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Daniela Derntl

Diggin' Diversity

13. 2. 2017 - 06:37

Protest vong Contest her

Der Sieger des FM4-Protestsongcontests ist Danyàl mit "Hosgeldiniz (Reiß die Arme auf)". So war das Finale.

Protestsongcontest

Den Livestream vom Protestsongcontest 2017 gibt's hier zum Nachsehen.

Ausverkauft und ausgelassen – so präsentierte sich der 14. FM4-Protestongcontest im Wiener Rabenhoftheater, der wie immer am 12. Februar, am Jahrestag des österreichischen Bürgerkriegs, stattgefunden hat.

Gewonnen hat Danyàl, der mit „Hosgeldiniz (Reiß die Arme auf) die meisten Punkte von der Jury – aber keine vom Publikum bekommen hat. Das liegt vielleicht daran, dass der Sänger aus Bayern in Österreich noch ziemlich unbekannt ist.

Danyál mit seinem Song "Hosgeldiniz (Reißt die Arme auf)". Protestsongcontest 2017 Sieger

FM4 / Christian Stipkovits

20.00 – Auftakt mit dem Wiener ArbeiterInnen-Chor

Eröffnet wurde der Abend wie gewohnt vom Wiener ArbeiterInnen-Chor, der mit der antifaschistischen Hymne „Die Arbeiter von Wien“ Ernst und Würde in den doch eher chaotischen Abend gebracht hat.

Zum Prozedere:

Zehn Bands präsentierten ihre Protestsongs unter der launigen Ägide von Moderator Michael Ostrowski, und eine sechsköpfige Jury – bestehend aus der Autorin und Bachmann-Publikumspreis-Gewinnerin Stefanie Sargnagel, der Musikerin Clara Blume, der Journalistin Olivera Stajic von Der Standard, dem Wienerlied-Strizzi Voodoo Jürgens (der übrigens beim allerersten Protestsongcontest mit dem Song „Ich hasse deine Eltern“ mitgemacht hat), FM4-Chef-Controller Martin Blumenau und Gitarrist Peter Paul Skrepek von der Musikergilde. Auch das Publikum im Saal und vor den Live-Streams konnte quasi als siebentes Jury-Mitglied auf fm4.ORF.at mit abstimmen.

Christian Stipkovits

Zu protestieren gab es auch dieses Mal viel – denn „demokratie-politisch läufts überall gut! USA, Russland, China, sämtliche afrikanische Staaten, halb Asien, Ungarn, Polen, Graz. Überall wird die Protestkultur hochgehalten. (…) Es ist eine schöne Zeit für den Protestsongcontest“, so Moderator Michael Ostrowski lakonisch. Den Anfang machten die sehr gut in Glitzer gekleideten und leiwand geschminkten Post Period.

20.25 - Post Period – Sonic War

Das Linzer Frauen-Trio Post Period macht Post Punk – schwer beeinflusst von Bands wie Joy Division und den frühen The Cure. Ihr Song „Sonic War“ ist ein höchst intimer und privater Protest, wie Sängerin und Schlagzeugerin Vivian im FM4-Interview erklärt:

„Der Text ist aus einer privaten, emotionalen Überforderung entstanden. Aber natürlich richtet sich das auch ans Allgemeine. Es geht um ein Ohnmachtsgefühl und einen Wutzusammenbruch in mir, der dann einfach rausgekommen ist. Den Text hab ich nicht geschrieben, ich hab ihn gesungen und geschrien.“

Going to War
I don’t know what I am fighting for
So just shoot, shoot, shoot

Post Period gibt es seit Oktober 2015 und Vivian, Nora und Linda sind in punkto Sound und Besetzung höchst flexibel: „Es ist ein Misch-Masch aus Allem. Wir haben viele Musikstile drinnen. Post-Punk, aber auch Surf-Rock und Punk – und wenn wir auf der Bühne stehen, wird einfach gewechselt. Das hat Charakter!“

Viel Text war’s nicht, bemerkt Michael Ostrowski – aber bei diesem Song geht es ums Gefühl!

