Erstellt am: 20. 2. 2017 - 18:02 Uhr
Strenger Geruch und knarzende Böden
Arzt oder Ärztin werden, das ist für viele ein Traumberuf, aber es ist ganz schön hart da hin zu kommen. Zuerst muss man es durch die Aufnahmeprüfungen schaffen, dann nächtelang lernen und im Formaldehyd-Geruch tote Körper zerschneiden. Und, wenn man in Wien Medizin studiert, dann sitzt man auch noch in veralteten Hörsälen. Denn alle Studienanfänger_innen - und das sind immerhin zirka 740 pro Jahr - verbringen ihre ersten Semester auf alle Fälle in den Instituten in der Währinger Straße 13 in Wien. Die wurden 1904 noch von Kaiser Franz Joseph eingeweiht. Und ein bisschen sieht es dort auch noch so aus.
FM4/Irmi Wutscher
Neuer Campus, aber wann?
Die Tage des historischen Gebäudes sind an und für sich gezählt: Ein neuer Campus soll in der Mariannengasse gebaut werden und die gesamte „Vorklinik“, so heißt dieser Abschnitt des Medizinstudiums, auf dem neuen Campus abgehalten werden. Wann das allerdings sein wird, ist derzeit unklar. Jetzt hätte der Architekturwettbewerb ausgeschrieben werden sollen - das ist aber letzte Woche nicht passiert, weil das Finanzministerium kein grünes Licht gegeben hat. Der Plan sieht eigentlich vor, dass die Vorklinik im Jahr 2023 umzieht, so das Rektorat zu Ö1.
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Räumlichkeiten untragbar
Letzte Woche haben die ÖH und der Betriebsrat der MedUni Wien Alarm geschlagen: Die Räumlichkeiten an der Medizinischen Uni Wien werden immer untragbarer für Studierende und Mitarbeiter_innen. Ich habe mich mit Lukas Wedrich von der Studierendenvertretung der MedUni Wien vor dem Gebäude in der Wiener Währinger Straße getroffen, um mich darüber zu unterhalten, was aus Sicht der Studierenden hier nicht passt.
Er selbst hat hier seine ersten Semester des Medizinstudiums absolviert und mag, wie er sagt, auch die Gebäude sehr gern. Denn alle Medizinstudent_innen müssen in den ersten paar Semestern hier studieren. „Jede_r muss hierher und hat hier Vorlesungen. Dem kommt man in den ersten Semestern nicht aus, das kann man auch nicht woanders machen.“
FM4/Irmi Wutscher
Schon am Eingang fällt auf: Ins Gebäude hinein führen überall Stufen. Auch Lukas bestätigt den Eindruck: „Wir haben das Problem im ganzen Campus: Hier gibt es nur Stufen, um hinein zu kommen. In die ganzen Vorlesungsräume und Seminarräume kommt man gar nicht hinein, wenn man nicht gehen kann. Die einzige Möglichkeit hineinzukommen ist über den Aufzug in den Seziersaal, mit dem die Körperspenden dorthin gelangen.“ Körperspenden, das ist genau das, was man sich vorstellt: die Körper, die dann im Seziersaal zerschnitten werden.
FM4/Irmi Wutscher
Ein strenger Geruch liegt in der Luft
Ist man mal drinnen im Gebäude, hat man gleich einen strengen, irgendwie bitteren Geruch in der Nase, der stärker wird, je näher man zu den Seziersälen kommt. „Die Lüftungsanlagen hier sind mangelhaft“, sagt Lukas Wedrich. „Nachdem die ganzen Körperspenden in Formaldehyd eingelegt sind und sich das löst, ist das gesundheitlich nicht optimal.“
FM4/Irmi Wutscher
Ob es denn in moderneren Medizinunis weniger riecht, wenn die Lüftung state of the art ist, will ich wissen. „Einen gewissen Geruch gibt es immer, vor allem wenn man direkt damit arbeitet“ sagt Lukas. „Aber so intensiv und vor allem im ganzen Gebäude, das ist hier sicher ein Unikum.“ Auch ein Unikum: Das Treppenhaus ist mit Spinden vollgestellt, wo sich die Studierenden die weißen Laborkittel anziehen.
Über den Hof drüber, zwischen den schönen alten Backsteingebäuden durch kommen wir zu den Physiologischen Instituten. Hier ist im Eingangsbereich die Geschichtsträchtigkeit der Gebäude erkennbar: Alles sieht nach Jugendstil aus und eine Gedenktafel erinnert an die Einweihung des Gebäudes durch Kaiser Franz Joseph im Jahre 1904.
Hier ist auch der große Hörsaal der Physiologie: Ein schöner Raum mit weißen Holzbänken und einer Galerie, der aus der Zeit gefallen scheint. Nur ein paar kleine Dinge, wie der Beamer, verraten, dass es 2017 ist. Angeblich soll hier auch Sigmund Freud die Vorlesungsbank gedrückt haben.
FM4/Irmi Wutscher
Trotz der ganzen Schönheit ist der Hörsaal für heutiges Studieren nicht zeitgemäß: Auf den schrägen Tischen fallen A4 Blätter, die man beiseitelegt, zu Boden und Laptops haben sowieso keinen Platz bzw. gibt es auch keine Steckdosen, um sie anzustecken. Und der alte Holzboden, der noch original aus 1904 zu sein scheint, knarzt an vielen Stellen sehr laut. Das ist besonders unangenehm bei Prüfungen – wo die Aufsicht im Raum herumknarzt und man sich nicht konzentrieren kann.
Ein wenig würde an dem Gebäude noch saniert, aber insgesamt ist es zu alt, um hier noch Forschung und Lehre zu bieten, die dem 21. Jahrhundert entspricht. Das wissen auch alle Beteiligten, nur geht gerade nichts weiter. „Spätestens in ein paar Jahren müssen wir hier raus!“, sagt Lukas Wedrich von der Studierendenvertretung der MedUni Wien. „Das ist einfach nicht 2017!“