Erstellt am: 16. 2. 2017 - 18:49 Uhr
"Revolte der Spione" gegen Trump-Regierung
"Die Revolte der Spione gegen Trump beginnt" so martialisch titelte der ehemalige NSA-Mann John Schindler seinen Gastkommentar im britischen "Observer" am Sonntag. In der Nacht auf Dienstag war es dann soweit: Michael Flynn, der Nationale Sicherheitsberater Präsident Donald Trumps trat zurück. Auslöser waren Geheimdienstberichte, in denen Flynns Berufung als Risiko für die nationale Sicherheit der USA dargelegt wurde.
Am Mittwoch legten US-Medien die umfangreichen Kontakte von anderen Mitarbeitern des Präsidenten zu russischen Offiziellen in erstaunlichen Details offen. Wie alle anderen davor kamen auch diese Leaks aus dem Geheimdienstapparat, der Trump und seine Mitarbeiter wegen dieser engen Kontakte offensichtlich bereits seit 2015 überwacht hatte. Hinter den Kulissen läuft seit Herbst ein heftiger Schlagabtausch zwischen US-Geheimdiensten und ihren russischen Widerparts.
Erin A. Kirk-Cuomo / Wikipedia / Public Domain
Sack über Kopf
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Der Rücktritt Michael Flynns in der Nacht auf Dienstag und Neue Vorwürfe gegen Trumps Team Ihr Inhalt: Spionagekontakte nach Moskau.
Ende Jänner wurde in Moskau Anklage wegen Landesverrats gegen zwei hochrangige Offiziere des KGB-Nachfolgers FSB sowie einen leitenden Techniker der Moskauer Anti-Virusfirma Kaspersky Labs erhoben. Die drei Angeklagten waren im Dezember verhaftetet worden, laut russischen Medien werden sie beschuldigt, Informationen an die CIA weitergegeben zu haben. Einer der beiden Offiziere soll während einer Sitzung des FSB-Führungsgremiums überfallsartig verhaftet und mit einem Sack über dem Kopf abgeführt worden sein.
Beim zweiten FSB-Mann soll es sich überhaupt um den Kopf der "Haltai Boltai"-Gruppe ("Humpty Dumpty") handeln, die unter dem "Anonymous"-Logo operierte, ursprünglich in Opposition zum Kreml gestanden war. Wie ein Mitglied dieser Gruppe, das nach Estland geflohen war, gegenüber der BBC am Wochenende erklärte, sei das FSB bereits seit 2014 hinter dieser Gruppe hergewesen.
FSB rekrutiert kriminelle "Hacker"
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Irgendwann 2016 sei das FSB dann mit einem "Angebot" gekommen, erklärte der unbenannte Zeuge "Alexander" einem BBC-Reporter, die Gruppe wurde unter Kuratel des FSB gestellt und dazu verpflichtet, alle Dokumente vor ihrer Publikation vorzulegen. Gegebenenfalls sollten dabei auch vom FSB gestellte Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. Mitte Jänner wurde auch der Direktor des "Center für Informationsssicherheit" beim FSB über Nacht gefeuert, ohne dass es dafür eine Erklärung gab. Der BBC-Bericht wirft ein bezeichnendes Licht auf die merkwürdige Symbiose von Kriminellen und Agenten im "Cyber"-Raum,
Seitdem ist der zivile Austausch in Sachen Schadsoftware zwischen den beiden Blöcken praktisch zum Erliegen gekommen, westliche Experten werden zu russischen Konferenzen nicht mehr eingeladen, die russischen Experten sind auf Tauchstation. Allen Spannungen zwischen Russland und dem Westen seit Annexion der Krim im Jahr 2014 zum Trotz war dieser Austausch weitergegangen, bis im Dezember Schluss war.
