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Maria Motter Graz

Bücher, Bilder, Kritzeleien. Und die Menschen dazu.

21. 2. 2017 - 15:44

Benjamin Lebert in Kathmandu

"Die Dunkelheit zwischen den Sternen" ist Benjamin Leberts neues Buch. Es ist eine nepalesische Novelle, wie aus einer längst fernen Zeit.

Was wurde aus... Benjamin Lebert? Als Siebzehnjähriger wird er für seinen Debütroman "Crazy" gefeiert. Das war 1999. Seitdem ist alle zwei, drei Jahre ein weiteres Buch erschienen. Fast alle sind sie derart autobiografisch geprägt, dass einem das beim Lesen klar ist. Es geht um junges Leben, das Entdecken und Klarkommen mit Gefühlen zu sich selbst und anderen. In Interviews sagt der in Freiburg im Breisgau geborene Autor Sätze wie "Ins Unglücklichsein kann man sich verlieben".

Unglücklich sind auch die Kinder, von denen Benjamin Lebert in seinem neuen Buch mit dem poetischen Titel "Die Dunkelheit zwischen den Sternen" erzählt. Es ist eine nepalesische Novelle. Denn Lebert hat 2015 eine Reise nach Kathmandu unternommen und dort in einem Kinderheim mitgearbeitet, als Freiwilliger über das österreichische Unternehmen Karmalaya.

1,6 Millionen versklavte Mädchen und Buben

Ein Bub mit einem geflochtenen Korb am Rücken steht auf einem Berg.

S. Fischer

Benjamin Lebert: Die Dunkelheit zwischen den Sternen, S. Fischer, 2016. Hier kann man die ersten Seiten lesen.

Laut Schätzungen von Hilfsorganisationen gibt es in Nepal 1,6 Millionen Kinder, die von ihren Eltern als Sklaven verkauft wurden. "Die Dunkelheit zwischen den Sternen" fokussiert auf drei dieser Kinder: Shakti, Tarun und Achanda. Es sind ein jugendliches Mädchen und zwei Buben, die leben wollen und nicht dahin vegetieren, wie die abgemagerten Straßenhunde mit ihren immer feuchten Schnauzen.

"Immer, wenn ich hier bin, fange ich zu rennen an. Ich kann nicht anders. Ich werde immer schneller. Wo der winzig schmale Weg aufhört, öffnet sich eine weite brachliegende Fläche, über die Schwaden von Staub und Abgasen durch die Luft ziehen und wie riesige Schlangenleiber aussehen."

Im Alltag der Kinder geht es ums nackte Überleben. Als das Mädchen Shaki ihre Menstruation bekommt, rettet sie das kurz vor einem Freier, weil sie als "unrein" gilt und während ihrer Tage die Zeit in einem Verschlag zubringen muss.

"Ich höre nichts mehr, nur die Stille der Sonnenstrahlen ist in meinem Rücken.
Dann höre ich, wie sich im Verschlag etwas regt. Höre das kratzende Geräusch, mit dem der Eimer verschoben wird.
Die Blechtür öffnet sich. Und da ist Shakti."

Aus der Perspektive der Kinder zu erzählen, gelingt Benjamin Lebert nicht. Es bleibt beim Versuch, kindliches Erleben nachempfinden zu wollen. Wie Lebert von Kinderprostitution und Kinderarmut erzählt, ist speziell, ja romantisierend und naiv. Die Handlung ist beschränkt, wie es für eine Novelle passt, und dieser klare Rahmen liest sich wie eine südasiatische Reise eines Mitteleuropäers und nichts anderes ist es ja. Es ist die Miniaturaufnahme eines von Mitteleuropa sehr fernen Orts, auf die man sich jedoch einlassen kann. Tut man das, ist das Buch wie ein fiebriger Traum, von dem am nächsten Tag einzig atmosphärische Eindrücke im Bewusstsein bleiben. "Ja, es ist Tag. Aber der Tag ist trotzdem weit fort."