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Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Lukas Lottersberger

Politik, Alltägliches und andere Kuriositäten.

3. 3. 2017 - 16:32

Die Codes der "Neuen Rechten"

Springerstiefel und Glatze waren einmal. Die "Neue Rechte" gibt sich hip und modern. Hinter der Fassade gekaperter Memes und weichgezeichneter Instagram-Bilder verstecken sich freilich die alten Parolen.

Die Identitäre Bewegung (IB) gilt seit Jahren als eines der bekanntesten rechtsextremen Gespenster in Europa. Auch in Österreich ist die ursprünglich in Frankreich gegründete "Bewegung" aktiv. Mit dem klassischen Klischee des ungebildeten Neonazis mit Glatze haben die vorwiegend privilegierten, weißen, männlichen Mitglieder nichts zu tun. Im Gegenteil.

Abgesehen von ihrer Vorliebe für New Balance-Sneaker und T-Shirts des hauseigenen Modelabels mit identitären Slogans, treten sie weitgehend ohne auffällige Kleidung auf, nennen sich in Anlehnung an die Hipster auch IBster und sind gar nicht selten gut gebildet.

Das Neue an der Neuen Rechten sei die betonte Distanz zum historischen Faschismus, erklärt Rechtsextremismus-Experte Bernhard Weidinger. "Das ist etwas, was heutzutage weite Teile der Rechtsextremen vollziehen", führt er aus. Man könne allerdings darüber streiten, in wieweit das eine taktische Anpassungsleistung sei, oder tatsächlich aufrichtig gemeint. Weidinger sieht darin eine "Modernisierungsleistung". Mit Begriffen der Alten Rechten oder Neonazis, könne man heutzutage eben keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. Die Forderungen blieben aber durchaus die alten.

Die Neuen Rechten und die neuen Medien

Im Internet sprechen die Postings und Bilder der Identitären eine ganz eigene Sprache. Sie sind auf vielen Social-Media-Kanälen aktiv und passen die Inhalte ihrem dortigen Publikum und dem Medium an.

Bereits vor einigen Jahren haben wir die kuschelrechten Identitären unter die Lupe genommen.

"Auf Facebook geben sich die Identitären als volksnah, als besorgte Bürger und geben vor, alles andere als rechts oder links zu sein", meint Micha Marschner. Er studiert Theater-, Film- und Medienwissenschaften und nimmt in seiner Masterarbeit die "Neuen Rechten in den neuen Medien" genauer unter die Lupe.

Ihre Forderungen verpacken die Identitären geschickt. "Der Begriff der Kultur ist dabei für die Identitären ganz elementar", gibt Marschner als Beispiel. "Kultur, aber auch Ethnie oder Identität sind allerdings nur ein Ersatz für den Begriff 'Rasse'." Auch in Neologismen wie Remigration versteckt sich die alte, rechte Parole "Ausländer raus", "nur klingt es eben harmloser", meint Marschner.

Instagram verwenden die Identitären als weichgezeichneten Schaukasten ihres Lifestyles. Auf den ersten Blick unterscheidet sich ihre Bildsprache wenig von anderen Bildern und gängigen Mustern, die auf Instagram vorherrschen. Doch auf den zweiten Blick blitzen auch hier die gängigen Forderungen durch. Man sieht Bilder von Büchern ideologisch einschlägiger Autoren, durchdesignte Sujets und Flyer, Bilder von ihren Demonstrationen und Aktionen - nur eben mit klassischen Instagram-Filtern aufgehübscht.

Das Frauenbild, das von den Identitären in den neuen Medien vermittelt wird, scheint besonders paradox, meint Micha Marschner, "gerade, wenn es von den Frauen selbst herausgetragen wird." Es wird die traditionelle Familie angepriesen, man zeigt sich mit Flechtzöpfen und Tracht. Tradition spielt für die Identitären eine besonders wichtige Rolle. "Aber gleichzeitig finden sich erotische Bilder, die konträr zu dieser 'Zurück-zum-Puritanismus'-Ideologie stehen", betont der Student.

Alphas und Betas

Auf männlicher Seite treiben einige dieses verquere Geschlechterrollenbild auf die Spitze. Es gibt offenbar eine Schnittmenge zwischen Alt-Right-Sympathisanten bzw. Neu-Rechten und der "Red Pill"-Community, die besonders auf Reddit aktiv ist. Diese sehen sich selbst als überlegene Alphas. Der Name der Bewegung ist eine Anspielung auf die Matrix-Szene, in der Neo zwischen roter und blauer Pille entscheiden muss. Die Alphas glauben also sprichwörtlich, die Wahrheit mit der Pille gefressen zu haben.

