Erstellt am: 20. 2. 2017 - 09:34 Uhr
Ein Videochat aus der Sauna
Der Ringer sitzen gerade in der Sauna, als wir uns zum Videochat treffen. Nicht um zu schwitzen, sondern weil die in einen Bunker umfunktioniert wurde. In Hamburg wurde gerade eine alte Fliegerbombe gefunden, bis die entschärft ist, muss man sich an ein sicheres Örtchen zurückziehen. Trotzdem könnte die Interviewlocation kaum passender sein - ein Ort der Hitze, des Dampfens und der Entschleunigung. Der einen aber trotzdem auch ganz schön fertig machen kann. Wie die Musik am neuen Album der Band aus Hamburg.
"Soft Kill" heißt die Platte, auf der die Gruppe softe Elektronik mit überladenen Verzerrungen vermischt und auch mal ein bisschen Auto-Tune in den Mix nimmt. Lieder über die digitale Welt gibt es darauf zu finden, über die abstrakte Liebe zwischen Mensch und Computer und große Distanzen, die dank technologischer Fortschritte überwunden werden. Der Ringer begrüßen die schöne neue Welt der digitalen Ohnmacht mit offenen Armen, vermischen beliebig musikalische Einflüsse, ignorieren Genregrenzen und entwickeln daraus ihren eigenen Sound der weichen Klänge, der harten Gefühle und der ausgewaschenen Endlosigkeit.
Markus Alexander Voigt
Euer Album ist fertig, Gratulation. Wie fühlt ihr euch jetzt, nachdem das Ganze fertig ist: erleichtert, gestresst, aufgeregt?
Ich glaube alles gleichzeitig wahrscheinlich. Also gestresst sowieso, weil es muss ja immer weitergehen. Wir müssen jetzt einen Haufen Videos machen. Es ist halt alles noch nicht wirklich vorbei, deswegen sind die ganzen Gefühle ein bisschen in der Schwebe, momentan. Aber wir sind zum Beispiel schon am Weiterarbeiten an neuen Songs, weil wir nicht so viel Zeit verstreichen lassen wollen, zwischen diesem Album und dem, was dann auch noch mal kommen wird, wahrscheinlich. Deswegen halten wir uns schön busy.
Ihr habt letztes Jahr die EP "Glücklich" veröffentlicht. Von der sind auch zwei Tracks auf dem Album zu finden, "Apparat" und "Kanada". Warum habt ihr euch dazu entschlossen?
Weil wir dachten, dass die Songs noch ein bisschen Potential haben. Und das ist auch nicht die gleiche Version wie auf der EP, sondern quasi ein Rework. Und wir fanden, dass die auch voll gepasst haben, soundmäßig. Die EP sollte das Album auch ein bisschen anteasern, das war von vornherein der Gedanke.
Der erste Track am Album und die erste Single, die ihr davon veröffentlicht habt ist "Orbit". Was war denn da die Intention dahinter?
Das war die Idee von unserem Produzenten Filippo: Als wir darüber nachgedacht haben, was die erste Single sein könnte, meinte er sofort, das müsste "Orbit" sein, weil das den Sound auf dem Album und die Thematik am besten abdeckt. So als Introduction. Was vor allem interessant ist, weil er selber kein Deutsch spricht, also er versteht die Texte überhaupt nicht. Seine Meinung war uns da sehr wichtig, weil wir ihm da sehr vertrauen.
Ich hab' ein Interview von euch gefunden, indem ihr genau das ansprecht: Dass es schön ist Musik zu machen, die auch Leute hören können, die die Texte nicht verstehen.
Allein schon bei der Lautstärke vom Gesang: Wenn man internationale Musik mit deutscher Musik vergleicht, dann ist bei deutschsprachiger Musik der Gesang unfassbar weit vorne, also auch bei Popmusik. Dass die Stimme mehr mit den Instrumenten verschwimmt, war uns sehr wichtig. Bei uns hat auf jeden Fall die Musik im Verhältnis zum Text einen höheren Stellenwert als bei manchen anderen deutschsprachigen Bands. Der Text ist zwar auch sehr wichtig, aber wir verstehen den nicht als Vortrag. Der muss nicht für sich stehen, sondern der muss mit der Musik funktionieren und die sind gleichwertig.
Ist das etwas, das aus eurer musikalischen Vorbildung kommt?
Ja, bei uns allen ist es so, dass wir nicht nur deutschsprachige Musik hören - wir sind, glaub ich, recht weit gefächert, was unsere musikalischen Vorlieben angeht. Dadurch sehen wir auf jeden Fall auch die Stimme als melodisches Instrument. Deswegen kam das für uns gar nicht in Frage, das irgendwie anders zu mischen.
