Erstellt am: 25. 2. 2017 - 15:23 Uhr
"Es braucht keinen Champagner oder eine bestimmte Käsesorte."
Immer gibt es diese eine, fantastische neue Band, die live noch viel fantastischer sein soll, die aber irgendwie nie in Österreich spielt.
Vielleicht seid ihr schon einmal in einer ähnlichen Situation gewesen – Markus Gratzl, Initiator und Gründer der Veranstaltungsreihe Teenbeat Club, hat jedenfalls gehandelt, statt nur zu schwärmen. Und das ist mittlerweile zehn Jahre her: Angefangen mit Booking hat er im Kremser Kult-Club Avalon. Das war es auch, was man, wie er im Interview verrät, gebraucht hat, zumindest damals: einen Club nicht im Party-Sinn, sondern in Form eines Ortes, einer Lokalität. Das damals sehr Rave-lastige Krems war froh über die neue Möglichkeit, seinen Horizont musikalisch zu erweitern, weil Markus Gratzl sein Herz an melodischen Indiepop und Garage-60ies-Schmankerl verschenkt hat. Seine Shout Outs an der Stelle gehen an seine damaligen Mentoren, weil die ihm nicht nur alles über Ticketeinnahmen, Ticketanlagen, Steuerabgaben, Bands buchen, Werbung machen erklärt haben, sondern ihn auch in die Szene eingeführt haben:
"Die musikalische Sozialisierung war für mich wahnsinnig wichtig. Ich hatte einfach Leute um mich, die genauso musik- bzw. kulturinteressiert waren, sich im Veranstaltungsbusiness auskannten und mich von Anfang an unterstützt haben. Das lernt man auf keiner FH, das ist reines Learning By Doing."
The Incredible Staggers
Teenbeat
Der Teenbeat Club feiert am 25. 2. im Projektraum des Wiener WUK Geburtstag, und das mit ziemlich aufwendigem Rahmenprogramm:
- Buchpräsentation
- Ausstellungseröffnung
- Akustik-Set von Sado Maso Guitar Club
- Auftritt von Elva
- DJ Sets von u.a. Wild Evel
alle weiteren Infos zum Feierabend gibt es hier.
Sein Teenbeat Club – benannt nach einem Incredible Staggers-Tourplakat und auch inspiriert von einem ihrer Konzerte, bei dem die Schweißperlen von der Decke getropft sind ("Das geilste Konzert, das ich bis dahin gesehen habe", schwört Markus) hatte in Krems, Niederösterreich Seltenheitswert – und wurde dadurch zu einer Art Happening. Wer gespielt hat, war fast egal, um das lapidar zu formulieren – was sich in Wien schlagartig ändern sollte.
"In Wien bist einfach nicht du der Platzhirsch, so wie es mir in Krems gegangen ist. Hier stehen viel stärker die Bands, die du buchst, im Vordergrund, weil es einfach so ein großes Angebot gibt. Die Idee von Teenbeat war es, sich in die Nische Indiepop meets Garage zu setzen, und sich dort eine Fanbase aufzubauen."
Die zwei Eckpfeiler beim DIY-Veranstalten: Community building und Netzwerk aufbauen. Markus Gratzl lernt Filip Potocki kennen, damals noch Booker im Wiener B72, jetzt Chef bei Arcadia Live. Über ihn veranstaltet er erstmals in besagtem Gürtelbogenlokal, trifft weitere BookerInnen und Player der Veranstaltungsszene Wiens, aber auch aus den Bundesländern (zum Beispiel Andy Franzelin vom Weekender Innsbruck).
Shirin Omran
Und wie ist das mit dem Konkurrenzdenken?
"Ich will nicht Neid sagen, nennen wir es eher Prestige. Man bucht die Acts, die einem gefallen, solange, bis man draufkommt, es ist eigentlich kein Gegen- sondern ein Miteinander. Es geht nicht darum, dass ich diese oder ein anderer Veranstalter eine andere Band bucht, sondern dass wir gemeinsam versuchen, die Szene zu bereichern. Viele Leute leisten hier großartige Kulturarbeit, und die sollte im Mittelpunkt stehen."
