Erstellt am: 16. 2. 2017 - 11:34 Uhr
Rausch mit Formzwang
Mit "Wilde Maus" hat Publikumsliebling Josef Hader erstmals im Regiestuhl Platz genommen. Auf Anhieb ist er damit im Wettbewerbsprogramm der Berlinale gelandet, die dieser Tage stattfindet. Er selbst spielt darin den Protagonisten Georg.
Georg war einer, dessen Meinung etwas gegolten hat, in Wien: ein Zeitungskritiker klassischer Musik, allabendlich in Konzerthaus oder Oper, um am Tag darauf in gestochenen Kritiken einer Aufführung seinen Sanktus zu geben, oder eben nicht. Doch dann wird Georg, gerade er, der unersetzbare Kritikerpapst, wegrationalisiert und ersetzt durch eine junge, billigere, scheißfreundliche Kollegin unter Anführungszeichen (Nora von Waldstätten).
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An der deutschen Sau, seinem ehemaligen Chef, einem ironiebefreiten Medienmanager (Jörg Hartmann), der in einer noblen Villa in betuchter Gegend wohnt, wird er sich fortan rächen. Dem Ex-Chef einen blutigen Rossschädel zukommen zu lassen, empfiehlt ihm sein neuer Freund (und ehemaliger Schulfeind), ein Strizi aus dem Prater – Georg Friedrich, wer sonst?
Und die Freundin? Weiß und erfährt nichts davon und hat ihre eigene Mission: sie will ein Kind. Wenn sie den Eisprung hat, muss Georg zum Zeugungsakt kommen. Abends, wenn Georg nach Hause kommt, räumt sie schnell die Rotweinflasche weg, die sie bereits geleert hat – Pia Hierzegger, Markenzeichen: kantiger Charme.
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AKL: Du wolltest wieder einmal etwas tun, vor dem du dich richtig anscheißt. In Bezug worauf?
Josef Hader: Anscheißen natürlich vor der Regie, weil ich das noch nie gemacht hab. Und weil das schwer ist für jemanden, der keine Ausbildung hat und sich konzentrieren muss, weil er auch noch mitspielt. Aber vorrangig war nicht der Gedanke, dass ich unbedingt etwas brauche, vor dem ich Angst hab. Sondern, dass ich immer schon ein ganz eigenes Buch schreiben wollte und ganz hinten im Kopf mich gefragt habe, ob ich mich trau, das dann auch selber zu inszenieren. Und ich mir gedacht hab, das musst jetzt bald machen, weil sonst bist du zu alt. Das war der Hauptimpuls.
Kristen Stewart hat in einem Interview mit dem Ray Filmmagazin gesagt, „Ich will soweit wie möglich die Kontrolle verlieren, mich nicht wiederholen und Dinge tun, die mir zunächst Angst machen“. Würdest du das auch unterschreiben?
Absolut. Ich glaub, dass Kontrollverlust ganz was Wichtiges ist bei der Schauspielerei. Und auch beim Schreiben. Dass man nichts mehr berechnet. Man kann sagen, die Figuren übernehmen das Kommando oder es schreibt mit einem. Wie auch immer: Irgendwann ist es gut, in den Zustand zu kommen, wo man nicht mehr denkt, ob das irgendwer versteht, ob das lustig ist oder traurig. Sondern wo du fasziniert bist von der Geschichte. Und beim Spielen erleb ich das auch so, dass da natürlich viel Kontrolle dabei ist, dass aber Kontrollverlust was Wichtiges ist, dass du alles vergisst. Ich wusste beim Regieführen, dass ich die Technik so mache, dass nie der Schauspieler etwas für die Technik machen muss. Dass die Technik unauffällig einfängt und der Schauspieler gar nicht merkt, dass er eingefangen wird.
Es schreibt sich selbst, es schreibt mit einem, das sind immer so Formulierungen,...
Es sind hilflose Formulierungen. Es ist ein Spaß, einerseits einen Plan zu haben, aber den Plan auch beim Schreiben immer zu zerstören.
Und dass man selber wissen will, wie die Geschichte weitergeht?
