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Al Bird Sputnik

Record Digger, Subkulturforscher, Universal Beatnik

10. 2. 2017 - 17:43

FM4 Schnitzelbeats #13: In memoriam Gerhard Bronner

Der Kabarettist, Sänger, Komponist, Produzent und Autor ist vor rund 10 Jahren verstorben. FM4 Schnitzelbeats erweisen dem Altmeister ihre Referenz.

FM4 Schnitzelbeats

Sonntagnachts im FM4 Soundpark und anschließend für 7 Tage im FM4 Player

Gerhard Bronners Stellenwert für den Verlauf österreichischer Musikgeschichte sucht seinesgleichen und verlangt fast zwangsläufig nach Superlativen. In gebotener Kürze: Als Mitglied des "Namenlosen Ensembles" verhalf er dem Wiener Kabarett der Nachkriegszeit zu unverhofften Höhepunkten und erlangte an der Seite von umtriebigen Mitstreitern wie Helmut Qualtinger, Carl Merz, Georg Kreisler, Louise Martini oder Peter Wehle mediale Bekanntheit. Als Betreiber von Nachtclubs (Marietta, Fledermaus) und Aufnahmestudios (Quodlibet) zog er zudem im Hintergrund des Wiener Kulturbetriebs kräftig die Fäden und baute die Karrieren etlicher Nachwuchs-Künstler auf; als TV- und Radiomacher erreichte er bereits in den 1960er Jahren ein Millionenpublikum und selbst im Entstehungsprozess einer eigenständigen heimischen Popmusik (der sogenannten "Dialektwelle") hatte er seine Finger maßgeblich im Spiel. Mit anderen Worten: Über Gerhard Bronners Karriere vor und hinter den Kulissen des österreichischen Showgeschäfts ließen sich ganze Bücher und Dissertationen schreiben.

Wer etwa Lust hat, sich detailliert mit der unglaublichen Geschichte von Bronners Jugend in der Zwischenkriegszeit, seiner Flucht vor dem NS-Regime und seinen ersten Jobs als Straßenmusiker, Leiter von Militärorchestern und als Radiomitarbeiter auseinanderzusetzen, dem sei dieses ausführliche Interview ans Herz gelegt, das der exzentrische Entertainer anlässlich seines achzigsten Geburtstags im Jahr 2002 gegeben hat.

FM4 Schnitzelbeats widmen sich in Ausgabe #13 jedenfalls dem Recording Artist Gerhard Bronner, der vor rund 10 Jahren, am 19.1.2007 in Wien verstarb.

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Trash Rock Archives

Harmona 3D

Mit den sieben Programmen des "Namenlosen Ensembles", die zwischen 1952 und 1959 entstanden, konnte Bronner in seiner Funktion als Chef-Komponist seine ersten Radiohits landen: "Der dialektische Materialismus-Rock", "Weil mir so fad is", "Der Halbwilde", ... Seine vielleicht bekannteste Schöpfung, "Der g’schupfte Ferdl" erlangte in der Fassung seines Weggefährten Helmut Qualtinger große Popularität. Wir widmen uns hier allerdings der vergleichsweise selten gespielten Originalversion. Am Mikrophon und am Piano: Der Urheber höchstpersönlich in einer Aufnahme aus dem Jahr 1956.

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Amadeo

Charakteristisch für Bronners Recordings waren sein bissiger Humor, die Abneigung gegenüber seichter Unterhaltung, wie auch die Bereitschaft, sich mit dem Zeitgeist auseinanderzusetzen – wenn auch mit einer dezidiert konservativen Grundhaltung. Bronners Themenwelt traf dabei bestimmt nicht jedermanns Geschmack, sein Songwriting war indes pointiert genug, um sein Publikum kontinuierlich zu erweitern. Auch die visuellen Qualitäten von Bronners musikalischem Werk sollten Erwähnung finden: Als illustrierendes Beispiel haben wir eine Nummer aus dem Jahr 1959 ausgewählt, in der Bronner seine Hörerinnen darum bittet, ihre lästig gewordenen Ehemänner in eine andere Daseinsform zu befördern. Selten hat die Anstiftung zum Mord so charmant geklungen.

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Prom

Im Jahr 1970 gelang Gerhard Bronner erneut ein großer Wurf. In seiner satirischen Fernsehsendung "Die große Glocke" debütierte die junge Marianne Mendt mit seiner Komposition, dem Wienerischen Souljazz-Klassiker "Wie a Glock'n" und machte die sogenannten Dialektwelle über Nacht salonfähig. Immer wieder nahm sich Bronner in jenen Jahren junger Talente an, die er in seinem Studio produzierte und an renommierte Labels vermittelte.

Eine seiner Entdeckungen war etwa die obskure Wiener Folkband The Golems (alias Golem), mit denen er 1975 auch selber Aufnahmen anfertigte. Aus dieser Recording Session stammt die Nummer "Jonah saß im Wal", mit der wir die heutige Ausgabe der FM4 Schnitzelbeats beenden. Ein seltenese Vergnügen: Wir hören Gerhard Bronner als swingenden Jazz-Crooner.

Great job, Mr. Bronner!