Basierend auf Untersuchungen der US-Geheimdienste hatte Barack Obama im Dezember schwere Vorwürfe gegen Russland wegen versuchter Manipulation der US-Präsidentschaftwahl erhoben
"Cyber"-Schläge und Gegenschläge
Seitdem wird nur noch auf Ebene der Militärgeheimdienste geredet, diese Gespräche laufen im Büro des "Wassenaar-Vertrags zur Rüstungskontrolle" im ersten Wiener Gemeindebezirk. Wassenaar regelt den Export ziviler Güter, für die es auch militärische Verwendung gibt. Unter diese "Munitions" fällt 2013 auch Angriffssoftware wie "Exploits", die zum Eindringen in fremde Netze benutzt werden kann. Parallel zu den Verhaftungen in Moskau wurden die Außenministerien der NATO-Staaten Polen, Norwegen und Tschechien von staatlichen Akteuren angegriffen.
Die BBC hatte "Alexander" in Estland aufgetrieben, wohin er vor dem FSB geflüchtet war
Dass es wieder einmal "die Russen waren" steht weitestgehend außer Frage, denn gerade findet die größte Truppenaufstockung der NATO seit Ende des Kalten Kriegs an Russlands Nordwestgrenzen statt. Die "Cyber"-Aktionen der Russen werden allgemein als Antwort auf die Manöver im Baltikum angesehen. Die überraschenden Verhaftungen in Moskau fielen wiederum mit den Androhungen von Gegenschlägen durch Noch-Präsident Barack Obama zusammen. Obama hatte Russland mit Vergeltung für den Angriff auf den Demokratischen Parteikongress gedroht.
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Das Russische Staats-TV RT hat bis jetzt für Trump getrommelt, doch nun zeichnet sich das Ende des Kuschelkurses ab.
John Schindler weiter
Unter solchen internationalen Auspizien wurde Donald Trump vereidigt, sein Sicherheitsberater Michael Flynn hatte die ganze Zeit über Telefonkontakt mit der Botschaft der Russischen Föderation. In Folge hatte die CIA vergangene Woche bereits die Akkreditierung eines engen Mitarbeiter Flynns verweigert. Wie die gesamte "Intelligence Community" befürchtete auch die NSA, dass die engsten Verbündeten rund um den Globus nun ebenfalls die Informationsflüsse einschränken könnten, schrieb Schindler weiter.
Das Russische Staats-TV RT hat bis jetzt für Trump getrommelt, doch nun zeichnet sich das Ende des Kuschelkurses ab.
Wichtige Nachrichten sollten nicht in die Hände Russlands fallen. Die NSA ist auf ihr weltumspannendes Überwachungsnetz angewiesen, wie auch die Vor-Ort Spionage durch die CIA ohne die Nachrichten von verbündeten Diensten schlichtweg nicht funktionieren würde. Dass Flynn ein Sicherheitsrisiko für die Beziehungen mit der NATO war, stand spätestens seit seinem Auftritt 2015 mit Wladimir Putin bei einer Gala des Staatsenders RT fest. Dass ein so hochrangiger Geheimdienstmann wie Flynn obendrein mit dem russischen Botschafter regelmäßig über das öffentliche Telefonnetz kommunizert bleibt aber einfach rätselhaft.
RT
"Moskau-Fraktion" wird demontiert
The Spy Revolt Against Trump Begins John Schindler im "Observer". Sein eigener Blog XXCommittee ist mit - mit den üblichen Vorbehalten - lesenswert
Auch der von Trump berufene neue CIA-Chef Mike Pompeo hatte bereits in den Hearings im Kongress offen Stellung gegen die "Russland-Fraktion" um Flynn bezogen. Sowohl Pompeo als auch der neue Außenminister Rex Tillerson - Träger des russischen Freundschaftsordens - hatten Russland als den im Moment gefährlichsten Gegner der USA bezeichnet. Mit Flynn ist der wichtigste der Russlandfreunde abgetreten, Trumps Chefberater Steve Bannon könnte der nächste auf der Liste der Sicherheitsrisiken im direkten Umfeld des Präsidenten sein.
An das Thema "Aufhebung der Sanktionen" in seinem letzten Telefonat mit der Botschaft Ende Dezember konnte sich Flynn bis zuletzt nicht erinnern, wohl aber konnte das die NSA. Neben den Sorgen um den Datenaustausch mit den Verbündeten, so Schindler abschließend, hätten aber auch "nagende Zweifel an der Grundkompetenz der Trump-Administration" dazu geführt, "dass die Spione diesem Weißen Haus nicht mehr trauen".