mechanismen ständig zu hinterfragen. Dass Emma Watson das einmal verabsäumt hat, ist menschlich verständlich; dass sie sich mit „Feminismus bedeutet Wahlfreiheit“ verteidigt, ist vielleicht kein Grund, mit der geballten Selbstherrlichkeit des feministischen Internets über sie herzufallen, aber halt auch kein gutes Argument. Vielleicht schon eher das: so groß ist jetzt der Unterschied zu einem Red-Carpet-Auftritt mit gewagtem Dekolleté auch nicht - das bekrittelte Foto zeigt genausoviel von unten, wie man sonst von oben sieht. Vielleicht sollten Stars wie Emma Watson also eher die Industrie bekämpfen, die freigiebig das Opium der unerreichbaren Schönheitsideale verteilt. Und sich damit selbst abschaffen. We won’t be holding our breath.