Erstellt am: 24. 2. 2017 - 12:04 Uhr
Blau ist die wärmste Farbe
Es dreht sich oft alles um die Location, vor allem bei Konzerten. Wenn das Publikum nicht passt, die Schlangen zu lang sind, der Sound zu viel oder zu wenig Bass hat oder die Venue einfach nicht zur Band passt, dann kann die Musik hervorragend sein - so richtig zusammen kommt das trotzdem nicht. Wer die Marxhalle in Wien schon einmal für ein Konzert besucht hat, der weiß, dass es dort des Öfteren Probleme gibt, für richtig gute Stimmung zu sorgen.
Beim "Harvest of Art"-Festival mit PJ Harvey im Sommer letzten Jahres war es nur der großen Polly Jean zu verdanken, dass das Publikum in der heißen Halle trotzdem zufrieden nach Hause gegangen ist und bei The Cure vor wenigen Monaten musste man ewige Warteschlangen erdulden. Gute Konzerte waren das trotzdem beide, möglicherweise aber nicht aufgrund, sondern trotz der Marxhalle.
Bei einer Band wie The xx scheint das ein noch schwierigeres Unterfangen zu sein: Wer sich noch an das FM4 Frequency Festival 2012 erinnern kann, der sollte wissen, wie schön das war, die Gruppe in entschleunigter Brillanz auf der Open-Air-Bühne spielen zu sehen. Ob so ein Unterfangen Ende Februar in der Indoor-Location auch so gut funktioniert, ist im Vorfeld fraglich. Auch wenn sich die Temperaturen gestern, Donnerstag, zumindest leicht frühlingshaft gaben.
Gut schaut's jedenfalls aus - auch schon auf dem Weg nach St. Marx. "So schick war Wien schon lange nicht mehr", erzählt mir jemand vor der Halle und hat recht. Die Stimmung ist entspannt, die Leute hängen noch ein bisschen herum und ausverkauft ist es sowieso. Das bedeutet aber auch, dass es ein kleines Schlangen-Déjà-vu gibt: Beim Einlass in die Halle, vor der Garderobe, vor den WCs und auf's Bier muss man ein bisschen warten. So schlimm wie noch bei The Cure ist es aber bei weitem nicht.
Wenn man noch den Opening Act Floating Points sehen will, sollte man sich aber früh genug angestellt haben. Dass es sich auszahlt den englischen Musiker zu sehen, erzählen mir Leute noch draußen. Das ist schließlich der Kronprinz von Four Tet, so wird gemunkelt. Trotzdem ist das Publikum nicht für den Elektronikmusiker da, sondern natürlich für den Headliner. Was die leicht nervöse Erwartungshaltung in der Halle schön vermittelt.
Radio FM4/Niko Ostermann
The xx betreten unter donnerndem Bassgrollen die Bühne. Da geht schon was. Jamie xx steht über seinen Bandmitgliedern thronend wie der König des Abends auf seinem Podest, Romy und Oliver in Ruhe vor ihm und dem Publikum. "Throwing my arms at no one. When I gave up, I found love". Los geht's mit "Say Something Loving" vom neuen Album "I See You".
Die Stimmung ist von Anfang an sehr gut, The xx gehen aber trotzdem auf Nummer sicher und spielen gleich als zweites Lied "Crystalised". Das ist immer noch die beste Nummer, die funktioniert live immer noch hervorragend. Und man mag es nicht glauben, der Sound in der Marxhalle passt. Sehr gut sogar. "Vienna, how are you doing?" Die Band begrüßt ihre Fans und spielt dann gleich mal "Islands".
Es ist warm in der Halle, nicht nur wegen der vielen Menschen, die sich vor allem in den vorderen Reihen ganz schön zusammenquetschen um nahe an der Bühne zu stehen, sondern auch wegen der Musik. The xx sind routinemäßig an Perfektion kratzend, durchdacht, durchgehend gut ausgedacht. Ein permanentes Zwischenspiel von Ruhe und Beschleunigung wird geboten, musikalisch, im Publikum, in der Performance, zwischen Dirigent Jamie xx und seiner Band.
Warum The xx immer noch da stehen, wo sie sind, warum die Relevanz nicht versickern will, warum die Band mittlerweile in der britischen Electropopszene einzementiert ist, wird deutlich demonstriert. Das funktioniert nicht nur auf, sondern auch vor der Bühne. Jubel, Applaus, dann wieder Ruhe. Entspannte Ekstase, Exzess Light für die Easy Listening Generation der elektronischen Musik, irgendwo zwischen kalten Spannungsmomenten und wohlig warmen Polstern beheimatet. Music to easily dance to. Wie Eskapismus im Idealfall eben sein soll.
"Picture me under blood red moon, make your skin turn blue". Blau ist die Farbe der Nacht, in der Musik, in der Lightshow und darin sieht der Rauch auch am schönsten aus. Den klassischen Zugabemoment gibt es nicht, vielmehr rutscht Jamie xx nach seiner ewig-guten Nummer "Loud Places" in ein Solo-Interlude hinein, bevor seine Bandmitglieder wieder auf die Bühne kommen.
Radio FM4/Niko Ostermann
Der Solofame des Beatbastlers tut der ganzen Gruppe gut und bringt die notwendige Beschleunigung in die Sache. Das bisschen Understatement, das so notwendig ist, muss aber trotzdem bleiben. Und tut es auch, wenn sich die Band dem Publikum gegenüber als ein bisschen nervös outet, wenn Songzeilen augenscheinlich vorsichtig rezitiert werden.
Gleichzeitig zeigen The xx aber eine Sicherheit in den eigenen Liedern, die deutlich macht, was hier für hervorragende Musiker gemeinsam performen. Und was am Ende bleibt, ist ein Abend irgendwo zwischendrin, mal laut und schnell, mal ausgelassen und mal in introvertierter Entspannung. "Light reflects from your shadow. It is more than I thought could exist".