Erstellt am: 17. 2. 2017 - 16:06 Uhr
The daily Blumenau. Friday Edition, 17-02-17.
#fußballjournal17
The daily blumenau hat im Oktober 2013 die bisherige Journal-Reihe (die es davor auch 2003, '05, '07, 2009 und 2011 gab) abgelöst und bietet Einträge zu diesen Themenfeldern.
Der erste Frühjahrsrunde, samt den Geschehnissen drumherum: eine ziemliche Katastrophe. Wenig Erfrischendes, im Gegenteil: Coaches stellen ihre Teams geradezu fahrlässig dümmlich ein, Vereinsverantwortliche gehen mit Personalien um wie Selbstverstümmler, die Fähigkeit der Liga Publikum zu mobilisieren beschränkt sich aktuell auf böllernde Hooligans.
Der Liga-Start als Depressions-Beschleuniger, in jeder Hinsicht. Und das ist angesichts der schlimmen Aussichten beim ÖFB-Team ein ganz gefährlicher Runterzieher für den gesamten heimischen Fußball.
Wie der Masterplan ins Wanken gerät
Es ist wie bei jeder chronischen Krankheit.
Wenn man nur an den Symptomen herumdoktert, aber nie zur Ursache vorstößt, wird es einen immer wieder erwischen. Und wer, so wie der österreichische Fußball, eine massive und langjährige manisch-depressive Krankengeschichte hat, wird sich immer wieder Rückschläge einfangen. Denn die via ÖFB (und Koller-Ruttensteiner) verabreichte Frischzellenkur der letzten Jahre kann nur dann mittel- und langfristig greifen, wenn die Basis (also die Vereine) mitgesunden wollen. Die Bedingungen dafür sind durchaus gelegt: mit der anstehenden Liga-Reform, die Orga-Struktur, Infrastruktur und Außendarstellung professionalisieren (sprich: ins 21. Jahrhundert) bringen soll. Der aktuelle Backlash bringt diesen Masterplan aber ins Wanken.
Konkret sind fünf Baustellen/Krankheiten auszumachen:
1) die Zuschauermisere im Teufelskreis zwischen schwacher Leistung und ungenügender Attraktivität
2) die weiterhin schlechte Infrastruktur und latenter Unwille zur Verbesserung
3) nicht in den Griff zu kriegende Böller-Attacken und Gewalt im und ums Stadion
4) die an die Trump-Administration erinnernde Planlosigkeit einzelner Vereinsverantwortlicher
5) sagenhafte Ideenlosigkeit einzelner Coaches
Wie in jedem Kreislauf spielen alle Elemente zusammen: schwache Mannschaften, die von wenig kompetenten Trainern und Funktionären angeleitet werden, verhindern einen höheren Zuschauer-Zuspruch ebenso wie Schläger, Böllerwerfer oder elende Rasenflächen und Stadien-Komfort aus der Steinzeit. Willkommen in der Spirale nach unten.
1.
Was ich gern vergesse, weil ich mich im Vergleich zu europäischen Spielen oder auch deutschen Zweitliga-Spielen bei Matches in, say, der Südstadt, Wolfsberg oder Neustadt immer als Teil einer sehr kleinen Minderheit fühle: dass sich die Bundesliga eine starke Verbesserung des Zuschauer-Schnitts auf die Fahnen und auch ins Programm (mit Zielvorgabe für 2020 schon) geschrieben hat. Und davon entfernt man sich nach einem Desaster-Start in die Rückrunde vergleichswerttechnisch gerade ziemlich.
Was nicht nur an der Liga selber, sondern an dieser Rückschlag-Gefühligkeit, die die ÖFB-Nationalmannschaft im Sommer und Herbst vermittelt hat, liegt. Also auch wieder nur durch eine neue Hausse im Verbands-Bereich wieder hochgepimpt werden kann. Oder durch eine unendlich spannende Meisterschaft. Oder einfach durch gute Leistungen aller.
2.
Kurze Zeit später reiht sich auch Innsbruck in diese Liste der Schande ein.
Und: Coach Canadi benennt den Rasen als Mitschuldigen.
Ich hatte eigentlich gedacht, dass die Verbesserung der Infrastruktur, die Qualität von Rasen, Flutlicht, Stadien, Zuschauerbetreuung etc, unbestritten ist. Wenn aber selbst Vorzeige-Verein Rapid mit dem Rasen trödelt ist das kein gutes Zeichen, das von den traditionellen Klassenletzten gern in ihrem Sinn (schleifen lassen) interpretiert wird.
Überhaupt, Mattersburg. Dort geht man es in letzter Zeit in jeder Hinsicht so an, als würde Präsident Pucher den Verein in eine downgesizte Version, die sich nicht über die zweite Spielklasse hinausbewegen will, überführen. Es wirkt so, als würden sich die Burgenländer freiwillig rausnehmen. Vielleicht sind deshalb aktuell nur 12 Voll-Profi-Vereine geplant.
3.
Das wirklich schlimme an den Gewalt-Ausbrüchen beim Wiener Derby ist weniger das Ausmaß oder die wahrscheinliche Effektlosigkeit der Konsequenzen, sondern die Teilnahmslosigkeit in der Berichterstattung. Die Live-Coverage begriff ihre Verantwortung darin die Verböllerung/nebelung des Spiels ebenso außen vor zu lassen wie die Gewalttaten rundherum. Und auch die Nachberichte gingen nicht sonderlich in die Tiefe.
Dem richtigen Journalismus wird es dieser Tage (zurecht) zum Vorwurf gemacht sich als Teil des Systems, als Unterstützer/Helferleins der Mächtigen zu begreifen und deshalb Unangenehmes auszusparen.