Ich überlege grad, ob es auch damit zu tun hat, dass es einen Plan und einen Formzwang gibt und dass man andererseits möglichst impulsiv schreibt. Und die Kombination von beidem ist so geil. Du bist impulsiv, aber du machst intuitiv auch genau das Richtige für deinen Plan. Ich denk mir das manchmal bei Musikern, wenn die so richtig gut sind, dann ist da enorm viel Technik und Kontrolle dabei. Wenn man sich aber in der hohen Kontrolliertheit wie in einem Rausch verliert, dann ist beides da. Jedenfalls ist der Rausch immer ärger, wenns mit einem Zwang zu einer Form verbunden ist. Der Rausch mit Formzwang ist fast der geilere Rausch.
Wie war das dann praktisch am Filmset?
Der Hauptschmäh war, dass ich nicht als Regisseur gekommen bin und gesagt hab, so und so und so. Der Produzent, der Michi Katz, hat zu mir gesagt, Josef, du machst das raffiniert, du kommst immer ans Set und sagst, mein Gott ich kann ja nix, i bin so arm, bitte helft´s mir alle. Ganz so war es auch nicht, aber ich war irrsinnig offen für alle Vorschläge. Ich hab an dem Ding eh lang genug geschrieben, ich hab gewusst, was ich wollte und mich gefreut über alles, was dazu kommt.
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Ich möchte auf die weibliche Hauptrolle eingehen. Die ja ihr eigenes berufliches Leben führt, einen starken Kinderwunsch hat und außerdem ein Alkoholproblem, das sie geheim hält. Das ist quasi ihr Parallelgeheimnis, weil Georg verrät ihr ja auch nicht, dass er arbeitslos ist. Was war deine Motivation, der Hauptfigur ein Alkoholproblem anzudichten?
Vorwiegend war es so: Sie braucht auch Geheimnisse und nicht nur er. Und zweitens ist es falsch verstandene Gleichberechtigung, wenn man Angst davor hat, den weiblichen Figuren nicht auch eine Form von Lächerlichkeit oder von Schwäche zu geben. Ich hab Reaktionen bekommen auf das Drehbuch, dass die Frau unmögliche Sachen macht und so schwach ist. Ich finde, gerade das ist die Gleichberechtigung, dass die männliche Hauptfigur lächerlich ist in dem Film und die weibliche Hauptfigur auch in ihrer Art Schwächen hat und manchmal peinliche Dinge macht. Das mit dem Alkoholproblem, ehrlich, da denkst nicht weiter nach. Da hast eine Therapeutin, die hat ein Therapiegespräch und der Klient steht auf und sagt ihr auf den Kopf zu, sie kann nix. Und irgendwie ist das einfach lustig, wenn die Therapeutin aufsteht und zum Schrank geht und einen Schnaps trinkt, weil sie´s auch net packt. Diese Spiegelung fand ich gut. Wenn man sagt, eine Frau muss besonders souverän sein, das ist das Gegenteil von Gleichberechtigung.
Weiblicher Alkoholismus ist eigentlich unterrepräsentiert im Spielfilm.
Stimmt. Das ist in alten Filmen besser dokumentiert, das traut man sich heute nicht mehr. Dabei hat so etwas eine Würde gehabt, stoische Alkoholiker beiderlei Geschlechts, die mit hölzernen Schritten herumrennen, mit ihrem Whiskyglas, ohne dass das Eis Lärm macht.
Zu deiner Figur noch. Meine These ist, dass Berufe, in denen jemand es schafft, subjektiv seine Meinung zu verkaufen, eher überleben werden als Prater-Achterbahn-Betreiber. Das wird computergesteuert. Aber je besser man es schaffen wird, die eigene Meinung zu verkaufen, desto eher wird es einem gelingen. Da denke ich auch, dass es eine Nische für klassische Musikkritik geben wird.
Die These ist richtig. Es geht mir auch nicht darum, ob der Beruf nicht mehr gebraucht wird. Es geht darum, dass diese Großkritiker bis vor wenigen Jahren in der klassischen Musik Karrieren vernichten konnten, die konnten wirklich Menschen verhindern. Das waren Könige und die waren auch in dem Bewusstsein und sind´s heute noch. Wenn man die Zeitung liest, schreiben die immer noch wie Könige, dabei sind sie keine mehr. Aber vor einigen Jahren in Wien waren das noch Könige, die waren aufgeblasen in ihrer Bedeutung. Und das hat mich interessiert, dass jemand so bedeutend ist und dem das auch auch so wichtig ist, dass er bedeutend ist. Wenn so jemand fällt, das ist eine Fallhöhe! Das ist jetzt nicht ganz so wie bei Shakespeare, wenn der König stürzt, aber das hat ein bissl was von dem. Ich wollte einfach einen König stürzen sehen.