Gerne bezeichnen Neu-Rechte Liberale und andere politische Gegner aus dem "Mainstream" als Normies.

Hauptaussage der selbsternannten Alphamännchen ist: Frauen sind notorische Lügnerinnen, manipulativ und sie gehen ständig fremd. Nur wenn man ihnen Angst einflößt oder niemand mit einem höheren Marktwert als man selbst sie begehrt, tun sie das nicht. Und Feministinnen wollen ohnehin nur Macht - jedoch ohne Verantwortung.

Politische Feinde und Andersdenkende werden von ihnen in chauvinistischer Manier als Betas bezeichnet. Alphas sind Männer mit "hohem sexuellem Marktwert" und den Betas in so ziemlich allem überlegen - besonders im Bett. Betas würden Frauen nur mit Geld locken können. Ihr Motto lautet dessen getreu "Alpha fucks, Beta bucks."

Gekaperte Memes

Populär in der rechten Szene sind mittlerweile auch allerlei Memes. Besonders Pepe the Frog ist unter den Neuen Rechten und den Identitären beliebt. "Das kommt aus der US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung", erklärt Marschner. Ursprünglich war der Charakter unpolitisch. Doch in Imageboards wie 4chan oder Reddit tauchten mit der Zeit vermehrt abgewandelte Versionen des Memes auf. Der Frosch ist inzwischen fester Bestandteil in der Popkultur der Neuen Rechten. So wurde der Frosch auch von Trump-Anhängern im Wahlkampf verwendet und gewissermaßen "gekapert".

Pepe the Frog

4chan/reddit

Die Wandlung von "Pepe the Frog"

Fast untrennbar verbunden mit dem gekaperten Meme "Pepe", ist inzwischen auch der Hashtag #Kek. Die Entstehungsgeschichte und Vereinnahmung dieser scheinbar harmlosen Silbe ist abstrus - und wie so viele Internetphänomene nicht leicht zu ergründen.

"#Kek kommt ursprünglich von der Abkürzung LOL (= laughing out loud), was sich irgendwann zu LEL gewandelt hat", erklärt Marschner. So weit, so schräg. Durch einen Tippfehler oder durch Absicht, wurde irgendwann KEK daraus, was dann angeblich von einigen World-of-Warcraft-Spielern übernommen wurde - und letztlich auch von Alt-Right-Anhängern und in der Folge von europäischen Neu-Rechten.

In der ägyptischen Mythologie wiederum ist Kek der Gott der Dunkelheit - und hat passenderweise einen Froschkopf. Als Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, tauchten auf Twitter Gotteshuldigungen auf: "Praise #KEK!", posteten zahlreiche User - häufig in Kombination mit Bildern des ägyptischen Gottes mit Pepe-Kopf.

trash dove pixel art

piq.codeus/creeperslayer098

Trash Dove

Jüngstes Beispiel einer Vereinnahmung eines Memes durch Neu-Rechte war eine headbangende lila Taube, die vor kurzem inflationär in den Kommentarspalten von Facebook aufgetaucht war. Die Trash Dove wurde ursprünglich in Thailand zu einem Youtube-Hit. Es dauerte nicht lange, bis Alt-Right-Anhänger das Meme für sich entdeckten und zum Trollen verwendeten. Abgewandelte Versionen tauchten in Imageboards und Foren auf. Die Um- und Bedeutung wurde letztlich breit diskutiert. Der Hype um die Taube ist inzwischen wieder einigermaßen abgeebbt.

Ein stetiges Kommen und Gehen

Symbole und Codes in Subkulturen kommen und gehen, werden teilweise umgedeutet und mitunter auch wieder entwertet. Und auch bei den Memes lässt sich im Nachhinein nie genau sagen, warum das eine bei einer bestimmten Gruppe einschlägt und entsprechend umgedeutet wird, und das nächste nicht.

Waren subkulturelle Codes und Symbole früher häufig offen zur Schau getragen, z.B. in Form von entsprechender Kleiderwahl oder speziellen Accessoires, hat sich das Spiel mit ihnen inzwischen stark ins Internet verlagert. Und dort kleidet eben die Neue Rechte alte Forderungen in neues, modernes und - verglichen mit Bomberjacke, Glatze und Springerstiefel - auch kurzlebigeres Gewand.

Es lohnt sich jedenfalls, bei manchen scheinbar harmlosen Symbolen zweimal hinzusehen bzw. hinzuhören und ihren Kontext zu hinterfragen. Denn vielleicht verbirgt sich hinter dem ein oder anderen Witz, Posting oder Tweet ein Wolf im Froschpelz.