Christian Stipkovits

Die Jury über Post Period:

„Das war ein sehr starker Anfang“, meint Peter Paul Skrepek, „Die Band hat Zukunft!“. Voodoo Jürgens: „Es war ein 1,2,3,4 Reim drinnen – schauen wir, was noch kommt!“. Stefanie Sargnagel: „Weil der Herr neben mir meinte, die haben eine Zukunft, möchte ich sagen: Im Matriachat haben sowieso nur Frauen-Bands Zukunft!“ Großer Applaus und zustimmendes Nicken!

20.40 - Tombadour – Mein Land

Tombadour ist ein Reggae-Duo aus Wien bestehend aus dem klassischen Pianisten Markus „Mojo“ Jakisic und dem Hip Hop MC und Sänger Thomas „Tombo“ Gartmayer. Seit zehn Jahren machen die beiden laut Eigendefinition „Reggae Chansons“, die sie zuletzt auf der 2013 erschienen EP „Variationen in CMoll, GMoll und FisMoll“ festgehalten haben.

Tombo war schon letztes Jahr im Finale des FM4 Protestsongcontests und zwar mit der Ska-Band Barefoot Basement. Mit dem Song „Right Neider“ wurde er damals Zweiter, heuer protestiert er mit „Mein Land“ gegen Populismus. Der Auslöser, diesen Song zu schreiben, war die Bundespräsidentenwahl letztes Jahr.

alle fressen alles denn im rechten topf
gären simpelste gerichte zu götterkost

Rücken an Rücken, an Keyboard und Schlagzeug performen Tombadour den Song. „Reggae und Chanson ist immer gut – protestmäßig“, meint Michael Ostrowsi und fragt, auf den Text bezugnehmend die Band, „Ist es besser traurig zu sein, oder einsam – oder ist das nur fürs Lied?“.
Tombo meint darauf hin: „Es ist doch letztlich so, dass man es akzeptiert, traurig zu sein, um in einer Gemeinschaft dabei zu sein.“ Michael Ostrowski ist mit der Antwort nicht wirklich zufrieden und übergibt an die Jury mit der Frage „Soll Protest traurig, poetisch oder aktionistisch sein?“

Christian Stipkovits

Die Jury über Tombadour:

„Ja, alles stimmt.“ meint Martin Blumenau, „Die Frage, besser traurig als einsam stellt sich aber momentan nicht in unserer Gesellschaft. Denn wir sind lieber traurig als einsam, und das ist schon ein fester Schas. Denn diese Art von Trauer führt zu einer kollektiven Depression. Ein bissl einsam ist schon besser als viel traurig.“

Stefanie Sargnagel: „Für mich muss ein Protestsong eine einfache, klare Botschaft haben. Ich als Prolo hab da überhaupt nichts verstanden. Literaturanalytisch kann man da sicher lange darüber reden und das interpretieren. Aber ich check viele Sprachbilder überhaupt nicht – was ist das Gedächtnisklo? Also ich mag da schon so klare Punchlines, das ist bei einem guten Protestsong wichtig. Ich sag nicht, dass es kein schönes Lied ist, aber mir fehlt das Kämpferische, Auffordernde.“

Clara Blume wiederspricht: „Ich glaube, dass ein Protestsong vorrangig zum Denken anregen sollte und da sind Sprachbilder eben das Medium der Wahl. Die Aufnahme hat mir schon sehr gut gefallen. Es ist sehr gut produziert. Die Sinnbilder sind sehr stark. Sie haben von sehr wuchtigen Alliterationen Gebrauch gemacht, was gut ist, wenn man rappt. Sie haben mich schon mit dem Klavier-Intro gehabt. Aus musikalischer Perspektive war die Band herausragend.“

Peter Paul Skrepek: „Das war der zweite Mensch am Schlagzeug heute Abend, der die Hauptstimme gesungen hat. Ich war begeistert davon. Aber mit diesen langen Worten werden sie viele nicht erreichen. Auch auf Ö3 wird das niemals gesendet werden?“

Martin Blumenau ist anderer Meinung: „Was für lange Worte: Mein Land ist Einbahn. Besser traurig als einsam. Was habt ihr daran nicht kapiert?“

Olivera Stajic: „Super Song, aber es ist zu wenig aggro, zu viel traurig.“

Voodoo Jürgens meint pragmatisch: „Wenn man mit der Steinhand was auf die Nüsse kriegt, ist das traurig.“