Im Sportjournalismus, der sich großteils immer noch als embedded, als Verlautbarungsorgan bzw ausschließlich als Rechtehalter begreift, ist all das nicht einmal ansatzweise angekommen.
4.
Munas Dabbur ist ein gutes Beispiel für die Fahrlässigkeit mit der selbst der bestorganisierte Club des Landes bzw seine Verantwortungsträger an ihren Job herangehen. Zuerst staunt man darüber, dass die Behörden in Katar (einer autokratischen, antisemitischen Golf-Diktatur) einem israelischen Team-Mitglied die Einreise zum Trainingslager verweigern (klar, das würde politisches Bewusstsein voraussetzen, das aber schon wegen der Wahl Katars als Übungsort nicht bis unterentwickelt vorhanden ist). Dann staunt man, dass sich soviele Sturmspitzen (acht) im aufgeblähten Kader befinden und schiebt Dabbur im laufenden Spielbetrieb in die Schweiz ab; auch weil er sich ja nicht gut genug in die Mannschaft integrieren konnte.
Ein anderes Beispiel ist der Vorstand des SV Ried, der mitten in der Saison hinter dem Rücken des Sportchefs seinen Nachfolger sucht, was dieser von den Kandidaten erfährt, was so viel böses Blut macht, dass eine Trennung nur wenige Tage vor Rückrundensaisonstart unausweichlich wird. Da der potentielle Nachfolger abgesagt hat, muss der (sportlich eher ahnungsbefreite) Vorstand einen gutaussehenden Rookie ohne Erfahrung engagieren.
Ein anderer Vorstand wird noch stärker, nämlich mittlerweile praktisch komplett, vom Sponsor gestellt, der Würzburger Firma Flyer-Alarm, die dank des Höhenflugs ihrer Kicker ein kleines Imperium aufbaut und sich dafür die Admira ausgesucht hat - wo man mit Scheichs und Sponsoren als Alleinherrschern ja schon einige Erfahrung hat. Interessant, dass dieses neue Regime zwar das Maskottchen übernommen hat, nicht aber den führenden Kopf, dem der Höhenflug der letzten Jahre zu verdanken war.
5.
Der neue Admira-Coach ging es ebenso wie der Großteil seiner neuen und alten Kollegen sehr vorsichtig an. Buric übernahm im ersten Match eine von mehreren Lederer-Varianten. Ebenso wie sein Gegenüber bei Altach, Martin Scherb, das gebräuchlichste der Canadi/Grabherr-Systeme einsetzte. Resultat: ein komplett unansehnlicher Hundskick, bei dem es darum ging nicht zu verlieren, sich nicht zu blamieren.
Ähnliche Herangehensweisen gab es bei Wolfsberg und Mattersburg (erfolgreicher) und bei Sturm bzw Ried (weniger erfolgreich). Auch dort regierte Ideenarmut und Risikoscheu. Man setzt auf eingefahrene Wege, auch wenn die bis dato bis in die Abstiegszone geführt hatten. Auch die höchst ausrechenbare neue SVM-Spielanlage mit Maierhofer als Kopfprellbock wird sich spätestens nächstes Wochenende verbraucht haben.
Über Salzburg bzw St.Pölten lässt sich noch nichts sagen: die einen hatten (noch dazu daheim) keinen Gegner, die anderen stellten sich mit einem ungewöhnlichen 5-2-3 (bzw 5-4-1) vor, dessen mögliche Qualität noch nicht eruierbar ist.
Apropos Rapid und Trainer: das Engagement von Zoran Barisic im türkischen Karabük am Schwarzen Meer wird enorm wichtig für die hiesige Zunft. Setzt sich Zoki, der auch einen kleinen Stab mitnimmt dort durch, kriegt Österreich einen Fuß in den Trainer-Markt - und das würde den international schwach aufgestellten Fußball-Lehrern echt gut tun.
Die einzige echte Idee (die nämlich so geartet ist, dass man sich mit der Hand auf den Kopf schlägt und fragt, warum niemand schon früher drauf gekommen ist) hatte Damir Canadi mit seiner Holzhauser-Zustellung im taktisch sehr interessanten Wiener Derby. Dass sich seine Krisen-Truppe nicht mit einem Sieg belohnen konnte, hatte viel mit erstaunlicher Ungenauigkeit zu tun.
Viel schlimmer aber war die Reaktion der Austria, als ihr Aufbauspieler nicht mehr anspielbar war. Holzhauser selber wurde zum non-playing Captain, zum Dirigenten. Rotpuller, Filipovic, Serbest aber auch Grünwald zeigten, dass sie es nicht können (und auch, dass der Begriff der Eigeninitiative in ihrem Wortschaftz nicht existiert). Schlimmer war nur das Versagen dessen, der sein Team über 90 Minuten lang dümmlich über den Acker laufen ließ, als hätte man sie beim Zuckerl-Klauen ertappt. Thorsten Fink reagierte genau gar nicht, brachte nur seine üblichen Im-System-Wechsel, konnte aber weder während des Spiels noch in der Pause eine mannschaftstaktische Umstellung vornehmen. Mit anderen Worten: diesen - in jeder Hinsicht - inkompetenten Job an der Linie hätten so auch du und ich, und selbst ein Sack Erdäpfel wahrnehmen können. Finks Glück ist, dass der nächste Gegner, Franco Fodas Sturm Graz, strategisch wohl zu schwach ist um sich ein Beispiel zu nehmen und den Holzhauser-move zu wiederholen.
Die zweite Frühjahrs-Runde (morgen und Sonntag auf Plätzen und Screens in ganz Österreich zu sehen) könnte ein paar dieser das Spiel betreffenden Fragen beantworten. Die anderen Themengebiete bleiben offene, teilweise blutende Wunden.