Ihr habt in dem, was ihr macht, einen Mut zum weichen Klang. Woher kommt denn eure Faszination dafür?
Erstens sind wir alle ziemlich emotionale Typen, die sehr viel Spaß daran haben, emotionale Musik zu machen, die durchaus weich sein muss. Zweitens ist der Begriff "weich" was total Formbares. Was weich ist, kann man formen und das kann sich weiterentwickeln. So wie die Musik, die durchaus einen Rockhintergrund hat durch E-Gitarren und Schlagzeug, zu verbinden mit weichen Synthesizersounds und Samples, die aus Genres kommen, die man durchaus eher als weich verstehen könnte. Wir haben Rock auf jeden Fall, glaub ich, nie als Musik für harte Typen verstanden, wie das manchmal portraitiert wird, sondern eben als Ausdruck von Gefühlen.
Diese absichtliche Umdeutung der Begriffe ist auch in euren Texten und in dem Kontext zu sehen, in dem ihr euch bewegt: Diese Distanzierung von der echten Welt und das Hinbewegen zur digitalen Welt. Während das viele Leute eher pessimistisch betrachten, habe ich bei euch den Eindruck, dass ihr euch optimistisch daraufhinbewegt.
Ja, auf jeden Fall. Das Digitale erleichtert das Leben auch oft. Natürlich ist es schön, mit jemandem persönlich zu sprechen. Andererseits ist es auch was Schönes aus einem anderen Land mit der Freundin zu skypen oder sich auf Facebook schöne Emoticons zu schicken. Das kann auch was sehr Romantisches haben.
Es ist ja auch sehr schön, technische Welten zu nehmen und dann zu romantisieren. Und damit neue Bedeutungen entstehen zu lassen.
Ja, so als Beispiel: Man sollte jetzt nicht auf Facebook Schluss machen. Dabei kann das ja sehr viel besser funktionieren. Für uns ist das eben selbstverständlich. Deswegen würden wir nie auf die Idee kommen, das jetzt anders darzustellen. Ob das tatsächlich alles war, was in den Texten drin ist, ich glaube, das können wir den Zuhörern auch ein Stück weit überlassen.
Warum meinen Leute denn, dass man nicht auf Facebook Schluss machen soll?
Weil in der "realen" Welt ein Begriff von Ordnung vorherrscht oder Konventionen. Und Facebook oder Facetime immer noch was Neues sind, das wahrscheinlich einfach noch ein bisschen Zeit braucht, um sich zu etablieren. Und Leute verwenden diese Vorstellung von: Dann schreibt man einen Brief auf Papier oder so. Das dient dazu, die Vergangenheit zu romantisieren. So eine Nostalgie zu füttern. Und da haben wir gar kein Interesse daran, weil ich glaube, damit redet man sich die Gegenwart und wahrscheinlich auch die Zukunft schlecht.
Das ist auch sehr schön an euren Texten, dass ihr euch hinstellt und sagt, die Welt ist doch auch eine echte Welt, weil die Leute halten sich ja dort drin auf.
Ja, zum Beispiel, als dieser kurze Hype um Pokemon Go war, da sind halt fünftausend Leute in den Central Park gegangen und die sind da in einer Realität gewesen. Und das sind aber wahrscheinlich die gleichen Leute, die eigentlich die Realness wollen. Aber dadurch, dass sie sich da aufhalten den ganzen Tag, ist es genauso real wie in der U-Bahn zu sitzen.
Wenn ich mir einige kontemporäre Rockbands ansehe, die auch Relevanz zeigen, nehmen die öfters Elemente von Cloudrap oder Vaporwave und bringen die rein in ihre Musik. Und erreichen damit auch ein Publikum, das sich möglicherweise gedacht hat: Ah, dieser Indie-Scheiß, da hab' ich keine Lust mehr drauf.
Wobei da ist auf jeden Fall noch Raum nach oben, würd ich sagen. Es gibt schon noch ein sehr großes Publikum, das den nostalgischen, authentischen Rockmoment live sucht. Und die auch eine große Feindschaft in sich haben gegen sowas wie Cloudrap oder Popmusik im Radio. Die kriegen dann Ausschlag bei unseren Konzerten, wenn sie hören, dass wir Auto-Tune auf der Stimme haben. Und diese Fronten gilt es, glaube ich, in der Rockmusik aufzulösen, weil das überhaupt nicht die Produktivität innerhalb der Musik fördert.