20.55 - Seralox – Grab that Trump

Das Wiener Frauen-Punk-Duo Seralox gibt es seit 2013. Kennengelernt haben sich Sia und Anita beim feucht-fröhlichen und äußerst gefährlichen Bingo-spielen, wie uns Sängerin und Gitarristin Sia erzählt: „Da bin ich ins Brot&Spiele gegangen und da ist irgendwie ein Bier umgekippt und deswegen gab es eine große Schlägerei und dann musste ich die Anita retten und damit hat sie sich verpflichtet, dass sie jetzt für mich Schlagzeug spielen muss.“

Seralox mögen es gerne laut, roh und puristisch – mit Gitarre, Schlagzeug, Gesang und Geschrei. Sie protestieren mit dem Song „Grab that Trump“ nicht nur gegen den amerikanischen Präsidenten an sich, sondern gegen ein faules politisches System:

„Trump ist ein Symbol. Er ist ein super Spiegel dafür, was alles schief geht und weiterhin schief gehen wird, weil der das ja auch vorlebt. Plötzlich ist der an der Macht und Leute fühlen sich irgendwie bestärkt in ihren sehr fragwürdigen Ansichten, andere Leute zu diskriminieren und schlechter zu behandeln.“

Oh we need somesone strong
to lead us further into wrong directions
(...)
Things used to be better
As women weren’t yet humans like us!

Seralox sind Power und Aggression pur. Ostrowski vergleicht ihren Protestsong mit den ehemaligen PSC-Gewinnern Rammelhof, die 2015 mit “PutPutPutin” gewonnen haben.

Christian Stipkovits

Die Jury über Seralox:

Peter Paul Skrepek: „Das war viel besser als auf der CD, die wir zugeschickt bekommen haben.“

Martin Blumenau: „Bekommt der Donald eigentlich auch Tantiemen, weil das meiste vom Text war ja von ihm? Aber tolle Gitarre. War geil!“

Voodoo Jürgens: „Ist gut weggefahren. Das war die Nummer, die bis jetzt am intensivsten rübergekommen ist.“

Olivera Stajic: „Trump ist so dankbar. Er sagt so viel Blödsinn, den brauchst du nur aufnehmen. Aber so gut wie „PutPutPutin“ wars nicht.“ Buh-Rufe im Publikum.

21.05 - Simon & Jan – Weil ich kann

Simon & Jan ist ein Lidermacher-Duo aus Oldenburg, Deutschland. Kennengelernt haben sich die beiden bei ihrem Musikstudium vor elf Jahren und seither verknüpfen sie Kabarett und Musik – mit zwei Stimmen und zwei Gitarren. Ihre Programme wurden bereits mit zahlreichen Kleinkunstpreisen ausgezeichnet und aktuell touren sie mit ihrer dritten Show „Halleluja“.

Mit dem Song „Weil Ich kann“ protestieren sie gegen den Moral-Verfall der Gesellschaft.

„Es ist sehr subtil, denn das ist eine Haltung, die vielleicht auch jeder in sich entdeckt. Also – Warum machst du denn das oder dies? Ja, weil ich kann – und das hält als Entschuldigung für viele Dinge her, die man glaub ich, nicht mehr hinterfragt.“

Ich schicke unbemannte Drohnen
Zu meinen Feinden in der Nacht
Ich blätter in der Schöner Wohnen
Und sitz vorm Fernseher wenn es kracht
Ich lass die ganze Scheiße einfach gar nicht an mich ran
Weil ich kann – weil ich kann

Viel Zwischenapplaus und Gelächter gab es während der Performance, die humorvoll startet und pathetisch endet. Dem Schlussapplaus zufolge war das der erste große Favorit des Abends. Das Publikum ruft bereits: „Zugabe“.

Christian Stipkovits

Die Jury über Simon & Jan:

Clara Blume: „Es hat mir sehr gut gefallen. Das war eine sehr solide Leistung. Der Humor ist sehr gut rübergekommen. Verdiente Finalisten. Sehr catchy und so soll ein Protestsong klingen.“

Stefanie Sargnagel: „An sich ein schönes Lied. Ich find es ganz hübsch. Aber Protestsong? Kann man sich vorstellen, dass den Text Zehntausende auf der Straße singen? Eher weniger. Das ist so eine Kritik an der eigenen Wohlstandslethargie. Mir fehlt das Appellierende, Auffordernde! Das ist so traurig auf der Couch liegen.“

Peter Paul Skrepek: „Das Lied war hinterhältig fies. Es war für mich eine Beschreibung, wie ein Überraschter den Tag überlegt. Der ist immer überrascht, aber es geht im ja gut."

