Erstellt am: 28. 2. 2017 - 16:55 Uhr
Zu Fuß nach Syrien
FM4 Auf Laut – Zu Fuß nach Syrien
Was bezwecken die FriedensaktivistInnen mit ihrer Reise? Wie waghalsig und naiv sind sie? Welche Begegnungen haben sie am Weg gemacht?
Darüber diskutiert Lukas Tagwerker mit TeilnehmerInnen am Civil March for Aleppo am 28.2. ab 21:00 Uhr. Diskutiere mit!
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Maribor ist heute menschenleer. Die Bewohnerinnen und Bewohner sind ins benachbarte Ptuj gefahren, wo ein Faschings-Karneval stattfindet. Am Rand der stark befahrenen Landstraße marschiert eine eher ungewöhnliche Gruppe von Wanderern. Sie sind ebenfalls auf dem Weg nach Ptuj, auf ihren weißen Fahnen steht aber ihr eigentliches Ziel: Aleppo.
Nicht mehr zuschauen
Als vergangenen Dezember Bilder und Videos von verzweifelten Menschen aus Aleppo um die Welt gehen, beschließt Anna Alboth, nicht mehr zuzuschauen. „Wir gehen jetzt, weil wir keine bessere Idee haben. Wir waren auf Demos in Berlin, wir haben Unterschriften und Spenden gesammelt. Wir hatten aber immer das Gefühl, dass wir mehr unternehmen können.“ Gemeinsam mit ihrem Mann Thomas hat sie den Civil March for Aleppo gestartet.
Janusz Ratecki
Am 26. Dezember hat die Gruppe Berlin verlassen. Bei der Wanderung quer durch Europa haben sich bis heute rund 2000 Leute angeschlossen. Viele von ihnen gehen für einige Tage mit. Andere entscheiden sich für den ganzen Marsch. Clara Zimmermann wollte ursprünglich nur im Februar in den Semesterferien mitmarschieren. Beim Zwischenstopp in Wien hat sie ihre Meinung geändert. „Ich habe dann an einem Tag den Job gekündigt und mein Studium pausiert.“ sagt Zimmermann. Es sind rund 30 Leute, die den ganzen Weg mitgehen wollen.
Die Balkan-Route
Ahmad Shamoun hat schon einmal diesen Weg beschritten, aber nicht in diese Richtung. Vor zwei Jahren ist der Syrer als Flüchtling nach Vorarlberg gekommen. Als er von der Initiative hörte, war er begeistert und hat die Gruppe in Wien erwartet. Seither ist er dabei, doch dieses Mal erlebt er die Reise ganz anders als vor zwei Jahren.
„Ich wurde gezwungen mein Land zu verlassen und nach Europa zu fliehen. Dieses Mal ist es meine Entscheidung und ich hoffe, dass ich in mein Land und in meine Heimatstadt Frieden bringen kann“, sagt Shamoun. In Syrien hat er Wirtschaft studiert. Als er zur Armee berufen wurde, hat er beschlossen zu fliehen. Er wollte nicht für das Regime kämpfen. Seine zwei Brüder sind noch in Aleppo. Der lange Marsch hat eine besondere Bedeutung für ihn: „Ich hoffe, dass ich dadurch auch meiner Seele Frieden und Ruhe bringe.“
Die Teepause an der Drau
Wie jeden Tag ist die Gruppe am frühen Vormittag losmarschiert. Gegen Mittag erblicken sie in der Ferne „Habibi“. So nennen sie den kleinen orangenen LKW, der die Gruppe begleitet. Er ist vollgepackt mit Rucksäcken, Zelten und Essen. Das Logistik-Team hat Brote und Getränke für die müden Wanderer vorbereitet.
Janusz Ratecki
Die Teepausen sind eine kleine logistische Herausforderung. Nicht überall finden sich geeignete Parkplätze. Doch hinter dem Steuer sitzt ein Mann, der sich mit solchen Sachen gut auskennt: Denis Bierichen. Er ist Schauspieler und LKW-Fahrer. Als er sich entscheidet mitzumachen, stößt er auf Unverständnis: „Meine Familie fragt dann: 'Ja wer hilft denn dir?' Aber wenn ich nicht anderen helfe, wie kann ich da selbst was erwarten?“.
Sein Arbeitgeber reagiert ähnlich, Denis verliert seinen Job und schließt sich trotzdem in Brandenburg dem Civil March for Aleppo an. „Ich sag immer: 'Jobs gibt es genug, aber Frieden nicht.' Da müssen wir definitiv was tun.“
Politische Debatten
Ob sie ihr Ziel wirklich erreichen, wissen sie nicht, aber wie Denis sind hier alle überzeugt, dass ihr langer Marsch etwas bewirkt. Obwohl die Gruppe möglichst neutral bleiben möchte, wird sie von politischen Debatten nicht verschont. „Online fragen viele Leute, wer wir wirklich sind, was wir vorhaben und ob wir für irgendeine Regierung arbeiten.“ sagt Initiatorin Anna Alboth.
In ihrem Manifest betont die Gruppe ihre Unabhängigkeit von Parteien und Organisationen. „Wer mit uns einen Tag verbringt, weiß, dass wir alle gewöhnliche Menschen sind, die sich für den Frieden in Syrien einsetzen.“ sagt Alboth.
Spätestens, wenn sie an der türkisch-syrischen Grenze ankommen, dürfte der Protestzug weltweit Aufmerksamkeit bekommen, doch daran wollen die Wanderer heute nicht denken. Heute wollen sie nur noch den Karneval in Ptuj nicht verpassen.
FM4 Auf Laut am 28. Februar
Was bezwecken die FriedensaktivistInnen mit ihrer Reise? Wie waghalsig und naiv sind sie? Welche Begegnungen haben sie am Weg gemacht?
Darüber diskutiert Lukas Tagwerker mit TeilnehmerInnen am Civil March for Aleppo am 28. 2. 2017 ab 21:00 Uhr. Diskutiere mit!
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