Erstellt am: 11. 2. 2017 - 06:02 Uhr
Die Freiheit unter den Stiefeln
Snowboarden wird gern als Surfen am Berg bezeichnet. Das stimmt zwar ungefähr, hat aber einen Schönheitsfehler: Die Bindung. Denn im Gegensatz zum Surfen ist man beim Snowboarden fest mit seinem Brett verbunden. Das muss aber nicht unbedingt so sein. Die Anfänge des Snowboardens waren bindungslos und eine kleine Gruppe von SnowboarderInnen lässt diese Ideen wieder aufleben.
Neue Impulse
Wolle Nyvelt ist einer von denen, die ins Powder Surfen reingekippt sind. Wer seit fast 25 Jahren auf dem Snowboard steht und damit sein Geld verdient, braucht manchmal neue Impulse, um sich zu motivieren, Tag für Tag riden zu gehen. Vor gut einem Jahrzehnt hat er durch ein Powder-Snowskate seines Sponsors erstmals erfahren, dass man auch ohne Bindungen am Brett Tiefschnee fahren kann. Damit hat sich für ihn eine bereits verloren geglaubte Welt wieder aufgetan: "Da entdeckt man wieder die ganzen Runs, wo man als Kind begonnen hat, die kleinen Waldschneisen oder einen 100m Hügel - und das hat einfach irre Spaß gemacht."
Simon Welebil / FM4
Es hat nicht lange gedauert, und Wolle hat begonnen, selbst mit Pow Surfern, also Snowboards ohne Bindung, zu experimentieren. Gemeinsam mit seinem Partner Steve Gruber hat er sich in seiner Garage in Mayrhofen eine Werkstatt eingerichtet und begonnen unter dem Namen Äsmo (als Mitglieder der Ästhetiker Snowboard Crew kommt man dem „Ä“ nicht aus) klassische Surf-Shapes nachzubauen. Vor allem das Konzept der Fishboards hat es ihnen angetan. Sie haben ein kurzes Board gebaut, mit breiter Nase und einem Schwalbenschwanz hinten. Auf der Unterseite ist das Board auch nicht glatt wie ein Snowboard, sondern gewölbt wie ein Bootskörper, auf der Oberseite klebt eine Anti-Rutsch-Matte. Dieses „Ur-Äsmo“ kann mit viel Auftrieb, Geschwindigkeit und Kontrolle punkten.
Simon Welebil / FM4
Leichter, als man meint
Beim Shops first try-Testival im Tiroler Alpbachtal haben Wollen Nyvelt und Steve Gruber ihre Boards zum Ausprobieren mitgenommen und immer wieder sind sie mit TestfahrerInnen einen kleinen verschneiten Hügel hinaufgestapft. Im Gegensatz zum Snowboarden ist es hilfreich, einen ganz weichen Boot zu tragen, der sich nach hinten biegen lässt. Dann ist es leichter, als man denkt, sich auf so einen Pow Surfer draufzustellen und einfach loszufahren. Zumindest wenn die Bedingungen passen und die ersten Turns im Tiefschnee sitzen.
Simon Welebil / FM4
Die Eingewöhnungsphase für SnowboarderInnen auf dem Powder Surfer geht gegen Null. Einzig das Bremsen ist Gewöhnungssache, da man am PowSurfer keine Kanten hat und man schnell einmal einen Abgang macht. Davon sollte man sich aber nicht vom PowderSurfen abhalten lassen, denn ohne Bindung genießt man jeden einzelnen Schwung und jeden Meter auf dem Brett einfach wieder intensiver und man erlebt die ersten Glücksmomente am Snowboard neu.
Alle Boardsportarten beeinflussen sich gegenseitig
Wolle Nyvelt und seine Crew sind da schon einen Schritt weiter. Sie haben nach dem Surfen auch das Skateboarden in ihr Fahren integriert und sind nach dem einfachen Cruisen durch den Pulver - wie man es von Snowboard Pros erwartet - schon zum Springen übergegangen. Dabei hilft ihnen, dass sie Magnete in ihren Boots verbaut haben und Metallplatten in den Rutschpads. Das gibt ein bisschen mehr Halt, aber man kann den Fuß immer noch leicht vom Board kriegen. „Clean ist das nicht mehr“, sagt Wolle, sondern „schon ein bisschen cheaten“, aber sie wollten einfach alles austesten, was möglich ist. Das mehr an „Pop“, das sie durch die Magnete beim Springen bekommen, sieht man etwa in ihrem aktuellen Film „Äsmosphere“, der auch beim Freeride Film Festival große Wellen geschlagen hat, wo sie mit One-Foot-Tricks, Shuvits etc. nicht geizen, aber auch etwa einen Heelflip hinbekommen.
Mittlerweile beeinflussen sich alle Boardsportarten untereinander, meint Wolle. Im Surfen würde man heutzutage Tricks sehen, die es im Snowboarden schon vor zwanzig Jahren gegeben hat. Jeder schaut sich von den anderen was ab.
Für die besonderen Tage
Obwohl Wolle Nyvelt und Co. in den letzten Jahren gezeigt haben, dass die Einsatzmöglichkeiten für Powder Surfer extrem vielfältig sind, sind sie dennoch keine Alternative zum Snowboarden, eher eine Ergänzung. Denn auch wenn man auf dem Powder Surfer Pisten runterrutschen kann – wirklich Spaß machen sie nur im Tiefschnee. „Powder Surfer sind was ganz Spezielles, für genau die zwanzig Tage im Jahr, wenn die Bedingungen wirklich passen“, sagt Wolle. Dann sollte man ein Projekt parat haben, einen Run oder einen Berg, den man fahren will - und eine Menge guter Freunde.