Blumenau: „Scheiß Ironie. Scheiß Kabarett. Scheiß Kabarettismus. Der German-Defense-League gefällt das auch sehr sehr gut. Scheißdreck!“

Olivera Stajic: „Ich glaub der Martin hat was gegen Piefke. Mich hat der Song wahnsinnig überrascht. Zuerst hab ich gelacht, bis zu der Zeile, in der Lampedusa vorkam. Dann hätt ich am liebsten geheult.“

Voodoo Jürgens: „So gut ist mir die Nummer auch nicht eingefahren. Die Performance war gut, mit dem Text tu ich mir schwer.“

21.20 - mieze medusa & tenderboy – Danke, dass du deenggsd

mieze medusa & tenderboy sind Protestsongcontest-Veteranen. Vor zehn Jahren haben sie den PSC mit dem Song „Nicht meine Revolution“ gewonnen und mieze medusa war auch schon öfters als Jurorin mit dabei. Im FM4-Interview verraten sie, dass ihnen der Sieg beim Protestsongcontest auch einiges gebracht hat:
„Wir hatten in dem Jahr nach dem Sieg sicher doppelt so viele und viel diversere Bookings, auch wenn viele Soli-Veranstaltungen mit dabei waren. Es hat uns auf alle Fälle etwas gebracht. Es ist halt Öffentlichkeitsarbeit und die Veranstaltung funktioniert auch gut. Man schreibt ja auch für ein sehr offenes Publikum, aber nicht für ein Publikum, dem es egal ist. Das ist schon cool.“

Heuer treten die beiden mit dem Song „Danke, dass du deenggsd“ an – einer Nummer, die sie kurz vor Einsendeschluss extra für ihr zehnjähriges PSC-Jubiläum geschrieben haben: „Ich glaube es ist wichtig bei Protestsongs nicht nur zu schimpfen.“, erzählt uns die Texterin, Autorin und Poetry-Slammerin mieze medusa, „Natürlich soll man Fakten liefern und sagen, das und das läuft nicht so ideal, aber insgesamt wollten wir einen positiven Track machen, der auch jemanden mitnimmt und lobt. Ich glaube sehr an die Macht des Lobens. Deshalb auch der Refrain – Danke dass du deenggsd.“

Du hast recht: die Welt ist ziemlich undurchschaubar
Ja es stimmt, in Medien war schon mehr Vertrau’n da
Jetzt ist jeder Sender, schau ma, ob das schlau war
Du willst Veränderung erzwingen und wählst den korrupten Clown da?

Der Song soll laut Produzent Philipp Diesenreiter aka tenderboy auch zu Zivil-Courage und gesellschaftlicher Mitarbeit motivieren: „Es ist ja immer so eine Sisyphusarbeit, sich politisch zu betätigen. Man muss ja nicht einmal in einer Partei sein, es reicht ja, mit Leuten darüber zu reden, in Kontakt zu treten und dagegen zu reden, wenn einer irgendeinen Blödsinn auf Facebook schreibt. Aber man sollt es trotzdem machen und aktiv sein. Egal was einem entgegen gesetzt wird und wie viele Fake-News herum wabern. Nicht aufgeben, einfach weitermachen auch wenn es ausweglos erscheint!“

Christian Stipkovits

Die Jury über mieze medusa & tenderboy:

Voodoo Jürgens: „Klingt so routiniert, wie wenn ich zum Billa geh auf ein paar Semmerl.“

Stefanie Sargnagel: „Beim Rap mag ich schon lieber so destruktiven, bösen Gangster-Rap, aber das war so optimistisch, irgendwie auch ok.“

Clara Blume: „Ich muss Voodoo Jürgens recht geben, das war schon sehr routiniert. mieze medusa – eine große Szenepersönlichkeit. Bei der Performance waren zwar ein paar Fehler dabei, aber das macht bei der Routine nichts. Das Wort Postfaktisch war auch dabei und das war ein Wort des Jahres 2016. Somit ein sehr zeitgeistiges Thema, aber auf subtile Art und Weise aufbereitet. Die Metapher Mordor versus Auenland find ich auch wirklich leiwand. Der Refrain ist wirklich catchy. Poetisch und musikalisch Top.“

