Erstellt am: 6. 3. 2017 - 19:11 Uhr
François lebt seinen Traum
François Marry ist ein Getriebener, aber einer, der dabei in sich zu ruhen scheint. Aus Südwestfrankreich kommend, verbrachte er Zeit in Großbritannien, in Bristol und in Glasgow. Schließlich entschied er sich für Brüssel. Seit etwas über zwei Jahren hat François jetzt in der belgischen Hauptstadt seine Homebase.
Ein paar der Atlas Mountains Gründungsmitglieder sind nach wie vor mit dabei, andere wiederum sind in Freundschaft mit François gegangen. François ist schwer zu greifen, auch wenn er sehr verständlich rüberkommt, sich und seine Musik höflich und genau erklärt, und seine Songs auch ganz ohne Hintergrundwissen wunderbar zu hören sind.
![© Tom Joye Francois & the Atlas Mountain](../../v2static/storyimages/site/fm4/20170310/Fatam_credit_TomJoye_hires1_body.jpg)
Tom Joye
Da ist die Stimme von François, sanft, melancholisch, aber auch bestimmt und seinen Songs den Weg weisend. Da sind seine Gitarre und sein Klavier, und da sind seine Texte, die auf dem neuen Album ausschließlich auf Französisch sind. Aber man muss der französischen Sprache gar nicht mächtig sein, um die Lieder des François Marry zu mögen.
"Ich hatte auch wieder englische Songs geschrieben", erzählt François Marry über eine Studioleitung aus Köln, wo er gerade auf Promotion-Tour ist. Brüssel ist gut gelegen, um schnell nach Deutschland zu kommen, oder auch nach England. Bordeaux, im Südwesten von Frankreich gelegen, wo François vorher wohnte, war da viel schwieriger, obwohl er das 'savoir vivre' der kleinen Stadt, die praktisch von Weinreben umgeben ist, schon etwas vermisst, wie François im FM4-Interview erzählt. Aber in Brüssel gibt es so viele Bands, so ein großes kulturelles Angebot, so eine große Szene. Egal, ob noch 'underground' oder schon 'overground', also mit Pop-Erfolg.
François lebt seinen Traum
Aber zurück zu den neuen Songs von Frànçois & The Atlas Mountains. François, seine Mitmusiker und Produzent Ash Workman entschieden sich dafür, die englischsprachigen Songs nicht auf das Album zu packen, damit es zusammenhängender klingt, mehr aus einem Guss. Ash Workman ist ein junger Brite, der etwa schon mit der englischen Band Metronomy im Studio war. Zuletzt hatte er Erfolg mit dem unter seiner Leitung eingespielten Album der Französin Christine & The Queens. Und er produzierte auch schon "Piano Ombre", das letzte Album von Frànçois & The Atlas Mountains. So hatte sich zwischen den beiden eine gute Basis entwickelt. Im Studio war man diesmal in Brüssel, in den Jet Studios, die keinem Geringeren als dem belgischen Liedermacher Salvatore Adamo gehören.
Im ersten Song vom neuen Album, in "Grand Dérèglement", tanzt François, und zwar nicht irgendwo, sondern in einem bedeutenden Gebäude in Brüssel, dem Palais de Justice. "Ich bin ein eher peinlicher Tänzer", lacht François im FM4-Interview. Ganz im Gegenteil zu Mohamed Okal, der ebenfalls im Video tanzt. "Mohamed", so erzählt François Marry, "ist ein 'refugee' aus Palästina. Er lebt in einer Flüchtlingsunterkunft in Brüssel, aber er unterrichtet Tanz, den traditionellen Tanz namens Dabké, der im Mittleren Osten etwa bei Hochzeiten getanzt wird."
Das Wort 'dérèglement' steht für 'Unregelmäßigkeit', 'Regellosigkeit' oder 'Störung', wie immer man das interpretieren mag. "Es geht um die Realität, um unsichere Zeiten", erklärt François. Aber auch darum, dass wir nicht verzweifeln, dennoch Freude haben sollen. Etwa er, wenn er Musik macht. "Ich war als letztes Jahr während der Terroranschläge gerade in Brüssel", erzählt François. "Mein Konzertagent ist Teilhaber des Bataclan in Paris". François möchte sich nicht verkriechen, trotz der Gräueltaten, die mehr oder weniger in seiner unmittelbaren Nähe passiert sind.
Solide Mirage
Das neue Album von Frànçois & The Atlas Mountains ist also politisch, aber es ist noch so viel mehr. Es 'funktioniert' wie gesagt aber auch, wenn man das alles einfach außer Acht lässt. Darum heißt es "Solide Mirage". Der Pressetext zum Album lässt das 'e' vom Wort 'solide' manchmal weg, sodass man durchaus versucht ist, den Albumtitel auf Englisch zu lesen. Der Titel würde dann von einer 'festen Fata Morgana' erzählen. Das Wort 'mirage' also übersetzt als Illusion, als Trugbild. Im Französischen bedeutet 'mirage' ebenfalls Fata Morgana, steht aber auch für 'durchtleuchten', und 'solide' ist der 'Körper'.
Dazu sagt François Marry: "I´m referring to reality and the political surrounding, but it also has an element of dream to it, something abstract and poetic. The latter is something that´s quite important if you listen to music that´s in a foreign language that you probably are not that familiar with, so that you have this side to resonate with."
Zärtliche Seele
In "Perpétuel Été" geht es um den ewigen Sommer, von dem eine in einem Büro arbeitende Frau träumt. Im rockigen "Bête Morcelée" behandelt François die ständige 'Zerfranstheit' der Menschen durch Mobiltelefon, Internet etc. Das Wort 'bête' im Songtitel steht für 'Tier', aber auch für 'Dummkopf', und 'morcelée' bedeutet 'zersplittert'. Der Song ist inspiriert von der Zeit, die François vor zwei Jahren in Los Angeles verbrachte, für ein Projekt des französischen Modedesigerns Hedi Slimane, der ein Fan von Frànçois & The Atlas Mountains ist. Und im Song "Tendre Est L’Âme" geht es um die zärtliche Seele.
Auch Nirvana und Grunge sind Inspirationsquellen am neuen Album von Frànçois & The Atlas Mountains. Kurt Cobain wäre heuer fünfzig Jahre alt geworden. "Ja, es ist unglaublich, wie rasch die Zeit vergeht", meint François Marry und deutet damit den Titel eines anderen seiner neuen Songs an: "1982". Das ist das Geburtsjahr von François Marry, und in dem Song geht es darum, wie ihn die Musik 'gerettet' hat. François war ein sensibles Kind, das im Skateboarden etwas für sich gefunden hat, um Anschluss zu finden an die Welt draußen.
Owen Pallett
Auf "1982" spielt kein Geringerer als der Kanadier Owen Pallett die Violine. "Wir konnten ihm zwar nicht so viel zahlen wie Arcade Fire oder die Arctic Monkeys das taten, aber er hat es trotzdem gemacht", schmunzelt François Marry.
Das Stück "Après Après" ist schließlich ein kleines Monster, eine tolle Tour-de-Force à la François Marry. Im ebenfalls elektronisch angehauchten "100 000 000" sinniert er über die Menschheit und ihr Bestehen auf der Erde, während der Album-Closer, das wunderschöne "Rentes Ecloses", von herzzerreißender, klassischer, immerwährender Schönheit ist.
Jetzt sollten sich Frànçois & The Atlas Mountains nur einmal live auf einer hiesigen Bühne sehen lassen. Hoffen, und niemals aufgeben; so wie uns das François Marry so beispielhaft vorlebt.