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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

5. 3. 2017 - 16:01

Mein Baby war beim Frisör

Der Song zum Sonntag: Methyl Ethel - "Ubu"

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Der Bandname ist schon gleich gar nicht mal so gut: Methyl Ethel. Kunstvoll verstiegen, bemüht vertrackt. Was er bedeuten mag, ist wohl ein bisschen egal, er präsentiert sich aber schon einmal als Rätsel. Hauptsache, schwierig auszusprechen.

Gerade ist unter dem Titel „Everything is Forgotten“ über das immer verlässliche englische Label 4AD das zweite Album von Methyl Ethel erschienen - es ist das erste, das als echte Band eingespielt worden ist.

Methyl Ethel

Methyl Ethel

Gestartet ist das Projekt, wie es so geht, als Ein-Mann-Projekt im Schlafzimmer, in diesem Falle erdacht, eingespielt und zusammengedoktert von einem jungen Mann namens Jake Webb.

Der hatte im heimatlichen Perth, Australien komische Träume und spinnerte Gedanken und hat sie zu kleinen verbeulten Popsongs geformt. Wavey, arty, schief, aber auch putzig - deshalb heißt Methyl Ethel auch Methyl Ethel. Mittlerweile ist Methyl Ethel ein Trio.

Der Song „Ubu“ ist prototypisch für die Gruppe – und auch einer ihrer besten. Das Stück entlehnt seinen Titel - wie es sich gehört - von dem Theaterstück „Ubu Roi“ von Alfred Jarry aus dem Jahr 1896.

Einem protodadaistischen Klassiker, surrealistische Ursuppe, verwirrter und verwirrender Stern für die Outsider, die Freaks und die Dagegegenseier. Sinn ist für die Funktionierer. Blödsinn siegt, Wirrwarr, Enigma, kryptischer Unfug, macht es nicht selbst! Auch die große Postpunk-Band Pere Ubu hat ihren Namen daher.

Das Wort „Ubu“ kommt im Song „Ubu“ von Methyl Ethel nicht vor, auch sonst wird nicht klar auf das Theaterstück Bezug genommen. So muss es sein. Bloß kunstkonnotierte Signale auslegen und die Hörerinnen und Hörer mit der Interpretation zurücklassen. Ist interessanter.

In vagen, knappen Bildern erzählt das Stück jedoch von den Feelings, die einem sagen, dass man nicht dazugehört, den Anschluss nicht findet und oft auch nicht finden will. Wir sind so blass, wir sind so besser, wir müssten aber doch vielleicht doch bloß mal raus gehen, in die Sonne.

Es klappert, eine Fistelstimme fistelt, es groovt spröde, es funkt trocken. Dreampop-Gitarre, haben sich diese drei dünnen Boys wohl von den frühen Cure abgehört, Handclaps.

Die diffuse Weirdness, die Koketterie mit Punk kombinieren Methyl Ethel mit einem unbedingten Schunkelhit und höchster Alltäglichkeit im Refrain:“Why did you have to go and cut your hair?“, heißt es da wieder und wieder. Mehr nicht.

Ist man durch den Haarschnitt vom Hippie zum Punk geworden? In eine andere Klasse gerutscht? Ist man bloß bei den Eltern in Ungnade gefallen oder für einen einstigen Lover nicht länger sexuell attraktiv? Tanzbar, die mühelose Verwischung vieler Assoziationen und Themenfelder.