Erstellt am: 13. 2. 2017 - 13:54 Uhr
FM4 Schnitzelbeats #15: Melancholie
1964 nahm die ausgekochte Wiener/Rosenheimer Tanzband Die Bambis einen Song fürs Majorlabel Columbia auf, der schon bald zum profitabelsten heimischen Radiohit seiner Zeit – nach dem “3rd Man Theme” (1949) und kurz vor “Merci Chérie” (1966) – werden sollte. "Melancholie" war eine gespenstische Beat-Ballade mit intensivem italophonem Gesang, die im Zeitlupentempo bürgerliche Fernweh- und Sehnsuchtsphantasien (nach dem letzten Italien-Urlaub) sezierte. Ein perverser Geniestreich.
FM4 Schnitzelbeats
Sonntagnachts im FM4 Soundpark und anschließend für 7 Tage im FM4 Player
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Das Echo, das der eindringlichen Liebeskummer-Schnulze zuteil wurde, war gewaltig. Im November des Jahres reihte das amerikanische Billboard Magazine in ihrer Wertung der meistverkauften österreichischen Single-Veröffentlichungen "Melancholie" auf Platz 1 - direkt vor „A hard day’s night“ der Beatles. Dieser Meilenstein lokaler Popgeschichte bescherte den Bambis breite mediale Rezeption und machte auch erstmals die Existenz einer österreichischen Beat- und Tanzband-Subkultur für die Öffentlichkeit sichtbar.
Melancholie im September,
das ist alles, was mir blieb von Dir.
Die Melodie im September
ist ein letzter Gruß von Dir.
Arrivederci war dein letztes Wort.
Arrivederci und dann gingst du fort.
Wann kommst Du wieder,
hab ich Dich gefragt
und Deine Tränen
hat (sic!) mir alles gesagt.
(Auszug aus dem Songtext)
Trash Rock Archives
Columbia
In den kommenden Jahren würde die gefällige, vollends auf Verkaufsoptimierung zugeschnittene Grundhaltung von “Melancholie” indessen bedrohlich über den Köpfen des hiesigen Musiker-Nachwuches baumeln. Wenig risikofreudig wurden nun deutschsprachige Schlager-Balladen – als leicht zu entlarvende “Melancholie”-Imitate – ins Rennen geschickt, die nun auch ihrerseits von herzzerreißenden Trennungsgeschichten erzählten und um die Gunst des Publikums buhlten. Auch wenn diesen Songs nicht annähernd der kommerzielle Erfolg von “Melancholie” beschieden sein sollte, offenbaren diese Produktionen in der Retrospektive erstaunliche Qualitäten von musikhistorischem Wert. Letztlich lässt sich in der rechtschaffenen Kunst der Bambis-Imitation erstmals die Blaupause eines originär österreichischen 60s-Pop-Sounds verorten. The original sound of Schnitzelbeat: Ein kleiner Schritt zur kulturellen Identitätsfindung.
Trash Rock Archives
Lighophon
The Beatniks waren in den frühen 1960er Jahren aus der Kärntner Schülerband The Rock Five hervorgegangen und zählten hierzulande zu den ersten Formationen, die schon Beatles-Coverversionen im Repertoire hatten. Nachdem sie nach Wien übersiedelt waren, tingelten sie durch die Nachtclubs der Stadt und ergatterten 1964 einen Plattenvertrag. Mit ihrem Debut (als Beatniks ’62) legten sie gleichzeitig eine der charmantesten “Melancholie”-Nachahmungen ihrer Zeit vor: Die Sehnsuchtsballade “Natascha” erzählt die fiktive Trennungsgeschichte eines Berliner Liebespaares, das vom Bau der Mauer überrascht wird und sich Lebewohl sagen muss – er im Westen, sie im Osten. Die subtile politische Botschaft blieb weitgehend unentdeckt, die Intesität des Arrangements beförderte die Single aber in die Dauerrotation lokaler Jukeboxen.
Im weiteren Verlauf ihrer beachtlichen Karriere würden die Beatniks übrigens noch einige weitaus wildere Stücke (mit reichlich Fuzz, Overdrive und sogar Sitar) veröffentlichen. Ihr Bandleader Werner Marinell machte in den frühen 1970er Jahren schließlich als Blödel-Sänger Blondl große Karriere und heimste mit zünftigen Liedern wie “Pudelnackert ohne Hemd”, “Zipfl in die Höh'” und “Zipfl eine, Zipfl ausse” unzählige goldene Schallplatten ein. Aber das ist eine andere Geschichte.
Ich weiss, dass wir uns lieben.
Zwei Menschen von hier und drüben.
Doch können wir nur im Traume zusammen sein.
Warum müssen wir so leben?
Wie kann es so etwas geben,
dass zwei, die sich so lieben nur traurig sind?
Natascha, ruf ich nach drüben.
Natascha, komm doch zu mir.
Natascha, wir gehören zusammen.
Doch ich kann nicht zu dir.
(Auszug aus dem Songtext)
Trash Rock Archives
Elite Special
Den Entertainer und Wienerliedsänger Horst Chmela kennt heute jedes Kind. In den frühen 1960er Jahren verdingte er sich noch als Beat-Musiker und war mit seiner Sunset Combo im gesamten deutschsprachigen Raum auf Tour. Einer seiner ersten Kompositionen, die seinerzeit auch mit reichlich Radio-Airplay bedacht wurde, war das “Melancholie”-Imitat “Symphonie d’Amour” aus dem Jahr 1965. Ein wunderbar kitschiges Schmalzfass und ein würdiges Ende unserer heutigen Ausgabe.
Symphonie einer Liebe,
Symphonie eines Glücks,
eines Lebens,
zweier Herzen,
eines Lebens
voll Musik.
Symphonie d’Amour,
d’Amour.
Symphonie voller Tränen,
Symphonie voller Schmerz,
denn manchmal
bricht die Liebe
des Lebens
auch ein Herz.
Symphonie d’Amour,
d’Amour.
(Auszug aus dem Songtext)