Peter Paul Skrepek: „Über die mieze sage ich nichts persönlich, denn sie ist eine Kollegin und Kollegen bewerte ich nicht. Sie war hervorragend. Aber wer erfindet solche Wörter wie postfaktisch?“

21.35 - Schapka – USQQ

Schapka ist ein queer-feministisches Frauenquartett aus Wien, das in dem Song „USQQ“ nicht gegen, sondern für etwas protestiert – nämlich:

Utopie, Safespace, Quernees, Quoten, (...)
Raubkopien, Sturmhauben, Pferdeschwänze, Leuchtschriften

Schapka hat sich 2012, im Alter von 14 und 17 Jahren, beim Girlsrockcamp gegründet, und zwar an dem Tag, an dem Pussy Riot den Prozess verloren hat. Deshalb haben sie sich auch kurzerhand „Schapka“ genannt, was auf russisch „Haube“ heißt – und auch das Markenzeichen von Pussy Riot war. Aber nicht nur der Bandname ist russisch, auch einige Songs, wie zum Beispiel über die Unterdrückung in der Ehe, werden auf russisch gesungen.

Schapka ist laut, politisch und divers. Aktuell arbeiten sie an ihrem Debüt-Album, das im Herbst erscheinen soll und in Richtung ExperimentalFreeJazzPunk geht. Live sind die leidenschaftlich lauten Riot Grrrls ein mitreißendes, undogmatisches Erlebnis – das Publikum ist hellauf begeistert.

Christian Stipkovits

Die Jury über Schapka:

Clara Blume: „Ich bin sehr positiv überrascht. Absolut rohe Energie. Sie verstecken sich nicht hinter einem ironischen Bruch. Sie haben das Privileg der Jugend, und das darf ich aus dem Alter heraus sage, wo man noch ehrliche Empörung auf die Bühne bringen kann. Das war sehr direkt und rotzig. Das mit der Querness und den Quoten kann man sich mit 30 nicht mehr erlauben, in einen Text reinzuweben. Mit 19 aber schon!“

Steffi Sargnagel: „Ich bin gegen Freunderlwirtschaft – aber nachdem die Band den Spruch der Burschenschaft Hysteria „Auf ins goldene Matriarchat“ in der Bandbeschreibung übernommen hat - wird mich sicher nicht beeinflussen. Und mir ein Mitglied neulich auch ein Bier gezahlt hat, auch nicht. Aber sie werden gewinnen!“

Voodoo Jürgens: „Die Stimme der Sängerin fahrt ziemlich ein. Das kann man sich merken. Wenn das Matriachat übernimmt, wird das der Soundtrack dazu.“

21.45 - Badmandi & die Rootzbuam feat. Holy Moly – Wicked Babylon System

Badmandi & die Rootzbuam feat. Holy Moly ist ein Dancehall-Reggae-Kollektiv aus Mödling. Die Vier protestieren gegen das „Wicked Babylon System“ – aber was ist das eigentlich?

„Das sind Sachen, die uns ärgern. Sachen, die viele Menschen ärgern. Umstände, die nicht veränderbar scheinen, die einem das Leben erschweren oder die Freude oder das Mensch-Sein erschweren. Wir sind alle gefangen in diesem Wicked Babylon System, aber wir sind auch alle mitverantwortlich dafür, dass dieses System so ist wie es ist.“

„Wicked Babylon System“ ist ein Rundumschlag gegen die Angst und den Kontrollverlust im Hamsterrad. Die Idee zum Text hatte Georg Wiesmüller aka Major G, als er mit seiner einjährigen Tochter gespielt hat: „In dem Moment, in dem ich sie beobachtet hab, wie sie spielt und wie es zur Zeit in der Welt zugeht und in welche Welt man so ein kleines Kind entlässt, irgendwann, ist mir die Idee zum Text gekommen und daran hat sich alles weiterentwickelt.“

Für ihren allerersten Auftritt als Band haben sie sich etwas besonders einfallen lassen und eine große Reggae-Batterie inklusive Bläser auf die Bühne gestellt. Dem Jubel und den Anfeuerungsrufen zu Folge haben sie auch die meisten Fans mitgebracht, es werden auch selbstgebastelte Schilder mit brennenden Hanfhaufen in die Höhe gehalten.