Apropos Teamgedanke: Markus mag es außerdem nicht, wenn Teenbeat als "sein Projekt" bezeichnet wird. Es ist das "Team" Teenbeat, das er immer wieder hervorstreicht, das über die Jahre gewachsen ist und ermöglicht hat, die Idee bis jetzt zu verfolgen. "Schließlich kann sich niemand vierteilen, es gibt so viele Funktionen, die Band muss betreut – und die Kassa besetzt werden, Flyer müssen verteilt und das Ticketing geklärt sein." Das gemeinsame Kreative arbeiten, die Leidenschaft für dieselbe Art von Musik, das ist eigentlich sein Highlight in zehn Jahren Teenbeat. "Die eigentlichen Rockstars, das sind nicht die Bands, sondern die VeranstalterInnen und ClubbetreiberInnen. Nur, kennt die halt niemand."
Acoda
Also: Die musikalische Vision ist klar ausformuliert, Unterstützer und im besten Fall ein kleines Team sind gefunden, das erste Konzert vielleicht auch schon gebucht. Und jetzt?
Jetzt heißt es abends an der Kassa sitzen und warten, ob auch genügend Leute kommen. Das Geld, das man einnimmt, beläuft sich nämlich bei den meisten Wiener (und auch Bundesländer-) Veranstaltungen tatsächlich auf die verkauften Eintrittspreise, weil die Bareinnahmen nicht an den Veranstalter/ die Veranstalterin gehen, sondern in der Kasse der Lokalität bleiben. Kultursponsoring ist im Bereich Konzertveranstaltungen überschaubar (der sozialen und kulturelle Einrichtungen der austro mechana, kurz SKE, vergeben zwar dementsprechende Förderungen, behalten da aber eher, und logischerweise, österreichische Acts im Auge; nähere Infos hier), und bei Firmensponsoring stellt sich die Frage, ob man das überhaupt möchte, als unabhängiger Veranstalter. Gerade also, wenn man sich wie Teenbeat Club oder etwa auch Reich & Föhn auf hauptsächlich internationale Acts spezialisiert hat, ist es mit den Subventionen schwierig.
Ulrich Hegewisch
Eva Zimmermann, die seit vielen Jahren den Club Nolabel betreibt - ein Veranstaltungsformat, das jungen, noch ungesignten österreichischen Bands in regelmäßigen Abständen eine Plattform bietet - kennt diese Schwierigkeiten nur zu gut: "Die Etablierung einer Gratis-Musik-Kultur lehne ich ab, daher appelliere ich an VeranstalterInnen, Musik nicht umsonst zu verkaufen, denn das Publikum soll wissen, dass das Musikschaffen an sich etwas wert ist."
Die DIY-Veranstaltungsszene konzentriert sich in Österreich nicht immer, aber häufig, auf musikalische Nischen, weshalb der kommerzielle Aspekt wegfällt. Und dadurch in weiterer Folge oft nennenswerte Einnahmen. Markus Gratzl erzählt ganz offen im Interview, dass er - um sein Team zu schützen und auch die Motivation aufrecht zu erhalten- schon einige Rechnungen auf die eigene Kappe genommen hat. Weil manchmal einfach Gagen vorausgestreckt werden mussten oder am Ende des Tages nicht genug Leute zum Konzert gekommen sind.
Andrwe Swan
Soll ichs wirklich machen...?
Ab und zu, gibt Markus zu, war er schon ziemlich stur. Auch, wenn klar war, dass zu einem Konzert vielleicht nur hundert Leute kommen würden, wollte er die Band unbedingt buchen. "Es ist oft eben keine rationale, sondern eine emotionale Entscheidung." Der Engel plärrt: Um Gottes Willen nein! Und der Teufel zwinkert: Los, geht schon, das wird super.
