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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

9. 2. 2017 - 17:55

Fesselspiele, gar nicht fesselnd

"50 Shades Darker" langweilt mit Sadomaso-Schwulst, erzählt aber auch einiges über unsere Gesellschaft.

Es gibt Filme, nicht wenige Blockbuster zählen zu dieser Kategorie, die ziehen einen weder punkto Story noch formal in ihren Bann. Aber sie repräsentieren, so wie früher bestimmte Pop-Alben oder auch Bücher, als Massenphänomene punktgenau unsere Zeit, spiegeln gesellschaftliche Stimmungen wieder. Und über diesen Aspekt im Kinosaal nachzudenken, ist dann entschieden spannender als dem eigentlichen Film zu folgen.

"50 Shades Darker – Gefährliche Liebe" zählt definitiv zu dieser Kategorie. Wir reden immerhin von einer Buchvorlage, die, als Trilogie angelegt, weit über 100 Millionen Exemplare verkaufte und einen Vorgängerfilm, der beinahe unfassbare 600 Millionen US-Dollar einspielte.

Das sind kommerziell betrachtet fast "Star-Wars"-Dimensionen, allerdings mit Peitschen und Dildos statt Laserschwertern. Bedenkt man dann noch, dass die Zielgruppe zum überwiegenden Teil weiblich ist, beginnt das Thema noch interessanter zu werden, selbst wenn das eigentliche Sequel zu "50 Shades Of Grey", soviel sei gleich verraten, sterbenslangweilig ist.

50 Shades Darker

UIP

Kapitalismusmärchen für die strenge Kammer

Wobei man ja als Mann eher vorsichtig sein sollte, wenn man über die Fessel-Saga spricht, vor allem vorschnelle Urteile über die Legionen von Zuseherinnen gilt es sich zu verkneifen.

In milden Momenten würde ich dann auch sagen: Die Geschichte von Anastasie Steele und Christian Grey gehört in die Abteilung Guilty Pleasure, eine schwülstige Rosemunde-Pilcher-Story, aufgeladen mit ach-so-schrecklich verbotener Erotik, die sich Freundinnenrunden zusammen verschmitzt grinsend anschauen. So wie es Typen gibt, um jetzt gleich die ödesten Geschlechterklischees abzuhaken, die sich ins Multiplex begeben, um bei einem "Fast & Furios" Film gemeinsam Gehirnzellen abzutöten.

Aber diese Sichtweise geht sich nicht ganz aus. Weil die von der Autorin E.L. James erdachte Hardcore-Romanze einfach als ultimatives Kapitalismusmärchen für die neoliberale strenge Kammer irritiert und abstößt. Da lernt im ersten Teil die schüchterne, kultivierte, gutaussehende Anastasia Steele (Dakota Johnson), aus der Mittelklasse kommend, den wahnsinnig feschen Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan) kennen. Verfällt seinem Charme. Beginnt sich zu verlieben.

Auch der superreiche Gentleman findet die junge Frau berauschend, betört sie mit Blicken, beschenkt sie vor allem mit glitzernden Konsumgütern. Christian wirkt wie der absolute Traumprinz, mit dem kein Durchschnittstyp konkurrieren kann. Es gibt nur einen Haken: Er steht auf Sadomasochismus und Bondagespiele. "What can I get out of this?" fragt Anastasia ihren Lover geschockt, seine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen: "Me".

50 Shades Darker

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Sadomasochistische Telenovela

Auch Nicht-LeserInnen der Bücher wissen natürlich bereits aus dem Trailer: Nach einer traumatischen Trennung, weil Ana der Sex letztlich zu brutal wurde, findet unser ungleiches Paar in "Fifty Shades Darker" wieder zusammen.

Es wird friedlich gemeinsam gekocht, gekuschelt, Christian versucht seine dunklen Impulse (BDSM ist eine Krankheit, die nach Heilung schreit, implizieren die Filme) zu unterdrücken, die in einem Verlag arbeitende Ana bekommt wieder schöne Goodies in Form von silbernen Apfel-Laptops und dazugehörigen Mobiltelefonen geschenkt.

Aber die düstere Vergangenheit holt unseren Antihelden ein. Nicht nur dass seine verheerende Leidenschaft immer wieder aufflackert, plötzlich taucht seine ältere Lehrerin in Sachen sexueller Grenzüberschreitungen (Kim "9 1/2 Wochen" Basinger, von Botox beeinträchtigt) ebenso auf wie eine blutjunge Ex-Gespielin (Bella "The Neon Demon" Heathcote, mit aufgeschminkten Augenringen). Mit diesen Dämoninnen aus der Vergangenheit ihres Traummannes konfrontiert, fühlt die sensible Anastasia den Boden unter ihren Füßen schwanken.

Das klingt jetzt entschieden dramatischer, als der eigentlich als solide geschätzte Regiehandwerker James Foley diesen Film inszeniert hat. Sogar zentrale Ereignisse, wie ein bedrohlicher Flugzeugsturz des jungen Herrn Grey, werden in einem beiläufigen Soap-Opera-Stil erzählt, der zum Kopfschütteln animiert. Überhaupt denkt man gegen Ende öfter an die sadomasochistische Variante einer trashigen Telenovela. Oder an eine unfreiwillige RomCom mit Dachschaden.

50 Shades Darker

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Retter und Retterinnen

Die Schauspieler, die aus diesen Groschenroman-Charakteren etwas herauszuholen versuchen (und nichts gegen Pulpnovels!) denken dabei wahrscheinlich, neben ihrem Bankkonto, an vergangene und kommende Rollen. In der beklemmenden britischen Ausnahmeserie "The Fall" verstört Jamie Dornan ja ernsthaft als serienkillender Familienvater, Dakota Johnson wird heuer im ambitionierten Arthouse-Aufguss des Horrorklassikers "Suspira" den Hauptpart übernehmen.

Wie gesagt, "50 Shades Darker", diese Fadgas-Schmonzette, mit ihrer diesmal ausgesucht kulinarisch dargestellten Softerotik und spießigster Verruchtheit (Karnevalsmasken, huch!), würde eigentlich zum süßen Schlummer im dunklen Saal anregen.

50 Shades Darker

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Aber wie dieser Film Beziehungssituationen als knallharten Tauschhandel darstellt, auf den dann eine höchst belesene Junglektorin ebenso einsteigt wie vermutlich amerikanische Präsidenten-Gattinen, wie der (Post-) Feminismus nicht einmal kurz an die Tür klopft, wie in kinky Schnulzenverpackung ein absolut verqueres Frauenbild gepriesen wird, voller Frauen, die gerettet werden wollen, die selber aber auch retten wollen, da wollte ich mich nur mehr schnellstens aus dem Kino retten.