Christian Stipkovits

Die Jury über Badmandi & die Rootzbuam feat. Holy Moly:

Voodoo Jürgens: „Für das, dass es ihr erstes Konzert war, haben sie es wirklich leiwand runtergerissen. Mit Reggae kann nicht jeder was anfangen – aber ich bin damit aufgewachsen.“

Martin Blumenau: „Badmandi & Rootzbuam waren schon mal im Vorfinale. Holy Moly war der Neue! Also das allererste Konzert war das nicht.“ Das Publikum widerspricht ihm lautstark.

Stefanie Sargnagel: „Das war schon eine sehr energetische Performance. Aber was ist das Babylon in Mödling? Der Gemeinderat? Was ist da jetzt die Kritik? Das könnte auch eine Message der Reichsbürger sein.“

Peter Paul Skrepek: „Die babylonische Legende ist die Geschichte unserer Zivilisation. Es ist traurig, wenn Leute das nicht wissen. Das ist ein biblischer Konflikt. Das war der Anfang eines Untergangs, der da besungen wird. (…) Mödling ist eine Schulstadt – und die Pharisäer sind dort die Schriftgelehrten.“

21.55 - Permaneder – Deutschland. Ein Wintermärchen

Permaneder machen eine Mischung aus Folk, Blues, Jazz, Indie und Chansons. In dem Song „Deutschland. Ein Wintermärchen“ protestiert das Quartett aus Wien gegen die Idealisierung eines bestehenden Unglücks. Durch Verblendung, falschen Trost und affirmativen Selbstbetrug opfern sich Menschen seit Jahrhunderten hingebungsvoll den gesellschaftlichen Imperativen ihrer Zeit.

„Es geht um die alten Erzählungen, mit denen sich Unterdrückte oft identifizieren“, erklärt Sänger und Gitarrist Dan Knopperr, „Das ist dann so was wie: es muss so schlecht sein, wie es ist, oder: das hat schon seine Richtigkeit, dass es euch schlecht geht.“

Permaneder haben offensichtlich eine Schwäche für große, deutsche Autoren. Denn der Bandname geht auf Alois Permaneder, eine Romanfigur aus Thomas Manns „Buddenbrocks“ zurück.

Der Song ist eine Anlehnung an das gleichnamige Gedicht „Deutschland. Ein Wintermärchen“ von Heinrich Heine aus dem Jahr 1844, in dem „ein armes, junges Mädchen davon erzählt, dass es schon okay ist, wenn es ihr auf der Welt schlecht geht, denn es gibt ja später einmal den Himmel als Belohnung – und das haben wir versucht auf Heute zu übersetzen.“, so Knopperr.

Und als ich in den Supermarkt kam,
da hörte ich aus dem Lager,
ein junges Kassamägdelein
das sang das Lied der Versager

Sie sang das alte Entsagungslied
Von leistungsgerechter Entlohnung,
dass wir über unser Verhältnis gelebt
sie in ihrer Substandardwohnung.

Christian Stipkovits

Die Jury über Permaneder:

Stefanie Sargnagel: „Das Lied hat mich neben den ganzen Punk-Nummern am meisten angesprochen, das hat diesen schönen Protestlied-Pathos. Es war humoristisch und nicht doch zu kitschig. Mir hat das sehr gut gefallen.“

Martin Blumenau: „Ich als Arbeiterkind kenn mich ja nicht so gut aus mit Literatur und Lyrik – aber was ist da jetzt purer Heine? Redet das Kassamägdelein wirklich so deppert daher? Der wird ja nur Scheiße in den Mund gelegt. Die Mutter von der Freundin meines Sohnes ist auch Kassamägdelein – und deswegen muss ich mich da schon aufregen. War das Heine pur oder war da was selber gemacht auch?“

Olivera Stajic: „Es war wohl eine Mischung aus dem deutschen Wintermärchen und der Internationalen für ganz Blöde. Bis zur Hälfte des Liedes war ich total begeistert, aber zum Schluss war es mir zu versöhnlich. Es fehlt mir das Aggressive zum Schluss. Für die neue Internationale wird’s nicht reichen.“