Niko Ostermann
Es ist aber nicht nur das Risiko, dass zu wenige Tickets verkauft werden. Ein weiterer Grund, mit dem Veranstalten aufzuhören ist die fehlende Anerkennung, vom Publikum, aber auch von den Medien. Es geht nicht immer nur darum, eine Band zu bewerben, sondern auch die Leute, die es ermöglichen, dass eben diese in Österreich auftritt, dass ihre Arbeit als wertvolle Kulturarbeit angesehen wird. Markus zieht Bilderbuch als Beispiel für genau dieses Phänomen heran:
"Bilderbuch ist kein kreiertes Medienphänomen, sondern kontinuierlich gewachsen. Da war kein Manager, kein Hit, nicht einmal die Band – mit Verlaub, sie sind großartig, und wenn sie keine guten Songs geschrieben hätten, wären keine Medien darauf angesprungen! – allein dafür verantwortlich. Das sind natürlich alles Teile des Puzzles, aber das Gesamtkonstrukt kann nur wachsen, wenn es die nötige Infrastruktur gibt. Wenn es Clubs gibt, wenn es idealistisch veranlagte DIY-VeranstalterInnen gibt, die im Falle von Bilderbuch die Burschen für zahlreiche Dorffeste oder ländliche Kulturvereine gebucht haben. Und das war der Ausgangspunkt, von dem sich alles entwickelt hat."
Shirin Omran
Über die Jahre hinweg hat ihn das Veranstalten sicherlich abgehärtet, erzählt Markus. Vor allem auch den Künstlern gegenüber: "Ich bin der vollen Überzeugung, man sollte allen Künstlern – sowieso allen Menschen- mit Respekt begegnen. Es braucht dabei keinen Champagner oder eine besondere Käsesorte." Kurz vergleicht er den ganzen Veranstaltungszirkus mit einer Bank, wo er tagsüber zu finden ist, wenn nicht gerade mitten im Bookingprozess steckt: "Es ist wie mit Aktien. Du kaufst sie ein und hoffst, dass du einen Gewinn machst. Nur von Luft und Liebe leben kann niemand, und am Ende des Tages – sofern du davon leben musst- musst du profitabel wirtschaften."
Nur, da nimmt sich der Teenbeat Club-Gründer schnell selbst an der Nase. Das Menschliche darf man nie vergessen, und dass die KünstlerInnen und Bands eben keine Aktien sind, keine Dinge, über deren Kopf hinweg man verhandelt. "Es sind außerdem oft Leute, die genauso verlieren wie ich. Wenn Bands wie The Pains Of Being Pure At Heart durch Europa touren und dabei in Clubs wie dem Wiener Chelsea auftreten – na ganz ehrlich, die verdienen dabei ja nichts."
Teenbeat
Soweit es also geht, sollte das Finanzielle ausgeblendet werden. Das ist nicht immer leicht, aber viel wichtiger als reich werden ist die gemeinsame Zeit mit, in der und für die Musik.
Das sind die vorläufig letzten geplanten Teenbeat-Shows in Wien:
- 10.04., Wolf People (uk), Chelsea
- 07.05., Teenbeat memories with The Wave Pictures (uk), Chelsea
- 08.05. Happyness (uk), Rhiz
- 08.08. Preoccupations (us), Chelsea
Teenbeat Club hat im Laufe seiner zehnjährigen Karriere nicht nur Konzerte, sondern auch weitere Nebenprojekte wie ein "Indie-Frühstück" oder die Clubreihe "Magic Carpet Ride" veranstaltet (nicht alle diese Events waren Teenbeat-Erfindungen, wurden aber unter der Marke weitergeführt). Jetzt, nach zehn Jahren, ist das Team zwar nicht müde, aber doch gewillt, ans Aufhören zu denken. Neuen Spielern am Markt den Platz zu räumen, und weil das Angebot nach wie vor wächst und wächst, macht sich Markus um einen Teenbeat-Nachfolger keine Sorgen. "Die Lücke wird sich schnell schließen, es gibt so viele gute, sehr coole VeranstalterInnen in Wien – wir hoffen nur, wir haben mit Teenbeat Club eine zeitlang die Szene noch um eine Nuance bereichern können."
Und leise geht natürlich niemand….
Teenbeat Club
Im Sinne der Zehnjahresfeier, dem wahrscheinlich baldigen Abschied aus der österreichischen Veranstalterlandschaft und um einfach einmal allen Partnern, Sponsoren, Unterstützern, Bands und vor allem dem Team Danke zu sagen, gibt es neben einem Buchband, der die wichtigsten Teenbeat Club-Momente festhält, auch einen von Acoda produzierten Dokumentationsfilm über die österreichische DIY-Veranstaltungsszene.
Und der heißt passenderweise zum Abschluss: "Get The Sound – Is There More Than Just Teenbeat?"