Voodoo Jürgens: „Die Band gescheppert – wie Def Leppard.“

Clara Blume: „Ich fande das Heinrich Heine Gedicht sehr schön aktualisiert. Mein Herz haben sie gewonnen mit ihrer Sozialkritik. Ich würde nicht so sehr ins Gericht gehen mit der Band. Empörung um der Empörung Willen – Martin Blumenau?“

Martin Blumenau: „Wer die Supermarktkassiererin als die Blöde der Gesellschaft hernimmt, hat bei mir sowieso ausgeschissen!“

22.10 - Fichtenharz – Auf Biegen und Brechen

„Wir sind Fichtenharz – wir dichten hart. Hallo!“

Fichtenharz ist eine Wiener Singer/Songwriter-Quartett, das es gerne auch krachen lässt. Sie selbst bezeichnen sich als poetische Slow-Down-Punks mit einem Hang zum Experimental-Genitalgroove. Die Band gibt es seit 2014 und hat seine Wurzeln in der Theatermusik, deshalb wird auch viel Wert auf ihre Bühnenperformance gelegt.

In dem Song „Auf Biegen und Brechen“ protestieren sie gegen gesellschaftliche Erwartungshaltungen und Normvorstellungen.

Muss, muss, soll, soll, darf, dürfen, wohl, wollen
Arbeit Wohlstand, Gesundheit und Träume
Freizeit Freundschaft, Ängste, Liebe und Sex
Jetzt gleich, auf einmal, noch mehr, am besten mehrmals – mehrmals!!!
Auf Biegen und Brechen biegen wir uns wie Eisen und Brechen wie Glas.

Der Songtext war ursprünglich ein Gedicht, das Sänger Alexander Lainer in Indien geschrieben hat. Er hat dort in einem Yogahaus als Karma-Yogi gelebt und gearbeitet – und dabei auch so manch skurrile Erfahrung gemacht, die er in dem Song verarbeitet hat: „Da war ein Pärchen, das wollte in dem Yogahaus unbedingt ein Kind zeugen. Da hab ich mir schon gedacht, das passt doch überhaupt nicht zusammen. Man macht Yoga und will gleichzeitig unbedingt ein Kind machen. Diese Mechanismen, und diese Flucht auch vor ihrer eigenen Welt, ist mir dann schon ziemlich auf den Keks gegangen – und daher kommt dieses Stakkato: muss, muss, soll, soll, darf, dürfen, wohl, wollen.“

Auch Fichtenharz haben dem Applaus nach zu urteilen sehr viele Fans im Publikum. Ein rhythmischer Protest, der mit einem „Scherben-Special-Effekt“ beendet wurde.

Christian Stipkovits

Die Jury über Fichtenharz:

Olivera Stajic: „Ich kann mit der Aneinanderreihung von Stichworten wenig anfangen. Eh nett. Kritik an der Wohlstandsgesellschafts – bla. Reißt mich nicht vom Hocker.“

Blumenau: „Schönes, nettes Lied. Aber Protest – hab ich nicht wirklich gehört.“

Voodoo Jürgens: „Der Schlag mit dem Hammer aufs Scherben-Sackerl - war richtig gut.“

Peter Paul Skrepek: „Das war sehr gut. Das hat mich etwas an David Byrne in seiner frühen, wilden Zeit mit den Talking Heads erinnert. Stop Making Sense.“

Clara Blume: „Ich hab es als dadaistische Performance empfunden. Die Band geht in die richtige Richtung. Aber sie muss noch etwas bühnenerprobter werden. Aber es war schon mitreißend.“

Danyál – Hosgeldiniz (Reiß die Arme auf)

„Bevor ihr auch anfängt zu buhen – ich bin auch aus Deutschland“, meint Danyàl. Er ist ein bayrischer Soul und RnB-Sänger mit türkischen Wurzeln. Mit dem Song „Hosgeldiniz (Reiß die Arme auf)“ protestiert er für Weltoffenheit, Toleranz und Aufgeschlossenheit. Der Titel „Hosgeldiniz“ bedeutet „Willkommen“, und in dem Song verarbeitet Danyàl die Diskriminierung, die er zu spüren bekommen hat:
„Ich war schon immer, seit der Grundschule, seit dem Kindergarten, eher so der Außenseiter. Ich war immer Einzelgänger, weil ich irgendwie anders war – von der Kultur und von der Abstammung her. Ich hab halt gemerkt, dass ich es immer schwerer gehabt hab. Ich wurde auch oft gemobbt wegen meiner Nationalität und irgendwann hab ich mir das aus der Seele geschrieben.“

Produziert wurde der Song von Matthias Dünkelmayer, der auch am Text mitgeschrieben hat: „Den Song haben wir 2014 geschrieben. Da war zum einen die Flüchtlingskrise, dann die Identität von Danyàl selber – und ich hatte 2014 einen witzigen Urlaub. Ich war in Ibiza und hab dort HC Strache kennengelernt und der hat mit seinen Ansichten dann das restliche dazu beigetragen, dass der Song geschrieben werden musste.“

Sie klauen unsere Jobs, das ist unser Land,
rufen sie mit durchgestreckter, rechter Hand.

2016 hat Danyàl bei der Casting-Show „The Voice of Germany“ mitgemacht – und dabei auch den Fantastischen Vier und Robbie Williams zusammengearbeitet. Aktuell arbeiten Danyàl und Matthias an ihrem ersten gemeinsamen Album, das Richtung Charts-Pop mit Reggae, RnB und Soul-Einflüssen gehen wird. Darauf werden kaum kritische Töne angeschlagen und deshalb ist der FM4 Protestsongcontest für die beiden eine willkommene Abwechslung: „Die Dance-Songs sind natürlich gut für die Großraum-Discos, aber wir wollten auch was machen, was tiefgründiger ist und mehr Aussage hat.“

Danyál mit seinem Song "Hosgeldiniz (Reißt die Arme auf)". Protestsongcontest 2017 Sieger

FM4 / Christian Stipkovits

Die Jury über Danyál:

Olivera Stajic: „Als Gastarbeiterkind bin ich natürlich total unvoreingenommen. Aber es hat mich wirklich sehr berührt. Ich hab mir gedacht, ich steh am Südbahnhof 1974 und die Leute sagen, geh bitte, schleichts euch. Sehr authentisch. Aber zum Schluss war es mir zu versöhnlich. Diese positiven Bilder und Utopien, ich glaub, das spielt es nicht."

Martin Blumenau: „Ich mag das schon, versöhnlich und Utopie.“

Voodoo Jürgens: „Mir hats getaugt. Ich war kritisch wegen Voice of Germany. Aber von der Thematik ist es eine Geschichte, mit der man sich auseinandersetzen muss.“

Stefanie Sargnagel: „Mir hat es auch recht gut gefallen. Das war ein recht massentauglicher Protestsong – aber mit einer Gastarbeitergeschichte, und die Kombi taugt mir. Ich lass auch gern raus, dass ich Prolokind bin, aber Gastarbeiterkind ist schon noch cooler.“

Peter Paul Skrepek: „Wunderbare Stimme, toller Sänger, großartige Produktion. Das ist absolut massentauglich.“

Clara Blume: „Es war nicht der beste Song des Abends, aber es war der beste Sänger des Abends. Sehr gut performt und meisterhaft intoniert. So eine Art von Pop gefällt mir eigentlich nicht, aber das war schon einfach geil.“

Punktevergabe:

Martin Blumenau vergibt fünf Punkte an Schapka, sieben Punkte an Danyál und neun Punkte an Tombadour.
Stefanie Sargnagel vergibt fünf Punkte an Permaneder, sieben Punkte an Schapka und neun Punkte an Danyàl.
Peter Paul Skrepek vergibt (nach Dankesworten an die Technik, Organisation und Moderation) fünf Punkte an Tombadour, sieben Punkte an Danyàl und neun Punkte an Simon & Jan.
Olivera Stajic vergibt fünf Punkte an Simon & Jan, sieben Punkte an Permaneder und neun Punkte an Danyàl.
Voodoo Jürgens vergibt fünf Punkte an Seralox, sieben Punkte an Permaneder und neun Punkte an Schapka.
Clara Blume vergibt fünf Punkte an Permaneder, sieben Punkte an mieze medusa & tenderboy und neun Punkte an Tombadour.

Protestsongcontest 2017 Abstimmung im Detail

Rabenhof

Das Publikum entscheidet, wer den Protestsongcontest 2017 gewinnt und vergibt:
fünf Punkte an Seralox, sieben Punkte für Post Period und neun Punkte für Permaneder.

Der eindeutige Sieger: Danyàl – wir gratulieren!